Mehltauresistenter Weizen, Mais mit höherem Stärkegehalt oder Speisepilze ohne Braunverfärbung: Das soll mit neuen Züchtungsmethoden einfach, präzise und kostengünstig möglich werden. Die Methode dahinter heißt Genom-Editierung (siehe auch Infokasten). Damit können Gene an- und abgeschaltet, entfernt oder eingefügt werden, um gewünschte Veränderungen im Erbgut zu bewirken. Von der Öffentlichkeit bisher noch wenig wahrgenommen, wird die Technik weltweit bereits angewandt. In Europa entscheidet sich die Anwendung an der Deklaration. Die Diskussion darüber wird in Österreich kontrovers geführt.
Das Kürzel und die alles entscheidende Frage
„Mit Crispr/Cas9 kann man Mutationen in Genen dort auslösen, wo man sie haben will“, beschreibt Eva Stöger die neuen Züchtungsmethoden. Die Boku-Professorin war als Referentin beim Saatbau-Dialog der Saatbau Linz vergangene Woche geladen.
Bisher war Mutationszüchtung immer ein ungerichtetes „Schrotschussexperiment“, d. h. es wurden viele „zufällige“ Mutationen (Veränderungen) ausgelöst. Jene mit den verbesserten Eigenschaften wurden gesucht, um mit ihnen züchterisch weiterzuarbeiten. Mit Crispr/Cas9 kann eine Mutation nun gezielt („gerichtet“) ausgelöst werden, was das Verfahren beschleunigt und genauer macht. Das Resultat ist von natürlichen Mutationen nicht unterscheidbar, die Methode deshalb (derzeit) auch nicht nachweisbar. Weil mit diesen Methoden Gene mithilfe eines Enzyms „geschnitten“ werden, bezeichnet man sie auch als „Gen-Schere“.
Das Besondere dieser Verfahren: Es werden prinzipiell keine artfremden Gene wie bei der klassischen Gentechnik übertragen und somit kein Erbmaterial verschiedener Organismen vermischt. (Anmerkung: Möglich ist zwar auch bei Crispr/Cas9 die Einbringung von artfremden Genen – in dem Fall wäre es aber ohne Zweifel als Gentechnik einzustufen). Trotzdem reduziert sich die Diskussion auf eben diese Frage: Ist Crispr/Cas9 rechtlich als Gentechnik einzustufen oder nicht? Die Antwort entscheidet darüber, welcher Prüfung die Pflanzen unterzogen werden und ob sie letztlich als gentechnisch veränderte Organismen gekennzeichnet werden. Fallen die neuen Techniken unter das Gentechnikgesetz, sind Zulassungsverfahren samt Risikobewertung verpflichtend.
„Gleichstellung mit Gentechnik nicht haltbar“
Für Eva Stöger ist eine „generelle Gleichstellung mit Gentechnik nicht haltbar“. „Produkte, die Veränderungen im Genom haben, die auch durch klassische Züchtungstechniken und natürliche Mutation entstehen hätten können und von diesen nicht unterscheidbar sind, sollen auch nicht wie Gentechnik reguliert werden“, so die Wissenschafterin.
Auch die Saatgutbranche spricht sich gegen eine Einstufung von Crispr/Cas9 als Gentechnik aus. Sie sieht in den neuen Techniken eine Chance für kleine Züchter, weil „die Verfahren einfach, sicher und kostengünstig sind“, so der Geschäftsführer der Saatbau Linz, Josef Fraundorfer.
Sobald umfassende Zulassungsverfahren nötig seien, könnten nur mehr die Großen – wie etwa Bayer – mithalten. Außerdem könnten diese Verfahren die richtigen Antworten auf die Herausforderungen einer steigenden Weltbevölkerung bei knapper werdenden Ressourcen sowie des Klimawandels liefern. Die Saatgutbranche fordert aber auch, dass „Produkte, die aus den neuen Züchtungsmethoden entstehen, nicht patentierbar werden.“
„Das ist ganz klar Gentechnik“
Dass Crispr/Cas „ganz klar Gentechnik ist“, findet hingegen Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher bei Greenpeace: „Es wird gezielt in die Genmasse von Pflanzen eingegriffen.“
So wie Greenpeace stehen die Umweltorganisationen den neuen Techniken generell skeptisch gegenüber. Auch Österreichs größte Bioorganisation Bio Austria sieht es ähnlich. „Alle diese Techniken greifen auf nicht-natürliche Weise in das Genom ein. Nur weil die Methode zielgerichteter als alte gentechnische Verfahren funktioniert, ist sie nicht automatisch sicherer oder ohne Nebeneffekte“, sagt Thomas Fertl, zuständig für Agrarpolitik bei Bio Austria.
Für die Skeptiker sind gerade die Zulassungsverfahren und Risikoanalysen im Sinne des Gentechnikgesetzes ein wichtiges Argument für die Einstufung als Gentechnik. Außerdem müsse mit entsprechender Kennzeichnung die Wahlfreiheit der Konsumenten gewährleistet werden. Letztere könnte bei Genome-Editing-Verfahren entfallen, weil sich deren Mutation nicht von natürlichen Mutationen in der Pflanze unterscheidet. Sollte Crispr/Cas9 künftig nicht unter die Gentechnikregelung fallen, sehen die Kritiker die österreichische Erfolgsgeschichte für den gentechnikfreien Anbau gefährdet. Fertl: „Es ist zu kurz gegriffen, wenn man nur die angepriesenen Potenziale der neuen Techniken für die Entscheidung heranzieht.“
In Europa steht eine Regelung noch aus
Weltweit gibt es mittlerweile zahlreiche Pflanzen, die mit Genome Editing-Verfahren verändert wurden. In den USA steht man diesen Methoden erwartungsgemäß positiv gegenüber und will sie auch künftig nicht besonders regulieren. In der EU ist das Thema bislang nicht einheitlich geregelt. Nachdem eine politische Einigung nicht möglich war, muss nun nach einer Klage aus Frankreich der Europäische Gerichtshof klären, ob diese Verfahren vom EU-Gentechnikrecht erfasst sind. Eine Entscheidung wird noch vor dem Sommer erwartet.
In Österreich werden die Verfahren laut geltendem Gesetz derzeit klar als Gentechnik eingestuft. In Schweden wurde hingegen bei einer mit Crispr/Cas9 veränderten Ackerschmalwand entschieden, dass es sich nicht um einen gentechnisch veränderten Organismus handelt. Kommt keine EU-weite Regelung, könnte die Entscheidung in nationale Kompetenz fallen. Das bereitet den Züchtern Sorgen, denn uneinheitliche Regelungen würden die Wettbewerbskraft – wie schon bei anderen national umgesetzten Regelungen – insgesamt schwächen.
Wie gezüchtet wird – Worin sich die Methoden unterscheiden
■ Bei der Gentechnik werden DNA-Abschnitte bzw. Gene andererer Organismen in die Erbinformation des gewünschten Organismus eingebaut. Diese Vermischung von Erbmaterial unterschiedlicher Organismen wird von vielen Menschen als unethisch oder unheimlich empfunden.
■ Mutation hingegen ist eine spontan auftretende Veränderung des Erbgutes und Grundlage der Evolution. Mutation kann auf natürlichem Weg erfolgen oder künstlich (z. B. durch Röntgenstrahlen) herbeigeführt werden. Die Mutationszüchtung (Mutagenese) wird seit den 1930er-Jahren angewendet.
■ Mit Genome Editing, dt. Genom-Editierung, werden neue molekularbiologische Verfahren beschrieben, mit denen gezielt Mutationen ausgelöst werden. Gene können damit an- und abgeschaltet, entfernt oder eingefügt werden. Die einfachste Methode ist das Ausschalten eines (z. B. krankmachenden) Gens. Ein Gen ist ein Abschnitt auf der DNA und Träger von Erbinformationen, die Summe aller Gene ist das Genom. Das Genom ist also die Gesamtheit der vererbbaren Informationen einer Zelle oder eines Individuums.
■ Crispr/Cas9 (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) ist eine Methode des Genome Editing. Seine Wirkung bezieht es aus einem Enzym, das die DNA an jeder beliebigen Stelle präzise schneiden kann. Mithilfe zelleigener Reparaturmechanismen können DNA-Sequenzen entfernt, eingefügt oder verändert werden.
Anni Pichler