Wolf und Bär: Tirol sieht sich mit großen Herausforderungen konfrontiert

Die Verbreitung von Großraubtieren in Tirol nimmt zu. Eine aktuelle Zusammenfassung der Situation zeigt auf: Nur mit Maßnahmen auf Landesebene kann dieses Problem nicht gelöst werden, es braucht auch die Unterstützung der EU und der Nachbarländer.

Die Thematik Wolf und Bär – und vor allem die gesetzlichen Grundlagen rund um die Großraubtiere – gewinnen für die Tiroler Land- und Almwirtschaft mit Fortschreiten des Sommers an Brisanz. 

 

Zahlen und Fakten zu Raubtierpräsenz und Schäden

Die Wolfspräsenz in Tirol ist stark steigend, aktuell fast ausschließlich durch Zuwanderung aus Norditalien. Wurden 2022 insgesamt 19 Wolfsindividuen genetisch nachgewiesen, sind es 2023 bisher bereits elf verschiedene Wolfsindividuen. Vornehmlich wurden männliche Jungtiere nachgewiesen, allerdings wurden an der Grenze zu Osttirol in Oberkärnten schon drei Wolfsrudel bestätigt. Die Bärenpräsenz ist hingegen auf konstantem Niveau, 2021 und 2022 wurden je zwei Bären bestätigt, heuer geht man von zwei bis drei männlichen Jungbären aus. Der Viehschaden belief sich 2022 auf 400 Risse und 500 vermisste Schafe. Stand Mitte Juni 2023: ca. 100 tote Schafe, drei tote Ziegen und ca. 100 abgängige Tiere.

 

Handlungsmöglichkeiten bei Wolf und Bär verschieden

Auf Basis des Tiroler Jagdgesetzes konnte mit April 2023 eine Verordnungsregelung erzielt werden, die die Entnahme von Schad- und Problem-Großraubtieren möglich macht, obwohl der günstige Erhaltungszustand in Tirol laut EU-Recht nicht gegeben ist. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs können Ausnahmen vom strengen Schutz auch bei nicht günstigem Erhaltungszustand zulässig sein, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass Abschüsse den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Population nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustand nicht behindern.

Beim Wolf kam die Verordnungsregelung schon zum Einsatz: Die Entnahme einzelner Wolfsindividuen, die Schäden verursacht haben, wurde per Verordnung veranlasst. Aktuell sind in Nord- und Osttirol sechs Wölfe zum Abschuss freigegeben (fünf in Osttirol, einer im Ötztal). Möglich ist diese Genehmigung durch ein wildbiologisches Gutachten, das bescheinigt, dass die Entnahme von einzelnen Wölfen aufgrund der hohen Reproduktionsrate und der permanenten Zuwanderung (hauptsächlich aus Italien) keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand in Österreich und Tirol hat. Auch aufgrund der großen umliegenden Populationen wird der Erhaltungszustand nicht beeinträchtigt.

Die Entnahme bei Problem- und Schadbären ist aktuell ein großes Problem. Denn aufgrund der geringen Tieranzahl (zwei bis drei männliche Tiere), keiner Reproduktion und nur geringer Zuwanderung ist die rechtliche Situation eine ganz andere als beim Wolf. Die Entnahme eines Bären hätte EU-rechtlich gesehen jedenfalls negative Auswirkungen auf den nicht günstigen Erhaltungszustand in Österreich. Daher ist eine Bärenentnahme EU-rechtlich aktuell nicht möglich. Einzige Ausnahme bildet das Notfallrecht: Herrscht eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben von Menschen, ist eine Entnahme möglich. Das Vorliegen dieser Voraussetzung muss im Einzelfall geprüft und bewertet werden.

„Der Blick auf die Nachbarländer zeigt, dass durch fehlende Regulierungsmaßnahmen die Raubtierpopulation auch dort stark zunimmt, was eine erhöhte Zuwanderung nach Tirol mit sich bringt. Es ist zu befürchten, dass ohne Mithilfe der Nachbarstaaten und der EU das Problem jedes Jahr noch größer wird. Hier muss man grenzübergreifend handeln“, fordert Bauernbunddirektor Peter Raggl.

Quelle: TBZ
Entwicklung der Wolfspopulation in Tirol (Quelle: Land Tirol; Stand: 10.6.2023)
Quelle: TBZ
Entwicklung der Wolfspopulation in der Schweiz (Quelle: LBC, Kantone, Private)

 

 

 

 

 

 

Aktuelle Maßnahmen des Landes Tirol

  • Ausnützung des landeseigenen rechtlichen Handlungsspielraums (Entnahmeverordnungen, Ausweisung von Alpschutzgebieten)
  • Finanzielle und personelle Unterstützung der betroffenen Bauern im Schadensfall
  • Intensive Bemühungen durch Landesregierung und Interessensvertretungen zur Herabsetzung des EU-rechtlichen Schutzstatus der Großraubtiere — politisches Ziel ist eine geregelte Bejagung von Wolf und Co.
  • Juristische Klärung am Europäischen Gerichtshof (Vorabentscheidungsverfahren zu Populationsdefinition, Definition „ernster Schaden“)
  • Entschädigung für gerissene und vermisste Tiere
  • Förderung von Weideschutzmaßnahmen (Zäune, Tracker, etc.)
  • Entschädigung Futterkosten

- Bildquellen -

  • Tabellen WOLF Tirol: TBZ
  • Tabellen WOLF Schweiz: TBZ
  • Wolf und Bären: byrdyak – stock.adobe.com
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AUTORred. HP
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