Seit einem halben Jahr ist Kathrin Kühtreiber-Leitner (47) im Vorstand der OÖ. Versicherung. Dass sie in der 210-jährigen Unternehmensgeschichte die erste Frau in so einer Funktion ist, sei für sie nichts Besonderes: „Daran denkt man nicht. Aber wenn es ein positives Zeichen für andere Betriebe ist, dann hat es für mich schon eine gewisse Bedeutung.“ Sie selbst ist in ihrer beruflichen Laufbahn (“Zur Person”) schon immer in Führungspositionen tätig gewesen.
Bei der OÖ. Versicherung verantwortet Kühtreiber-Leitner seit Oktober 2020 unter anderem den Vertrieb. Mit dem Versicherungswesen ist sie nicht erst seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Oberösterreichischen vertraut, war sie doch vorher bei der Wirtschaftskammer für die Interessensvertretung der Versicherungsagenten zuständig.
Dass sie bereits zehn Jahre im Unternehmen tätig ist, sei jedenfalls von Vorteil gewesen. Den größten Teil dieser Zeit war sie mit der Leitung der größten Vertriebseinheit im Haus, dem eigenen Außendienst, betraut. „Ich bin froh, dass die Erfahungswerte von Beginn an da waren und dieser Themenbereich für mich nichts Neues mehr ist.“ Dass sie einen gewissen Faible für den Vertrieb hat, begründet das Vorstandsmitglied so: „Man hat viel mit Menschen zu tun und erlebt täglich Neues. Der Vertrieb bringt immer Überraschungen mit sich.“
Zur Person
Nach dem Studium war Kühtreiber-Leitner bis 2011 in der WKOÖ (GF Fachgruppe Versicherungsagenten sowie der Jungen Wirtschaft bzw. Frau in der Wirtschaft) tätig. Danach wechselte sie zur OÖ. Versicherung.
Zudem war sie von 2009 bis 2019 Bürgermeisterin von Hagenberg. Kühtreiber-Leitner ist verheiratet und hat eine Tochter.
Bisherige Vertriebsstrategie steht aktuell auf dem Prüfstand
Beim Vertrieb baut der Regionalversicherer seit eh und je auf ein dichtes Beraternetzwerk. Während es früher nahezu in jeder Gemeinde einen Vertreter gab, setzt man heute auf die sogenannten „Keine Sorgen Center“. In Summe gibt es 32 dieser Kundenbüros – 25 davon befinden sich im Land ob der Enns. Zudem hat die OÖ. Versicherung noch 16 zusätzliche Zulassungsstellen. „Wir wollen in jeder Region jemanden haben, der das fachliche und menschliche Rüstzeug mitbringt und zu unseren Werten passt“, betont Kühtreiber-Leitner.
Derzeit läuft ein unternehmensinterner Prozess, bei dem die bisherige Vertriebsstrategie auf den Prüfstand gestellt wird. Dabei wird eruiert wie der „Kunde der Zukunft“ tickt. Bei den Ergebnissen soll nicht herauskommen was die Versicherung will, sondern was der Kunde braucht: „Die einen wollen Termine zu Hause, die anderen kommen lieber ins Kundencenter und wieder andere bevorzugen eine digitale Betreuung. Dementsprechend breit werden wir uns aufstellen“, erklärt die Vertriebsverantwortliche. Dass es bei der Kommunikation zum Kunden unterschiedliche Zugänge geben wird, steht jedenfalls außer Frage. Der Weg geht aber in Richtung mehr Digitalisierung. Bestätigt wird dies durch einen Trend, der in den vergangenen zwölf Monaten verstärkt zum Vorschein gekommen ist. So haben viele Kunden vermehrt auf den elektronischen Mail-Antrag gesetzt. Obwohl bereits seit drei Jahren möglich, wurde dieses digitale Tool erst mit Beginn der Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns so richtig in Anspruch genommen. Die Tageszahlen haben sich seither vervierfacht.
Das bekannte Vertriebssystem will die Oberösterreichische aber deshalb nicht komplett über den Haufen werfen. „Unsere Stärke ist es den Kunden zu kennen und im Schadensfall schnell vor Ort zu sein. Das zeichnet uns als Regionalversicherer aus und unterscheidet uns von großen Konzernen. Miteinander reden muss und wird unsere Kernkompetenz im Vertrieb bleiben“, so Kühtreiber-Leitner.
Spezielle Produkte für Bauern und ihre Höfe
Die Wurzeln der OÖ. Versicherung als ländlicher Feuerversicherer sind auch 210 Jahre nach der Gründung noch spürbar. 1811 wurde die erste Polizze für einen Erbhof ausgestellt, welcher noch heute bei der Oberösterreichischen versichert ist – genau so wie 60 Prozent aller Bauernhöfe im Bundesland. Ein Fünftel des Geschäftsvolumens im Haus hat zudem einen agrarischen Bezug.
Die starke Verbundenheit zur Landwirtschaft schlägt sich auch in zahlreichen Spezialprodukten nieder. So gibt es beispielsweise eine Rechtsschutzversicherung bei AMA-Rückforderungsbescheiden, eine Haftpflichtversicherung für Hoftracs und andere nicht angemeldete landwirtschaftliche Fahrzeuge, eine Haftpflicht für Weidevieh sowie den Schadensfreiheitsrabatt speziell für landwirtschaftliche Betriebe. „Die Beratung der Versicherungsleistungen in der Landwirtschaft ist sehr komplex, weil jeder Betrieb anders aufgestellt ist und teilweise auch ins Gewerbe geht. Unsere Mitarbeiter sind darauf spezialisiert, sehen einen Hof mit anderen Augen und wissen wo bei den Bäuerinnen und Bauern der Schuh drückt. Was hilft eine günstige Prämie, wenn bei einem Brand dann vieles nicht gedeckt ist“, so Kühtreiber-Leitner.
Generell haben die Versicherungsleistungen in der Feuer-Sparte zugenommen. Alleine 2020 gab es 445 Schäden – ein Plus von 22,3 Prozent. Aber auch Naturkatastrophen bedeuten zunehmend Gefahr für Gebäude und landwirtschaftliche Flächen. So gab es vergangenes Jahr 9600 Sturmschäden mit einer Schadenssumme in Höhe von insgesamt 16 Millionen Euro.In diesem Bereich werde eng mit der Hagelversicherung, welche die OÖ. Versicherung mitbegründet hat, kooperiert. „Bei Themen wie Raumordnung oder Bodenversiegelung haben wir einen engen Konnex“, erklärt Kühtreiber-Leitner, die erst kürzlich in den Aufsichtsrat der Hagelversicherung gewählt wurde.
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- DSC 4732: BZ/mursch-edlmayr