Es gehört zum journalistischen Handwerk, Differenzen herauszuarbeiten. Es gehört ebenso zum Handwerk einer Koalition, sich davon nicht beirren zu lassen. So gesehen war die von Journalisten gepflegte und durch die Äuöerungen einiger Exponenten von SPÖ und ÖVP auch noch befeuerte Haarspalterei zwischen Obergrenze und Richtwert für Asylsuchende ein Anschauungsunterricht in passablem journalistischem Handwerk und misslungenem Regierungshandwerk. Vielleicht war es aber auch bewusste Ablenkung von dem, was wirklich passieren soll: Im Kern hat sich ja die Koalition darauf verständigt, jene auöer Landes zu schaffen, die eben keinen Anspruch auf Asyl und Schutz haben. Das ist kein geringer Fortschritt. So lange ist es ja noch nicht her, dass linke Weltverbesserer jeden unter Faschismusverdacht gestellt haben, der zwischen Verfolgten und Wirtschaftsmigranten differenziert hat. Jetzt ist es eine Regierungslinie, dass für das Aufenthaltsrecht entscheidend sein soll, ob jemand Schutz braucht – und nicht, ob er oder sie sich geschickt vorgedrängt hat. Wer keinen Schutz braucht, muss Schutzsuchenden Platz machen. Und, so unangenehm und menschlich tragisch das im Einzelfall sein mag: In letzter Konsequenz müssen solche Menschen abgeschoben werden. Für Journalisten und Politiker die nächste Bewährungsprobe: Wie werden wir mit den Bildern von jenen Menschen umgehen, die von – möglicherweise mit staatlicher Gewalt durchzusetzender – Abschiebung betroffen sein werden? Am besten so, dass wir uns jetzt schon darauf verständigen, dass sich der Rechtsstaat durchsetzen muss.
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