Gedenken an „den Kanzler aus Dachau“

Am 2. Oktober wäre Leopold Figl 120 Jahre alt geworden. Ein Geburtstag, der es wert ist, sich zu erinnern. Denn vor allem sein tiefes Gottvertrauen und sein unerschütterlicher Glaube an Österreich haben dazu beigetragen, dass das Land bereits 1955 seine Freiheit wiedererlangt hat.

Der Geburtstag des ehemaligen Bundeskanzlers und Landeshauptmannes Leopold Figl jährte sich zum 120. Mal. Zahlreiche Gäste waren zur Gedenkfeier gekommen.

Hochrangige Vertreter des NÖ Bauernbundes, unter ihnen Obmann Stephan Pernkopf und Direktor Paul Nemecek, waren vergangene Woche zum Gedenken an den 120. Geburtstag des großen Bauernbündlers und Politikers Leopold Figl in dessen Heimatgemeinde Rust im Tullnerfeld gekommen. „Wir müssen unsere Geschichte verstehen, daraus die richtigen Schlüsse ableiten. Nur so können wir unsere Zukunft erfolgreich gestalten“, so der einhellige Tenor.

„Die Vergangenheit verstehen, um die Zukunft zu meistern“

„Leopold Figl war nicht nur ein großer Niederösterreicher, er war ein großer Bauernbündler. Auch wenn die aktuellen Zeiten schwierig scheinen mögen, so müssen wir uns immer vor Augen halten, welch ungleich dunklere Zeiten Figl durchleben musste“, stellte Bauernbundobmann Pernkopf fest. Dennoch habe er mit ungeheurer Kraft später den Aufbau gestaltet und geprägt.
„Mit festen Werten, starkem Handeln und bäuerlichem Hausverstand. Wir sind ihm allezeit zu Dank verpflichtet“, so Pernkopf, der auch auf den starken Charakter Figls verwies: „Als er aus der Todeszelle befreit wurde, ist er nicht einfach gegangen, sondern hat korrekte Entlassungspapier für sich und seine Mithäftlinge verlangt.“
„Leopold Figl war der Begründer des Bundesheeres, wie wir es heute kennen“, hob Verteidigungsministerin Klaudia Tanner den Weitblick und den Mut des großen Politikers in einer „unglaublich schwierigen und herausfordernden Zeit“ hervor.
Leopold Figl wurde am 2. Oktober 1902 in Rust im Tullnerfeld als drittes von insgesamt neun Kindern seiner Eltern Josefa und Josef geboren und musste nach dem Tod des Vaters im Jahr 1914 früh Verantwortung für sich und seine Geschwister übernehmen. Dennoch ermöglichte ihm die Mutter den Besuch des Gymnasiums in St. Pölten und das Studium an der Universität für Bodenkultur.

Auch im KZ ein unbeugsamer und überzeugter Österreicher

Leopold Figls politische Laufbahn begann als provisorischer Sekretär im NÖ Bauernbund. Alsbald, im Jahr 1933 im Alter von 31 Jahren, wurde er auch dessen Direktor. Mit großer Sorge beobachtete Leopold Figl den Aufstieg des Nationalsozialismus und Hitlers in Deutschland, den alle Anstrengungen der Politik konnten nicht aufhalten konnten. Und so erfuhr im Jahr 1938 die Karriere des Bauernbündlers eine jähe Unterbrechung.
Bereits mit dem ersten Transport aller führenden österreichischen Politiker wurde auch Leopold Figl ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Fünf Jahre und zwei Monate dauerte sein Martyrium an. In dieser Zeit erlitt er durch die Prügel schwere Haut-, Gewebe- und auch Organschäden, die längst als Ursache für seinen frühen Tod im Jahr 1965 gelten.
Sein unerschütterlicher Gottesglaube sollte Leopold Figl durch die Zeit im KZ helfen. Gemeinsam mit Josef Reither legte er ein Gelübde ab, jedes Jahr mit Niederösterreichs Bäuerinnen und Bauern nach Mariazell zu pilgern, sollte sein geliebtes Heimatland die Freiheit wieder erhalten. Er überlebte die Typhusepidemie und durfte 1943 das Konzentrationslager verlassen – nur mehr ein Schatten des Mannes, der 1938 hierher verfrachtet worden war. Überzeugt davon, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Naziherrschaft zu Ende geht, begann Leopold Figl gemeinsam mit Mitstreitern mit den Vorbereitungen für den Tag, wenn Österreich wieder frei ist. Doch im Oktober 1944 – wenige Wochen nach dem gescheiterten Attentat gegen Adolf Hitler im Juli – wurde Figl im Zuge einer neuerlichen Verhaftungswelle ins KZ Mauthausen gebracht. Er wurde zum Tode verurteilt, die Vollstreckung des Urteils jedoch durch den Einmarsch der Russen verhindert.

Auf dem steinigen Weg zum ­befreienden Staatsvertrag

Am 7. April 1945 wurde Leopold Figl aus dem Gefängnis entlassen und von Marschall Tolbuchin, dem Oberbefehlshaber der sowjetischen Truppen in Österreich, damit beauftragt, Nahrungsmittel für die hungernde Bevölkerung in Wien heranzuschaffen, Saatgut für den Anbau zu sichern sowie die Straßen von den Kadavern säubern zu lassen. Ein Unterfangen, dass der mutige Politiker mit Nachdruck in Angriff nahm. Bis am 8. Mai der Krieg endgültig zu Ende war, wurde im Hintergrund bereits die ÖVP gegründet und eine provisorische Übergangsregierung gebildet, der Figl als Staatssekretär angehörte.
Nach den ersten freien Wahlen in der neugegründeten Zweiten Republik wurde Leopold Figl mit der Regierungsbildung beauftragt. Gemeinsam mit der von ihm gebildeten Dreiparteienregierung aus ÖVP, SPÖ und KPÖ nahm er seine Arbeit als Bundeskanzler des bitterarmen Österreichs auf. Als solcher machte er es sich zur Aufgabe, Freiheit und Gerechtigkeit für das Land zu erlangen. Zuerst galt es, die unmittelbare bittere Not zu überwinden, um später auch die volle Freiheit zu erringen. Mit Zähigkeit, Mut und nicht zuletzt viel von seiner sprichwörtlichen „Bauernschläue“ gelang ihm schließlich der Durchbruch bei den Verhandlungen mit den Alliierten. Am 15. Mai 1955 durfte er als Außenminister den Staatsvertrag unterschreiben, den er mit Stolz präsentierte. „Österreich ist frei!“, rief er der Menschenmenge vom Balkon des Schloss Belvedere zu.
1959 wurde Figl zum Nationalratspräsidenten gewählt. 1962 kehrte er als Landeshauptmann in „sein“ Niederösterreich zurück. Zur selben Zeit machte sich seine unheilbare Krankheit – Nierenkrebs – bemerkbar. Seine Nominierung zum Bundespräsidentschaftskandidaten der ÖVP im März 1965 lehnte er, von seiner Krankheit bereits schwer gezeichnet, ab. Er starb zweieinhalb Monate später, am 9. Mai. Figl wurde mit einem Staatsbegräbnis gewürdigt und in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Eigenes Museum im Heimatdorf von Leopold Figl

„Wir nehmen den Auftrag des Erinnerns ernst“, betont Bernhard Heinl, Bürgermeister von Michelhausen. Die Markgemeinde ist Eigentümerin und Betreiberin des Leopold-Figl-Museums in der Katastralgemeinde Rust im Tullnerfeld. „Nur wer seine Vergangenheit kenne, kann die Zukunft verstehen“, ist Heinl überzeugt.

Das Museum plant derzeit auch:

  • eine neue App zur Führung der Besucher durch die Ausstellung sowie ein neuer Museumskatalog;
  • Fototafeln im Ort, wo Leopold Figl einst unterwegs war;
  • eine neue Figl-Sonderausstellung, die zudem als Wanderausstellung auch verliehen werden kann.

www.michelhausen.gv.at/Leopold-Figl-Museum

 

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AUTOREva Riegler
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