Versorgungsgarantie der EU wieder ins Zentrum rücken

Erste positive Signale aus Brüssel: In einer geplanten Studie über die Auswirkungen des Green Deals soll die Ernährungssicherheit im Lichte des Ukraine-Krieges im Fokus stehen.

NÖ Bauernbunddirektor Paul Nemecek im Petitionsausschuss der Europäischen Union.

Die klare Forderung des Niederösterreichischen Bauernbundes nach einer Versorgungsgarantie der EU für ihre Bürgerinnen und Bürger und die Umsetzung aller dafür notwendigen Maßnahmen hat Bauernbunddirektor Paul Nemecek vor Kurzem im Petitionsausschuss im EU-Parlament deponiert. Nun dürfte Bewegung in die Materie kommen: EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans hat angekündigt, dass die Kommissionsvorschläge zum Green Deal überarbeitet werden könnten, sollten eine geplante Studie über die Auswirkungen des Green Deals dies erfordern.

Timmermans kündigt Studie zu Auswirkungen des Green Deals an

Aktuelle Studien aus dem Europäischen Parlament in Brüssel und Straßburg lassen derzeit im NÖ Bauernbund sämtliche Alarmglocken schrillen: So wird etwa zum Thema „The Future of the European Farming Model“ bis 2040 mit einem Verlust von fast zwei Drittel (62 %) aller bäuerlichen Betriebe in der EU gerechnet. Dazu geht die EU-Kommission in einer Folgenabschätzung zur Umsetzung des Green-Deal von knapp einem Fünftel weniger Produktion in den Bereichen Getreide und Fleisch aus. Bei Fleisch kann das, im schlimmsten Annahme-Fall, zu einem Preisanstieg von 40 Prozent führen.

„Geschlossene Grenzen und ein gestörter Warenverkehr führten im März 2020 zu leeren Supermarktregalen. Dasselbe Ergebnis zwei Jahre später durch den Krieg in der Ukraine, das Ergebnis“, brachte Bauernbunddirektor Paul Nemecek die teils massiven Verwerfungen in seiner Rede vor dem Petitionsausschuss im EU-Parlament auf den Punkt. Nemecek verwies auf die strategische Versorgungssicherheit, die seit über 60 Jahren im EU-Recht (Artikel 39 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV) fixiert ist, aber zunehmend wieder aus dem Fokus der Agrarpolitik verschwunden sei. Laut Nemecek „ein folgenschwerer Fehler“, denn die gemeinsame Agrarpolitik sei „kein Instrument für ökoromantische Ideologien, sondern muss sich an realen Lebensbedingungen und der Versorgungsgarantie für die Bevölkerung orientieren“. Spätestens seit dem Auftreten von Corona sei klar, „was die Gründerväter der EU schon wussten: Diese Versorgungsgarantie können nur unsere Bäuerinnen und Bauern sicherstellen und nicht der Weltmarkt.“ Es sei nun Zeit, sich diesen Grundsatz wieder ins Gedächtnis zu rufen.

„Die GAP ist kein ­Instrument für ­ökoromantische Ideologien.“ 

Der NÖ Bauernbund wird sich laut Nemecek weiterhin mit voller Kraft dafür einsetzen, dass „endlich gegengesteuert wird, denn ohne Maßnahmen droht durch den Ukraine-Krieg der Supergau bei den Lebensmitteln.“

Der Weltmarktanteil der Ukraine bei Sonnenblumenschrot beträgt gut 60 Prozent, bei Roggen sind es 40 Prozent. Auch bei Raps und Gerste ist der Anteil beträchtlich. „Wer glaubt, dass diese Anteile rasch ersetzt werden können, oder dass der Krieg schnell vorbei ist, ist zu sehr Optimist. Daher müssen wir die Lage neu bewerten“, stellte Direktor Nemecek klar. In den kommenden Monaten müsse der Fokus jedenfalls auf der Produktion von leistbaren Lebensmitteln und der Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft liegen. Dazu bräuchten die Bäuerinnen und Bauern alle wirtschaftlich sinnvollen Möglichkeiten. „Der Green Deal darf keinesfalls zu Lasten unserer Ernährungssicherheit und unserer bäuerlichen Familienbetriebe gehen. Darauf werden wir als Bauernbund achten“, gibt sich Nemecek kämpferisch.

 

Der Artikel 39 des AEUV im Wortlaut

Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union ist es,

  1. a) die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;
  2. b) auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;
  3. c) die Märkte zu stabilisieren;
  4. d) die Versorgung sicherzustellen;
  5. e) für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen.

- Bildquellen -

  • Mit starker Stimme für die heimische Land- und Forstwirtschaft: TZOVARAS Stavros
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AUTOREva Riegler/red. AR
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