Geburtsnahe Kälberverluste vermindern und der Kuh einen problemlosen Start in die Laktation ermöglichen – für diese Zielsetzung hat ein optimales Geburtsmanagement verschiedene Aspekte zu berücksichtigen:
• die Überkonditionierung der hochtragenden Kuh ist zu vermeiden,
• eine angemessene Fütterung vor und nach der Kalbung,
• Vorbeugungsmaßnahmen im Hinblick auf Milchfieber,
• die Bereitstellung eines geeigneten Abkalbestalls,
• eine situationsgerechte Geburtsüberwachung und Geburtshilfe sowie
• die Kontrolle des Muttertiers und des neugeborenen Kalbs nach der Kalbung.
Krankenstall und Abkalbestall sind zweierlei
Voraussetzung für eine optimale Geburtsüberwachung und -hilfe ist ein spezieller Abkalbebereich, der nicht gleichzeitig als Krankenstall genutzt wird und folgende Bedingungen erfüllen sollte:
• Es sollten mindestens vier Plätze pro 100 Kühe verfügbar sein.
• Einzelboxen sollten 12 m2 groß sein, Gruppenbuchten sollten über mindestens 8 m2 pro Kuh verfügen und möglichst quadratisch sein.
• Die kalbenden Tiere sollten Sichtkontakt zu den anderen Tieren der Herde haben. Zudem ist es sehr vorteilhaft, wenn man Kühe fixieren und ggf. festliegende Tiere kontrolliert aufheben kann. Ein Kalt- und Warmwasseranschluss sollten in unmittelbarer Nähe vorhanden sein. Die Installation von Kameras zur Überwachung aus der Distanz ist sehr vorteilhaft.
• Die Liegefläche sollte weich, trittsicher und trocken sein. Zur Schaffung einer Strohmatratze müssen täglich 10 bis 12 kg Stroh pro Kuh nachgelegt werden. Unter Praxisbedingungen ist eine komplette Entmistung und fachgerechte Desinfektion nach jeder Abkalbung kaum umsetzbar und birgt zudem die Gefahr des Ausgrätschens standunsicherer Tiere. Trotzdem sind ein regelmäßiges Misten (je nach Frequenz der Kalbungen alle zwei bis vier Wochen) und frisches Nachstreuen nach jeder Abkalbung unbedingt notwendig.
In Gruppenboxen werden die Tiere etwa eine Woche vor dem erwarteten Geburtstermin umgestallt. Bei Einzelbuchten ist die Umstellung erst einen Tag vor der Kalbung optimal. Stellt man dann fest, dass die Beckenbänder weich werden, sollten die Muttertiere alle drei Stunden kontrolliert werden; nach Sichtbarwerden bzw. Platzen der Fruchtblasen sind die Intervalle auf 30 Minuten zu verkürzen.
Der natürliche Geburtsverlauf ist der Zeitgeber für ein geburtshilfliches Eingreifen. Kenntnisse über den Geburtsverlauf mit den einzelnen Geburtsphasen sowie eine entsprechende Beobachtungsfrequenz der abkalbenden Kühe sind von herausragender Bedeutung. Ein zu frühes Eingreifen (z. B. Auszug kurz nach Platzen der Fruchtblasen) macht normale Geburten erst zu Schwergeburten. Das Risiko von Geburtsverletzungen und Totgeburten steigt erheblich. In der Geburtshilfe gilt: „Man muss viel wissen, um wenig zu tun.“
Andererseits erfordern offensichtliche Geburtsstörungen eine vaginale Untersuchung. Diese ist durchzuführen,
• wenn nach Platzen der Fruchtblasen trotz anhaltender Wehentätigkeit beide Klauen des Kalbes nicht innerhalb von zwei Stunden (bei Färsen drei bis vier Stunden) sichtbar werden,
• wenn ein bis zwei Stunden nach Platzen der Fruchtblasen keine Wehen mehr beobachtbar sind bzw.
• wenn zwei Stunden nach Sichtbarwerden beider Klauenspitzen kein Fortschritt erkennbar ist („two feet – two hours“).
Die Kuh richtig unterstützen
Einfache Haltungskorrekturen können auch erfahrene Landwirte vornehmen. Anschließend erfolgt der Auszug in folgender Weise:
• maximal eine Person pro Bein bzw. angegebene Zugstärke am mechanischen Geburtshelfer;
• Zug nur während der Bauchpresse in Verlängerung der Längsachse des Muttertiers;
• bei Kälbern in Vorderendlage Ändern der Zugrichtung nach Durchtritt der Brustpartie um etwa 45° nach unten. Wird das Kalb in Hinterendlage geboren, keine Änderung der Zugrichtung – in diesem Fall darauf achten, dass das Kalb möglichst schnell ausgezogen wird.
Welche Befunde zur Hinzuziehung tierärztlicher Hilfe vorliegen müssen, ist von der jeweiligen Erfahrung und Kenntnis des Landwirts abhängig. Stets sollten diese vorher abgesprochen werden (z. B. Verdrehung der Gebärmutter, Kalb lässt sich nicht in das Becken des Muttertieres einziehen, untere Stellung, Zwillinge etc.). Auch bei einem Kalb mit durchschnittlicher Größe und normaler Position im Geburtsweg ist tierärztliche Unterstützung erforderlich, wenn bei regulärer Zughilfe innerhalb von 10 bis 15 Minuten kein Fortschritt erkennbar ist.
Sauberkeit ist bei der Geburtshilfe extrem wichtig. Wird eine geburtshilfliche Untersuchung notwendig, sind Genitalbereich der Kuh sowie Arme und Hände des Geburtshelfers gründlichst zu reinigen. Nur so lässt sich vermeiden, dass die Geburtshilfe zu einer massiven Infektion und Entzündung der Gebärmutter führt, die Tage später durch stinkenden Ausfluss aus der Scheide offensichtlich wird. Gleitgel und Einmalhandschuhe sollen bereit stehen. Die Geburtsinstrumente (Stricke, Ketten, mechanischer Geburtshelfer) müssen nach jeder Geburt gereinigt, desinfiziert und sauber gelagert werden.
Nach der Kalbung gibt’s noch Pflichten …
Nach der erfolgreichen Austreibung des Kalbes sollte Schleim aus dessen Atemwegen ausmassiert werden. Die Atmung kann durch einen Kaltwasserguss in die Nackenregion des Kalbes angeregt werden. Grundsätzlich ist die Brustlage des Kalbes optimal, um eine Belüftung der Lunge bei den ersten Atemzügen zu ermöglichen. Intensives Trockenreiben mit Stroh aktiviert Kreislauf und Atmung. Kurz gilt es zu prüfen, ob die Nabelschnur an der präformierten Rissstelle etwa 10 cm unterhalb der Bauchwand gerissen ist. Ein zu kurzer und blutender Nabelstumpf erfordert ggf. eine tierärztliche Behandlung.
Unmittelbar nach der Geburt sollte dem Muttertier eine sog. Energietränke angeboten werden, die mit handwarmem Wasser in einem großen Eimer (mindestens 20 Liter) angemischt wird. Auch frisches, schmackhaftes Futter sollte verfügbar sein.
Eine geburtshilfliche Nachuntersuchung des Muttertieres ist immer sinnvoll, um zu prüfen, ob u. U. noch ein zweites Kalb vorhanden ist und/oder der Geburtsweg verletzt wurde. Wiederum ist penible Sauberkeit von zentraler Bedeutung. Das gilt auch für das umgehende Abmelken der Biestmilch, um diese möglichst schnell dem neugeborenen Kalb quasi als Lebensversicherung zukommen zu lassen.
Bei mehrkalbigen Kühen ergibt sich aus auffälligem Muskelzittern, Standunsicherheit, Untertemperatur (<38,5 °C) und gestörtem Allgemeinbefinden der Verdacht auf Milchfieber (Hypocalcämie). Eine möglichst schnelle Infusion von Calcium durch den Tierarzt kann sekundäre Konsequenzen (wie z. B. Ausgrätschen, Festliegen) verhindern.
Wenn die Kuh jedoch unkompliziert gekalbt hat und auch die Nachgeburt noch innerhalb von zwölf Stunden nach der Kalbung abgegangen ist, steht einem erfolgreichen Start der Kuh in die Laktation nichts mehr im Weg.
Martin Kaske, Maren Feldmann
Rindergesundheitsdienst Schweiz