Wer bekommt was und wie viel? Der Ausgleich der Interessen von Hofübergebern, Hofübernehmern und weichenden Geschwistern ist die Hauptfunktion landwirtschaftlicher Übergabeverträge. Eine wichtige Grundlage dieses Interessenausgleichs ist das Pflichtteilsrecht. Im neuen Erbrecht, das ab 1. Jänner 2017 in Kraft tritt, wurde wesentliche Punkte des Pflichtteilsrechts neu gestaltet.
Mit dem Pflichtteilsrecht stellt der Gesetzgeber sicher, dass nahe Verwandte auch dann einen bestimmten Teil des Nachlasses erhalten, wenn der Verstorbene sie testamentarisch gar nicht bedacht und jemand anderen als Erben eingesetzt hat (siehe Kasten “Erbrecht”).
Das Erbrecht verwirken kann man nach neuer Rechtslage durch strafbare Handlungen gegen den Erblasser oder gegen dessen Angehörige sowie durch grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis. Auf die Hälfte mindern kann der Verfügende den Pflichtteil, wenn zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod – nach allgemeiner Rechtsauffassung über 20 Jahre – kein familiärer Kontakt zum Pflichtteilsberechtigten bestand.
Pflichtteilsberechtigt sind nach dem neuen Erbrecht nur noch die Kinder des Verstorbenen, bzw. falls diese schon verstorben sind, die Enkelkinder sowie der Ehegatte oder der eingetragene Partner. Die Eltern und weitere Vorfahren des Verstorbenen haben im neuen Erbrecht keinen Pflichtteilsanspruch mehr. In Form eines Notariatsaktes können Pflichtteilsberechtigte auf ihren Anspruch auch verzichten.
Stundung ist möglich
Der Pflichtteil ist vom Erben in Geld zu leisten und wird bereits mit dem Tod fällig. Bisher musste der Pflichtteil auch sofort mit der Fälligkeit entrichtet werden; mit der Reform gilt nun eine Zahlungsfrist von einem Jahr. Weiters besteht die Möglichkeit zur Stundung oder Ratenzahlung.
In letztwilliger Verfügung kann der Erblasser eine Stundung über eine Frist von bis zu maximal fünf Jahren anordnen, oder eine Zahlung des Pflichtteils in Raten. Diese Stundung oder Ratenzahlung kann das Gericht auch ohne eine letztwillige Anordnung des Erblassers bewilligen. Hierzu muss der Pflichtteilsschuldner (der Erbe) einen Antrag stellen und belegen, dass eine frühere Zahlung den Fortbestand eines Unternehmens gefährden oder eine unbillige Härte darstellen würde. Aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann das Gericht den Stundungs- oder Teilzahlungszeitraum auf maximal zehn Jahre verlängern. Der Pflichtteilsberechtigte kann allerdings auch eine frühere Zahlung verlangen, beispielsweise, wenn er den Pflichtteil dringend zur Sicherung oder Bestreitung seiner Existenz oder der Existenz seiner Familie benötigt.
Vier Prozent Zinsanspruch
Stundung und Ratenzahlung des Pflichtteils sollen die Zerschlagung von Familienunternehmen vermeiden, die möglicherweise aufgrund der zu leistenden Pflichtteilsansprüche zu befürchten wäre. Allerdings stehen dem Pflichtteilsberechtigten in beiden Fällen gesetzliche Zinsen in Höhe von vier Prozent per anno zu, wobei die Verzinsung des Pflichtteilsanspruchs ab dem Todestag zu laufen beginnt. Dieser im gegenwärtigen Umfeld hohe gesetzliche Zinssatz kann eine Stundung für den Unternehmenserben unwirtschaftlich machen und nach Meinung von Fachleuten die angestrebte Entlastung unterlaufen.
Schenkungen
Damit ein Pflichtteilsberechtigter nicht durch Schenkung zu Lebzeiten oder auf den Todesfall (z. B. Vertrag zur Hofübergabe) um seinen Anspruch gebracht werden kann, sind solche Vermögenstransfers in die Pflichtteilsberechnung miteinzubeziehen. Im Gesetz ist genau definiert, welche Vermögenstransfers zur Erbmasse dazu gerechnet werden müssen.
Bei der Anrechnung war bisher zwischen Vorausempfängen, Vorschüssen und Schenkungen zu unterscheiden. Nach neuem Recht sind alle unentgeltlichen Vermögenstransfers, die der Verstorbene vor seinem Tod verfügt hat, zur Berechnung heranzuziehen. Davon sind Leistungen, die ein Pflichtteilsberechtigter erhalten hat, immer mit einzurechnen (“ewige Anrechnung”). Schenkungen an Fremde sind für die Pflichtteilsberechnung nur dann relevant, wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Erblassers stattgefunden haben.
Die Bewertung der geschenkten Sache erfolgt zum Zeitpunkt der Schenkung. Der für die Pflichtteilsberechnung maßgebliche Wert zum Todeszeitpunkt ist mittels Verbraucherpreisindex anzupassen. Ein Pflichtteilsberechtigter kann beantragen, dass die Verlassenschaft geschätzt wird, um den Pflichtteil zu ermitteln.
Grundsätzlich muss sich ein Pflichtteilsberechtigter, der schon zu Lebzeiten vom Erblasser etwas bekommen hat, dies auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen. Neu ist, dass die Anrechnung einer Schenkung an einen Pflichtteilsberechtigten ausgeschlossen werden kann; dazu ist eine letztwillige Verfügung oder ein Notariatsakt erforderlich. Die Verjährungsfrist für erbrechtliche Ansprüche (z. B. Pflichtteilsanspruch) beträgt nun grundsätzlich 30 Jahre ab dem Tod des Erblassers bzw. drei Jahre, nachdem der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers erfahren hat.
Übergabevertrag
Für landwirtschaftliche Übergabeverträge hat das Pflichtteilsrecht große Bedeutung. Zu beachten ist hierbei, dass die weichenden Kinder zu Lebzeiten der Eltern noch keinen rechtlichen Anspruch auf den Pflichtteil haben. Allerdings können sie diesen nach dem Tod des Übergebers einfordern. Um langwierige und zumeist kostspielige Pflichtteilsprozesse zu vermeiden, sollte im Zuge der Hofübergabe mit den weichenden Erben eine einvernehmliche Lösung getroffen werden. Diese besteht zumeist in einer entsprechenden Abfindung (z. B. Baugrundstück, Waldanteil, Bargeld) und der Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts.
Erbrecht: Erbquote und Pflichtteil
Die Höhe des Pflichtteils errechnet sich aus der Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Diese wiederum ergibt sich aus dem Verwandtschaftsverhältnis. So stehen etwa den Kindern zwei Drittel, dem überlebenden Ehegatten ein Drittel zu. Wenn es keinen Ehegatten mehr gibt, erben die Kinder alles. Hat der Verstorbene keine Kinder, kommen Vorfahren bzw. Geschwister zum Zug. Der Pflichtteil ist im neuen Erbrecht – wie bisher – mit der Hälfte der gesetzlichen Erbquote festgesetzt. Beispiel: Ein Witwer hinterlässt zwei Söhne. Nach gesetzlichem Erbrecht würden jedem Sohn mangels weiterer gesetzlicher Erben grundsätzlich 50 Prozent der Verlassenschaft zustehen. Sollte es ein Testament geben und die beiden Söhne nicht bedacht worden sein, beträgt die Pflichtteilsquote pro Sohn daher 25 Prozent und damit ein Viertel der Verlassenschaft in Geld.
Hans Maad