Über Jahrhunderte fast vergessen, seit einigen Jahren aber wiederentdeckt – wenn es um Getreidesorten wie Einkorn, Emmer und Waldstaudenroggen geht, dann ist dieser Befund zutreffend. Es ist noch gar nicht solange her, da hatten die Kunden in den heimischen Bäckereien lediglich die Auswahl zwischen Roggen- oder Weizengebäcken. Dann kam in einer ersten Stufe der Differenzierung der Dinkel als ursprüngliche Alternative in die Backrezepte. Mit der Bekanntheit und wohl auch mit dem unbestreitbaren Erfolg von Dinkel stieg aber auch das Interesse an sogenannten “Urgetreiden” an. Damit haben Jahrtausende alte Getreidesorten wieder verstärkt den Weg zurück in unser Lebensmittelangebot gefunden.
Das Interesse der Konsumenten an Backwaren mit Urgetreidekomponenten ist ein internationaler Megatrend, dem auch industrielle Backwarenhersteller mit ihrem Angebot nachkommen. So auch der international agierende Konzern CSM Bakery Solutions. In Deutschland und Österreich bezieht CSM einen Gutteil seines Urgetreidebedarfs aus österreichischer Produktion. Partnerunternehmen sind in diesem Segment die Saatbau Linz für die Getreideproduktion und die Strobl Naturmühle in Linz. Im Rahmen einer Feldbegehung auf den Saatbau Linz-Versuchsflächen in Weikendorf (NÖ) war es möglich, Daten und Fakten zur konventionellen Urgetreideproduktion in Österreich zu erfahren.
Anbau und Rekultivierung als Herausforderung
Die begehrten Urgetreidesorten Einkorn, Emmer und Waldstaudenroggen, die heute in Österreich angebaut werden, haben eine lange Geschichte. Während Einkorn und Emmer zu den Spelzgetreiden gehören, ist Waldstaudenroggen Vorfahre des heute üblichen Roggens. Bereits vor über 8000 Jahren wurden diese Urformen des modernen Getreides angebaut. Moderne Weizensorten, die sich durch deutlich höheren Ertrag auszeichnen, verdrängten die alten Sorten nach und nach, bis sie vor rund 2000 Jahren nahezu ganz verschwanden. Neben Einkorn, Emmer und Waldstaudenroggen sind auch Khorasan, Bauländer Spelz und Fisser Imperial Gerste alte Getreidesorten, die mittlerweile ihren Weg zurück auf Österreichs Felder gefunden haben. Die Weizensorte Khorasan war ursprünglich im Nahen Osten verbreitet, während der Bauländer Spelz (eine Dinkelsorte) und die Fisser Imperial Gerste eher in Zentraleuropa beheimatet waren.
Als Vertragspartner für den Kontraktanbau alter Getreidesorten kommt beispielsweise die Saatbau Linz infrage. Dort ist David Pappenreiter für den Bereich zuständig. Seiner Auskunft nach orientieren sich die für die Urgetreidearten erzielbaren Erlöse an den Deckungsbeiträgen im konventionellen Getreideanbau. Erzeugerpreisen von um die 400 Euro pro Tonne sind deutlich geringere Erträge gegenüberzustellen. Auf der Habenseite für den Landwirt verbleiben die geringen Ansprüche der alten Sorten an Düngung und Kulturführung.
Einkorn und Emmer sind Spelzgetreide. Wie beim Dinkel verbleibt das Korn fest in den Spelzen (Vesen). Ausgesät werden üblicherweise Vesen, wobei die Saatdichte 250 bis 400 Korn pro Quadratmeter beträgt. Die Kornzahl je Vese ist dabei zu berücksichtigen. Einkorn ist ein Wechselweizen, der im Herbst oder im Frühjahr gesät werden kann. Von Emmer gibt es Sommer- und Winterformen. Beide Getreide stellen geringe Ansprüche an Boden und Klima. Einkorn gedeiht sogar in höheren Lagen bis auf ca. 700 m Seehöhe. Eine Fruchtfolge mit Hackfrüchten ist empfehlenswert, um der Lagerneigung entgegenzuwirken. Aus dem- selben Grund sind auch die Düngergaben sparsam zu bemessen. Mehr als 30 bis maximal 50 kg N/ha sind nicht ratsam. Einkorn ist aufgrund seiner elastischen Halme und geringeren Wuchshöhe (ca. 1,20 m) etwas weniger lageranfällig. Der höher wachsende Emmer neigt stärker zum Lagern. Zur Unkrautbekämpfung sind Striegeln und Hacken die Methoden der Wahl, es gibt für den konventionellen Anbau aber auch zugelassene Herbizide.
Bei Einkorn, der nur eine fertile Blüte je Ährchen bildet, liegen die Erträge in der Praxis zwischen 1,5 bis 2,5 Tonnen pro Hektar. Emmer (auch “Zweikorn”) kann dagegen zwei Körner je Blütchen bilden, was ihm in der Praxis mit zwei bis 3,5 Tonnen pro Hektar einen gewissen Ertragsvorsprung ermöglicht.
CSM Bakery Solutions: Milliarden-Dollar-Business
CSM ist ein weltweit führender Hersteller und Anbieter von Backzutaten, Fertigprodukten und Dienstleistungen für gewerbliche und industrielle Bäckereien. Der Firmensitz des aus einer niederländischen Zuckerfabrik hervorgegangenen Unternehmens befindet sich seit Mitte 2016 in Atlanta, Georgia (USA). CSM beschäftigt weltweit rund 8500 Mitarbeiter in 34 Produktionsanlagen, 26 Vertriebszentren sowie vier Innovations- und Kompetenzzentren. Der Jahresumsatz beträgt etwa drei Milliarden US-Dollar.
Hans Maad