Was es braucht, um die Interessen der Tiroler Berglandwirtschaft auf europäischer Ebene durchzusetzen? Einigkeit und starke Stimmen in den entsprechenden Gremien. Das hat die Reise des Tiroler Bauernbundes nach Brüssel, in das Herz der Europäischen Union, bestätigt. Auch die Tiroler Bauernzeitung durfte als Berichterstatter an den gemeinsamen Sitzungen des TBB mit EU-Vertretern teilnehmen.
Heimische Stimmen in Brüssel
Als Tiroler Stimme begrüßte die EU-Abgeordnete Barbara Thaler den Bauernbund im Parlament. In einem kurzen Vortrag ging sie auf die aktuell spannendsten Themen für die heimische Landwirtschaft ein. Gerade bei Angelegenheiten wie der Außernutzungstellung von Wäldern, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat, sei es wichtig, die Tiroler Anliegen zu vertreten.
„One size fits all“ gelte hier nicht, es müsse auf die regionalen Gegebenheiten eingegangen werden. Eine klare Meinung vertritt Thaler auch im Bezug auf den Green Deal: Dieser müsse „weniger ‚Green‘ und mehr ‚Deal‘“ enthalten, die Wirtschaftlichkeit dürfe nicht dem Umweltschutz untergeordnet werden. „Leistbar und machbar“ seien die Kriterien, die für die Landwirtschaft noch stärker betont werden müssten.
Eine ähnliche Meinung vertritt Herbert Dorfmann, Südtirols EU-Abgeordneter. Der Green Deal werde von Ideologen ausgenutzt, um ausufernden Umweltschutz zu betreiben. Dabei sei die nachhaltige Landwirtschaft keine neue Erfindung, sondern gerade im Tiroler Raum Tradition. Die Übermacht der NGO’s spüre man insbesondere beim Thema Großraubtiere. Gezeigt habe sich das auch wieder nach dem Unglück in Trentino, wo ein Jogger von einem Bären getötet wurde. Anstatt die Hinterbliebenen zu unterstützen, seien NGO-Vertreter mit „Rettet den Bären“-Bannern durch Bozen gezogen. Die Fronten seien verhärtet. Und auch wenn im EU-Parlament mit Zweidrittel-Mehrheit für eine Neubewertung des Wolfs-Schutzstatus gestimmt wurde, ist keine Einigung in Sicht.
Generell sei der Stellenwert der Landwirtschaft in der EU aber gestiegen. Durch Corona und die Ukraine-Krise sei die Landwirtschaft so hoch auf der politischen Agenda wie noch nie während Dorfmanns aktuell 15-jährigen Amtszeit. Dass der Stellenwert der Land- und Forstwirtschaft zugenommen hat, bestätigt auch die Bauernbund-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer. Damit einhergehend gäbe es aber auch Probleme, da manche die Landwirtschaft als Emissions-Mistkübel sähen. Der Niederösterreicher Alexander Bernhuber, ebenso Bauernbund-Abgeordneter, bestätigte diesen Eindruck. Eine Absage erteilten beide der Forststrategie, die eine Außernutzungstellung von Waldflächen vorsieht.
Beim Informationsbesuch bei der Europäischen Kommission standen dem Bauernbund die Gesprächspartner Johannes Enzmann (Generaldirektion für Klimapolitik), Frank Vassen (Referat Naturschutz der Generaldirektion für Umwelt) und Wolfgang Burtscher (Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung) gegenüber. Die Bedeutung der EU als starker Verbund, Wertegemeinschaft und Friedensprojekt standen ebenso im Fokus der Diskussion wie die Problematik des Wolfes für die Almwirtschaft und die verschiedenen Ansichten zum Mercosur-Abkommen.
Bevor es wieder zu Haus und Hof ging, empfing Andrä Rupprechter, Österreichs ehemaliger Agrarminister und aktueller Direktor des Sonderausschusses Landwirtschaft im Generalsekretariat des Europäischen Rates, die Tiroler. Rupprechter beschäftigt sich zurzeit u. a. mit den Folgen des Ukraine-Krieges für die EU und die Gemeinsame Agrarpolitik.
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- 20230503 171916 NEU: Norderhus