Beim Thema “Zukunft der Mobilität” sind aktuell Schlagworte wie “autonomes Fahren” in aller Munde. “Der Weg dahin ist aber noch lang, zumindest wenn man ein vollkommen selbstständig fahrendes Auto vor Augen hat”, so der stellvertretende ÖAMTC-Cheftechniker Friedrich Eppel am Rande eines Expertenforums, das der Club gemeinsam mit dem Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik (IFA) der TU Wien kürzlich veranstaltete. “Realistischere Umsetzungschancen, wenngleich ebenfalls noch Zukunftsmusik, hat hoch automatisiertes, vielleicht auch teilautonomes Fahren in bestimmten Verkehrssituationen oder Bereichen.”
Längerer Weg, als ursprünglich gedacht
Einige technische und rechtliche Fragestellungen sind noch offen. Eppel zur technischen Seite: “Aktuell sind wir in einer Phase, in der teilautomatisiertes Fahren in ersten Serienfahrzeugen umgesetzt wird. Das Fahrzeugsystem übernimmt in spezifischen Fällen zwar selbstständig die Längs- und Querführung des Autos, also Bremsen, Gas geben und Lenken, der Fahrer muss das System aber immer noch dauerhaft überwachen.” Die nächste Stufe wäre das hoch automatisierte Fahren. Hier ist eine dauerhafte Überwachung durch den Fahrer nicht mehr notwendig, allerdings muss er nach Aufforderung des Systems die Kontrolle des Fahrzeuges übernehmen.”
Noch gibt es Sicherheitslücken bei den autonomen Autos. Google, einer der Vorreiter bei selbstständig fahrenden Autos, hat der kalifornischen Straßenverkehrsbehörde Daten zu seinen Versuchen vorlegen müssen. Wie “Die Presse” berichtete, mussten demnach die menschlichen Beifahrer zwischen September 2014 und November 2015 341-mal die Kontrolle übernehmen. In 69 Fällen hätten sie das von sich aus ohne Aufforderung des Systems gemacht, weil sie befürchteten, dass das Programm in einer heiklen Situation die falsche Entscheidung treffen würde. Die abgebrochenen Testfahrten wären dann im eigenen Fahrsimulator fortgesetzt worden, und zwar mit dem Ergebnis, dass in 13 Fällen die Google-Autos tatsächlich einen Unfall verursacht hätten. Das soll im Schnitt einem Unfall pro 119.000 Kilometer entsprechen und ein deutlich schlechterer Wert als von einem durchschnittlichen amerikanische Autofahrer sein, der alle 383.000 Kilometer einen Unfall verursache.
Die am schwersten überwindbaren rechtlichen Hürden zeichnen sich für den ÖAMTC-Chefjuristen Martin Hoffer im strafrechtlichen und auch im ethischen Bereich ab: “Moralische Entscheidungen werden von Menschen ad hoc getroffen – und sie müssen sich dafür entsprechend verantworten. Was eine möglicherweise folgenschwere ‚Fehlentscheidung‘ durch ein bereits lange vor Eintreffen eines Falles programmiertes System rechtlich bedeutet, ist derzeit völlig ungelöst.”
Hersteller setzen ihre Investitionen fort
Die Hersteller zeigen sich trotz dieser Probleme engagiert. Die Renault-Nissan-Allianz will etwa in den kommenden vier Jahren mehr als zehn Modelle mit Technologien für automatisiertes Fahren auf den Markt bringen. Die Partner planen bis 2020, die hierfür nötigen Systeme zum erschwinglichen Preis in massenmarkttaugliche Großserienfahrzeuge zu integrieren. Zusätzlich werden Nissan und Renault Software-Anwendungen einführen, die Arbeit, Unterhaltung und Verbindung zu sozialen Netzwerken vom Fahrzeug aus erleichtern.
Der Startschuss für das autonome Fahren soll bereits 2016 mit der “Single Lane Control” erfolgen: Das System erlaubt es Fahrzeugen, sich auf Autobahnen ohne Spurwechsel autonom fortzubewegen. Dies schließt auch den Stop-and-go-Verkehr ein. Ab 2018 will die Renault-Nissan-Allianz Fahrzeuge mit “Multiple Lane Control” einführen, die von sich aus Gefahren erkennen und bewältigen können sowie den selbstständigen Spurwechsel auf Autobahnen ermöglichen. 2020 steht schließlich die Erweiterung des Spektrums der selbstfahrenden Fahrsysteme auf den Stadtverkehr auf dem Programm. Mit der “Intersection Autonomy” sollen Fahrzeuge ohne Zutun des Fahrers auch Innenstadtkreuzungen sicher passieren können.
Michael Stockinger