Mit der Veröffentlichung der „Farm-to-Fork“ Strategie hatte die EU Kommission 2020 auch eine Carbon Farming Initiative, also Programme zur Erhöhung des Kohlenstoffspeichervermögens in der Landwirtschaft, angekündigt. Nach der Übernahme der französischen Ratspräsidentschaft zu Beginn dieses Jahres nahm das Thema erneut Fahrt auf.

Der französische (mittlerweile Ex-) Agrarminister Julien Denormandie brachte den Zertifikatehandel in den EU-Agrarrat, um einen politischen Rahmen für die Umsetzung in der Landwirtschaft zu schaffen. Er agierte damit konform mit der EU-Kommission. Ein entsprechender Vorschlag wird noch bis Ende 2022 erwartet.

Indes ist der Handel mit CO2-Emissions-Zertifikaten längst in ganz Europa gängige Praxis. Auch in Österreich. Basis aller Modelle ist dabei der Aufbau von organisch gebundenem Kohlenstoff im Boden durch Humusbildung. Dies kann durch Leguminosenanbau, Zwischenfrüchte, Umstellung auf Dauerkulturen oder Grünland, Agroforst oder Biokohle erfolgen. Auch eine reduzierte Bodenbearbeitung und organische Düngung sorgen zumindest für den Erhalt der Humusbilanz.

Fixpreis…
Hierzulande befassen sich zwei Anbieter mit der Vermarktung von Zertifikaten – und weitere wollen folgen. Bereits 2007 startete der Trägerverein der Ökoregion Kaindorf den Handel mit sogenannten „Humuszertifikaten“. Dabei wird teilnehmenden Landwirten schlagspezifisch für nachweislich gebundenes CO2 ein Erfolgshonorar in der Höhe von 30 Euro pro Tonne ausbezahlt.

Wie die Bauern den Humusgehalt der Boden steigern, wird dabei nicht vorgeschrieben oder kontrolliert. Mit der Teilnahme am Projekt werden lediglich von unabhängigen Sachverständigen Bodenproben entnommen und analysiert, um den aktuellen Humusgehalt festzustellen. Zu beachten ist, dass die Kosten für die Probenziehung vom Landwirt zu tragen sind. Innerhalb einer frei wählbaren Zeitspanne von zwei bis fünf Jahren wird die Beprobung wiederholt und aus dem Humussaldo die gespeicherte CO2-Menge errechnet.

Nach Erhalt der Zertifikatgelder ist der Landwirt zur Wahrung des erhöhten Humusgehalts für eine Dauer von fünf Jahren verpflichtet. Dies wird bei einer dritten Beprobung auch überprüft. Als Mindestmaß der Humusanreicherung schreibt die Ökoregion ein Plus von 0,3 Prozentpunkten bzw. 11 Tonnen CO2 vor. Vermarktet wird die Tonne gebundener Kohlenstoff dann um 45 Euro an Unternehmen und Privatpersonen. Diese erhalten eine Bestätigung über den Erwerb und können über ein Softwaretool einsehen, von welchem Schlag sie die Humuszertifikate erworben haben. Ein Wiederverkauf der Zertifikate ist jedoch nicht möglich.

…oder freier Markt
In der Raiffeisen Ware Austria (RWA) wird seit 2020 ein ähnliches Projekt verfolgt. Unter dem Namen „Zukunft Erde“ wird eine schlagspezifische Humus-Bilanzierung angeboten. Auch hier wird zu Beginn der Ist-Stand mittels Bodenproben erhoben, wobei dies durch ein Team der RWA entsprechend den Anforderungen der Gesundheits- und Ernährungsagentur AGES erfolgt. Dieser Vorgang wird nach einer Laufzeit von drei bis sieben Jahren wiederholt und anschließend Bilanz gezogen. Die Kosten für die Beprobung sind ebenfalls
selbst zu tragen.

Die RWA vermarktet die Humuszertifikate oder die daraus errechneten CO2-Äquivalente an Unternehmen, anders als die Ökoregion nach aktuellem Marktwert. Davon werden 30 Prozent als Verwaltungsgebühr einbehalten, 70 Prozent dem Landwirt ausbezahlt. Die Auszahlung erfolgt zu zwei Dritteln nach der zweiten Probenziehung. Das letzte Drittel erhält der Landwirt erst nach einer dritten Probenziehung, drei bis sieben Jahre später. Zu diesem Zeitpunkt muss der Humusgehalt zumindest gehalten worden sein, um die Summe ausbezahlt zu bekommen. Ansonsten entfällt die restliche Entschädigung. Zu beachten ist weiterhin, dass für die Dauer der Teilnahme sämtliche Maßnahmen zur Bearbeitung des angemeldeten Schlages dokumentiert werden müssen.

„Die Praxis Läuft der Wissenschaft im Bereich Carbon Farming davon.“

Skepsis aus der Forschung
Im wissenschaftlichen Diskurs wird der Zertifikatehandel in der Landwirtschaft nach derzeitigem Schema kritisch betrachtet. Siegrid Griese von der deutschen Bioland.Stiftung hat sich in den vergangenen zwei Jahren eingehend mit den Berechnungen im Carbon Farming befasst. „Problematisch war bisher, dass es keine valide Grundlage für die Berechnung gab“ schildert Griese die derzeitige Situation. Im Hinblick auf eine Lösung auf EU-Ebene soll sich dies jedoch bald ändern. „Unsere Studien zeigen, dass vor allem die Betrachtung des gesamten Betriebes und Kreislaufwirtschaft tatsächliche CO2-Speicherung bringen.“ Von der derzeit in Österreich üblichen schlagspezifischen Bilanzierung müsse man wegkommen, denn auf diesen Flächen werde der Humusgehalt rasch und intensiv gesteigert, während andere Flächen einer Degradierung unterliegen, ist sie überzeugt.

Ähnlicher Meinung ist auch ihr Landsmann Christopher Poeplau, Agrarforscher am Thünen Institut in Braunschweig. Er bezeichnet eine Anreicherung auf einzelnen Flächen nicht als Klimaschutz, sondern „lediglich als Verlagerung des Kohlenstoffs“. Auch an der Universität für Bodenkultur sieht man die Entwicklungen rund um den Zertifikatehandel kritisch. Sophie Zechmeister-Boltenstern, Leiterin des Instituts für Bodenforschung, bringt es auf den Punkt: „Derzeit läuft die Praxis der Wissenschaft im Bereich Carbon Farming davon.“ Trotzdem befassen sich Forscher in ganz Europa intensiv mit der Thematik: „Jüngste Studien zeigen, dass mit Winterbegrünungen, reduzierter Bodenbearbeitung und Kreislaufwirtschaft die besten Ergebnisse erzielt werden. Das Problem bleibt aber die Messbarkeit der Kohlenstoffbindung auf längere Zeit.“

Auf einem guten Weg
Eine humusfördernde Bewirtschaftung, welche dem Landwirt neben positiven Ertragseffekten auch einen monetären Mehrwert bietet, ist durchaus zu begrüßen. Wie sich der Zertifikatehandel durch Vorgaben von europäischer Ebene, Spekulation und nicht zuletzt valide wissenschaftliche Erkenntnisse entwickelt, bleibt allerdings abzuwarten.

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AUTORClemens Wieltsch
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