Es lohnt sich wieder, Zuckerrüben anzubauen. In deutlich entspannter Stimmung konnte Ernst Karpfinger, Präsident des Rübenbauernbundes für NÖ und Wien, die diesjährige Generalversammlung der Genossenschaft eröffnen, die am Mittwoch, 6. März 2024 im Wiener Raiffeisenhaus abgehalten wurde. Nach den schwierigen Jahren seit der 2017 erfolgten weitgehenden Liberalisierung der EU-Zuckermarktordnung sei nun ein „Zeitpunkt, sich zu freuen“, so Karpfinger. Teilhaben an der erfreulichen Entwicklung im Zuckersektor wollte deshalb auch eine größere Zahl an Ehrengästen, allen voran Bundesminister Norbert Totschnig und der oberste Vertreter der Agrana-Eigentümer, Raiffeisengeneralanwalt Erwin Hameseder. Aus Bayern angereist war Helmut Friedl, Vorsitzender des Bayerischen Zuckerrübenanbauverbands. Weitere Grußworte entrichteten LK NÖ Präsident Johannes Schmuckenschlager, Abgeordneter zum EU-Parlament Alexander Bernhuber und der Obmann der Steirischen Rübenbauerngenossenschaft Christian Konrad.
Guter Preis, mehr Fläche, Leopoldsdorf ist gesichert
Nach Jahren mit Überangebot und Preisverfall habe sich der Zuckermarkt seit der Ernte 2022 wieder stabilisiert, berichtete Karpfinger. Durch die Ausgewogenheit von Angebot und Nachfrage sei ein Preisniveau erreicht worden, unter dem es sich wirtschaftlich wieder lohnt, Zuckerrüben anzubauen. Das erkenne man auch an den deutlich gestiegenen Kontrahierungsflächen für das Anbaujahr 2024. Mit 44.300 Hektar kontrahierter Rübenfläche sei ein Niveau erreicht worden, mit dem die Versorgung der beiden heimischen Zuckerfabriken gesichert sei. Die Debatte um die Schließung Fabrik Leopolddorf sei damit endgültig adacta gelegt, so der Rübenbauern-Präsident.
Ukraine-Zucker gefährdet das Marktgleichgewicht
Sorge bereitet den Rübenbauern das rasch zunehemende Importvolumen von Zucker aus der Ukraine. Spielte das Land vor dem gegenwärtigen Krieg am europäischen Markt praktisch keine Rolle, sind nun, begünstigt durch das gut gemeinte, von der EU zugestandene Freihandelsabkommen die Importe gewaltig angestiegen. Eine nach Auffassung der Rübenbauern „falsch verstandenen Solidarität der EU-Kommission habe in der Ukraine eine massive Ausweitung der Anbauflächen ermöglicht. Für das kommende Jahr 2024/25 könnte das Lieferpotential der Ukraine auf bis zu eine Million Tonnen (!) Zucker ansteigen. Das scheint im Verhältnis zur Jahresproduktion der EU-27 von 15 bis 16 Mio. Tonnen zwar nicht so viel, die Auswirkungen auf den Zuckerpreis sind aber gravierend. Besonders nachteilig für Agrana ist, dass der Ukraine-Zucker zuvorderst in deren Einzugsgebiet auf den Markt kommt. Marktstörungen sind bereits heute an der Tagesordnung.
EU-Kommission hat eingelenkt
Aufgrund monatelanger Interventionen hat die EU-Kommission nun eingelenkt und zumindest für das Jahr 2024 Maßnahmen beschlossen, die bei Überschreiten der durchschnittlichen Importmengen aus 2022 und 2023 wieder Zölle für Importzucker auslösen. „Es ist ein erster, gemeinsamer Teilerfolg der europäischen Rübenbauernverbände, der europäischen Zuckerindustrieverbände und nicht zuletzt von Landwirtschaftsminister Totschnig, dass ein Umdenken in der Europäischen Kommission erwirkt wurde und die Importmenge auf ein verträgliches Maß reduziert werden soll“, zeigt sich Karpfinger zufrieden. Nun liege es an der Kommission, dieser Maßnahme rasch Taten folgen zu lassen, denn es sei zu befürchten, dass die Ukraine die Importe bis zur vorgesehenen Überprüfung im Juni 2024 massiv steigere und damit diese Maßnahme zu spät greifen könnte.
Doppelbödige Vorgangsweise beim Pflanzenschutz
Einen weiteren Etappenerfolg konnte Karpfinger von der Pflanzenschutz-Thematik berichten. Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission, der eine Halbierung der Pflanzenschutzmittel bis 2030 vorgesehen habe, sei nun endgültig vom Tisch. Der zunächst unter massivem Mitwirken unseres EU-Abgeordneten Alexander Bernhuber vom EU-Parlament abgewiesene Verordnungsentwurf wurde nun – auch gestützt durch die Bauernproteste – von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen endgültig zurückgezogen. Es sollen nun weitere Gespräche unter Einbindung aller Interessenverbände – somit auch der Landwirtschaft – aufgenommen werden, um einen praxistauglichen Entwurf auszuarbeiten. Karpfinger: „Wenn die EU-Kommission tatsächlich Interesse an einer Selbstversorgung Europas mit Nahrungsmitteln hat, unter anderem auch mit Zucker, dann brauchen wir auch gewisse Werkzeuge zum Schutz unserer Kulturpflanzen.“ Seit 2019 sei den Rübenbauern rund ein Viertel der Pflanzenschutzmittel aufgrund strengerer Auflagen entzogen worden. Gleichzeitig öffne die EU-Kommission die Türen für Importware, für die es kaum Auflagen gebe, kritisierte Karpfinger die bisherige Vorgangsweise der EU-Kommission als “doppelbödig”.
EU-Wahl und nationale Wahlen nutzen
Die Bauernproteste in Europa haben deutlich gemacht, dass in den letzten Jahren der Bogen überspannt wurde und sich die Landwirte schikaniert und unverstanden fühlen. „Europa muss wieder mehr auf die eigene Wirtschaft schauen und auch den Fokus auf die Versorgungssicherheit legen. Die bevorstehenden EU-Wahlen sowie die nationalen Wahlen können dabei helfen, dass sowohl das EU-Parlament als auch die EU-Kommission mit Vertretern besetzt werden, die diese wichtigen Themen vorantreiben“, so Karpfinger.
- Bildquellen -
- 240306 Rueben Persona W 01 6533: BZ / Maad