Am Freitag letzter Woche lud die Wildbach- und Lawinenverbauung zu einem Lokalaugenschein, um Bilanz über die getroffenen Maßnahmen zu ziehen.
Dipl.-Ing. Gebhard Walter, Leiter der Sektion Tirol der Wildbach- und Lawinenverbauung, meinte einleitend: „Das heurige Jahre hat sich sehr schwierig gestaltet. Wir hatten zahlreiche wichtige Projekte vorbereitet, mussten aber im Frühjahr wegen Corona einen Baustopp verfügen und konnten erst nach einer Pause weiterarbeiten. Außerdem gab es immer wieder Extremereignisse, die Sofortmaßnahmen notwendig machten.“
In der Kerschbaumsiedlung in der Gemeinde Navis (Bezirk Innsbruck-Land) waren 84 Gebäude von tiefgründigen Hangbewegungen betroffen. Jetzt stehen die umfangreichen Arbeiten zum Schutz der Siedlung kurz vor der Fertigstellung. „In den vergangenen sieben Jahren haben wir ein sehr detailliertes Konzept in die Tat umgesetzt, um das Gelände zu entwässern und die Bewegungen im Hang messbar zu reduzieren“, so Walter. Das gesamte Investitionsvolumen der öffentlichen Hand lag bei 7,2 Millionen Euro.
Die ersten Bewegungen im Hang sind nach dem sehr niederschlagsreichen Winter 1999 und dem Sommer 2000 aufgetreten. Nach einer kurzzeitigen Beruhigung begann der Hang 2012 wieder stärker zu arbeiten. „Um das Schutzkonzept zu planen, wurden im Vorfeld ganz genaue Erkundungen des Geländes und ein umfassendes Monitoring gestartet – unter anderem, um die Bewegungen des Hanges im Detail zu messen.“
Für den Naviser Bürgermeister Lukas Peer ist der Abschluss der Arbeiten ein wichtiger Schritt. „Ich bin froh, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen und so die Häuser geschützt werden können. Die Siedlung umfasst 84 Häuser, eines musste abgerissen werden, bei vielen anderen gab es große Risse. Dass jetzt eine Stabilisierung erreicht werden konte, haben die Bewohner sehr positiv aufgenommen. Ich bedanke mich bei der Wildbach- und Lawinenverbauung für die Umsetzung dieses sehr ehrgeizigen Schutzkonzepts“, betont der Bürgermeister.
Seit 2013 hat die WLV in Navis eine Vielzahl an Maßnahmen realisiert. Ein Schwerpunkt war es, den Oberhang zu entwässern. Dafür wurden offene Gerinne und Quellaustritte gefasst und Drainagegräben errichtet. „Das Wasser wird zu einem eigenen Fassungsbauwerk geleitet“, erläutert Walter. Das Wasser wird gereinigt und kommt anschließend in einer Druckrohrleitung zum neuen Kraftwerk im Talboden. Oberhalb der Kerschbaumsiedlung wurden mehrere Brunnen mit Pumpen gebaut. Das Hangwasser wird ebenfalls zum Kraftwerk abgeleitet. Der Strom aus dem Kraftwerk betreibt die Pumpanlagen. Bgm. Peer dazu: „Mit dem Kraftwerk am Naviserbach erzeugen wir jährlich 340 Megawatt Strom. Damit können wir künftig eine Halbtagskraft finanzieren, die die Betreuung und Wartung der Anlage übernehmen soll.“
Dipl.-Ing. Florian Riedl von der WLV ergänzt: „Das Hauptproblem war das Wasser in der Tiefe des Hanges. Es wurden 50 Tiefbrunnnen in 10 Meter Abständen gesetzt, die das Wasser aus 40 bis 50 Metern Tiefe heraufpumpen. Seit 2015 wurden so insgesamt über 230.000 Kubikmeter Wasser gepumpt. Derzeit werden täglich 70 m3 Wasser aus dem Hang geholt.“ Der Hang wird von einer Messstation der Abteilung Landesvermessung an der gegenüberliegenden Talseite ständig überwacht, jede Viertelstunde werden die Daten dokumentiert.
Probleme bereitet noch der Stirnbereich am unteren Ende der Siedlung. Hier sind noch Maßnahmen geplant. Neben den technischen Anlagen werden Weideflächen aufgeforstet, um den Schutzwald oberhalb der Siedlung zu stärken.
Schutz vor Naturgefahren bleibt wichtige Aufgabe
Auch NR Hermann Gahr freut sich über den erfolgreichen Abschluss der Arbeiten: „Nach Jahren der Verunsicherung konnte nun ein Werk für die Zukunft geschaffen werden. Gerade in einem alpinen Land wie Tirol darf man den Schutz vor Naturgefahren nicht vergessen. Daher hat der Bund in diesem Jahr Sondermittel für die Bewältigung von Hochwässern und zur Stärkung des Schutzwaldes freigegeben.“ Insgesamt sind für das heurige Jahr Investitionen in der Höhe von 72 Millionen Euro geplant, die vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, vom Land Tirol und den beteiligten Gemeinden kommen. Ziel für das Jahr 2021 müsse, so Gahr, sein, Bundesmittel in derselben Höhe sicherzustellen, um die Projekte planmäßig weiterführen zu können. „Damit können viele Arbeitsplätze im ländlichen Raum gesichert werden, außerdem sind dahinter zahlreiche Firmen mit Aufträgen eingebunden“, ergänzt Gahr.
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