Wozu Populismus führen kann, lässt sich derzeit sehr gut in Groöbritannien beobachten. Da hat die konservative Partei in langen Oppositionsjahren einen Kult daraus gemacht, ihre Europa-Skepsis zu pflegen. Unterstützt und zeitweise bejubelt wurde sie von einer nationalistisch geifernden Boulevardpresse. Im letzten Wahlkampf hat Premier David Cameron versprochen, die Briten über einen Verbleib in der EU abstimmen zu lassen – die Austrittsdrohung war dann Vorwand, in der EU zumindest teilweise durchzusetzen, was man in England unter “Reformen” versteht – was im Klartext aber weniger Europa, weniger Integration, weniger Freiheiten für die Bürger bedeutet. Die Boulevardmedien machten fleiöig Stimmung gegen die rund zwei Millionen EU-Bürger (etwa aus Polen), die im Vereinigten Königreich arbeiten und Sozialunterstützungen nach Hause überweisen. Das Prinzip, dass das Sozialrecht jenes Landes gilt, in dem man lebt, galt bisher als unantastbar – mit seiner Austrittsdrohung hat Cameron es aufgeweicht; Parteien wie die FPÖ sehen das gern. Den EU-Kritikern in London reicht das aber nicht: Nach einer Samstagssitzung der Regierung (der ersten seit dem Falklandkrieg) und einer turbulenten Parlamentsdebatte, in der ihm Regierungs- und Fraktionsmitglieder um eines billigen Applauses wegen in den Rücken fielen, ist Groöbritanniens Zukunft ungewiss – die Börsen haben schon auf den möglichen “Brexit”, also das Ausscheiden aus der EU, reagiert und das britische Pfund auf Talfahrt geschickt. Populismus ist teuer.
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