Das Motto „Erzeugt wird das, was gekauft wird“ gilt für Unternehmer und auch für die landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich. Die Forderungen nach immer höheren Tierhaltungs-, Umwelt- und generell Produktionsstandards stehen jedoch zusehends im Widerspruch mit dem Einkaufsverhalten der Österreicher.
Laut Agrarmarkt Austria (AMA) gaben in einer Umfrage fast 42 Prozent der Befragten an, dass sie aktuell bei Produkten des täglichen Bedarfs viel stärker auf den Preis und Aktionen achten. Knappe 48 Prozent der Befragten etwas stärker. Nur für circa zehn Prozent habe die Inflation derzeit keinen Einfluss auf ihr Einkaufsverhalten. So zeige die Realität, dass Konsumenten aktuell vermehrt zu „Billigprodukten“ greifen. Diese stammen häufig aus dem Ausland. Das Bekenntnis der Konsumenten zu österreichischen Lebensmitteln, welche unter höheren Auflagen hergestellt wurden, sei zu wenig.
Geringe Nachfrage im Handel
„Nicht nur die Bauern, sondern auch der Handel bleibt zusehends auf den höherpreisigen Lebensmitteln, wie zum Beispiel auf Freilandeiern oder Bio-Fleisch sitzen und macht dadurch Verluste. Der große Vorteil des Handels im Gegensatz zu den landwirtschaftlichen Betrieben ist allerdings, dass dieser rasch auf die sich verändernden Bedingungen reagieren kann und weniger Nahrungsmittel mit höheren Standards einkauft oder diese teilweise sogar auslistet. Den bäuerlichen Familienbetrieben sind hingegen die Hände gebunden. Sie haben viel Geld in neue Tierwohlställe investiert und können sich eine Produktionsumstellung alle paar Jahre schlichtweg nicht leisten“, betont der oberösterreichische Bauernbund-Direktor Wolfgang Wallner. Landesrätin Michaela Langer-Weninger ergänzt: „Die heimische Agrarpolitik und der Bauernbund als größte bäuerliche Interessenvertretung, versucht durch ein gezieltes Förderwesen in Tierwohlprogramme und das Schaffen von Übergangszeiträumen, welche für Stallumbauten nötig sind, die Betriebe zu unterstützen. Bei den Tierhaltungsstandards wurde durch das Um- und Neubauen von Stallungen bereits viel geleistet.Wichtig ist aber, dass es für Lebensmittel aus besonders tierfreundlicher Haltung auch einen Absatz gibt. Forderungen alleine reichen nicht. Am Ende des Tages muss das Fleisch oder die Milch aus dem Tierwohlstall auch gekauft werden.“
Wolfgang Wallner: „Bei einigen heimischen Lebensmitteln schwindet der Absatz. Ich appelliere deshalb an die Konsumenten österreichische Qualität zu kaufen und der ‚Geiz ist geil‘-Mentalität eine Absage zu erteilen, um so das Fortbestehen der bäuerlichen Landwirtschaft in Österreich zu ermöglichen. Jeder zugesperrte Betrieb ist einer zu viel.“
Eine Rechnung ohne die Bauern
Erst vergangene Woche lud der für den Tierschutz zuständige Bundesminister Johannes Rauch die Vertreter des Handels zu einem Tierwohlgipfel ein. Dabei wurde die Einführung einer Tierhaltungskennzeichnung bei Fleisch diskutiert. „Bäuerliche Vertreter in diese Gespräche miteinzubeziehen, darauf wurde aber verzichtet“, berichtet Langer-Weninger. Dieses Verhalten sei weder fair noch sinnvoll. Denn weitreichende Veränderungen wie diese sollten nicht durch die Hintertür und vorbei an den Hauptbetroffenen, den Landwirten, getroffen werden. Dazu gebe es keinen Grund. So gelte Österreichs Landwirtschaft in Sachen Tierwohl und Lebensmittelstandards als globaler Vorreiter. In unsicheren und wirtschaftlich schwierigen Zeiten bräuchten die Betriebe nun Planungssicherheit und Stabilität.
Produkte bleiben im Regal liegen
Täglich werde die Diskussion rund um die enormen Preissteigerungen bei Lebensmitteln größer. So wären diese kaum mehr leistbar. Parallel dazu höre man, wie Flugreisen und generell der Tourismus nach der coronabedingten Pause wieder zu boomen beginnen. Und dann gibt es noch Berichte darüber, dass der Griff zu heimischen Produkten wie Gemüse oder Obst heuer niedrig sei. So seien 40 Prozent der für den Handel bestimmten Erdbeeren liegen geblieben. Auch hätten laut Angaben um ein Viertel mehr Salat, Kohlrabi oder Frühkartoffeln verkauft werden können. Ähnliches konnte auch in Bayern beobachtet werden. Der Spargelerzeugungsverband Franken gab bekannt, dass Umsatzeinbußen von bis zu 60 Prozent beim Absatz über den Lebensmitteleinzelhandel zu verzeichnen waren. Auch bei Fleisch melden die österreichischen Supermärkte 20 Prozent weniger Umsatz. Zusätzlich zum Rückgang des Konsums, sanken auch die Ansprüche an die Qualitätsstandards. Das Erreichen beziehungsweise die Umsetzung neuer Tierwohl-Ziele scheine damit in weite Ferne zu rücken. „Diese Beispiele zeigen, dass der Absatz bei einigen heimischen Lebensmitteln schwindet. Ich appelliere deshalb an die Konsumenten österreichische Qualität zu kaufen und der ‚Geiz ist geil‘-Mentalität eine Absage zu erteilen, um so das Fortbestehen der bäuerlichen Landwirtschaft in Österreich zu ermöglichen“, so Wallner. Dadurch werde auf lange Sicht auch die Versorgungssicherheit gewährleistet.
Michaela Langer-Weninger: „Die laufende Kritik an der landwirtschaftlichen Arbeitsweise und
die schwelgende Unsicherheit hinsichtlich der Produktionsvorgaben führen bei vielen Bauern
zu Existenzängsten und dem Gefühl mangelnder Wertschätzung gegenüber ihrem Berufsstand. Das ist aber nicht zielführend. Wir brauchen unsere Bäuerinnen und Bauern.“
Bauernbund fordert faire Preise
Angesichts der hauptsächlich in Europa stattfindenden Diskussion um die Themen Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Klimaschutz sei es scheinbar Mode geworden, dass sich immer mehr Lebensmittelketten und Unternehmen als nachhaltig und CO2-neutral arbeitend präsentieren. So würden von den Unternehmen beschäftigte „Nachhaltigkeitsexperten“ populistische Forderungen verkünden, wobei sie genau wissen, dass diese aus ökonomischen Gründen derzeit kaum umgesetzt werden können.
„Schmucke Umbauten von bestehenden Supermärkten, oder neu am Ortsrand aus dem Boden gestampfte Geschäfte – da passt etwas nicht zusammen, das ist auch sicher nicht CO2-neutral und schon gar nicht nachhaltig“, betont Wallner und fordert den Handel auf, den Bäuerinnen und Bauern faire Preise zu bezahlen. Außerdem müsse das landwirtschaftliche Einkommen wieder vermehrt durch den Produkterlös erwirtschaftet, und nicht durch öffentliche Gelder generiert werden. Darüber hinaus gefährde der Green Deal beziehungsweise die von der EU-Kommission angedachte Farm-to-Fork-Strategie die europäische Landwirtschaft und die Ernährungssouveränität.
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- Aktionen im Supermarkt: Foto: elenabsl -adobestock.com, repro/jank