Richtige Deutung eines steirischen Rätsels

Ein jahrhundertealtes historisches Rätsel ist gelöst. Was der berühmte Schriftzug „A.E.I.O.U.“ in der Grazer Burg konkret meint.

Die Grazer Burg wird sich in den nächsten Jahren wandeln. Die historisch wertvollen Flächen werden revitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Untrennbar mit der Grazer Burg verbunden bleibt jedenfalls der berühmte „A.E.I.O.U.“-Schriftzug, der vom historisch prominentesten Bewohner der Grazer Burg, Kaiser Friedrich III., während seiner Regierungszeit im ausgehenden Mittelalter als Herrschaftsdevise genutzt wurde. „Nun liefert uns die Geschichtswissenschaft mit der Entschlüsselung des jahrhundertealten Rätsels, was mit Kaiser Friedrichs Buchstabenfolge ,A.E.I.O.U.‘ gemeint ist, eine neue Erkenntnis, die wir mit Sicherheit in unsere Überlegungen zur Attraktivierung der Grazer Burg miteinbeziehen werden“, freut sich der heutige Hausherr der Grazer Burg, Landeshauptmann Christopher Drexler. 

Von Triest bis Wien

Als der spätere Kaiser Friedrich III. (1415-1493) im Jahre 1424 als Kind die Herzogswürde der Steiermark, Kärntens und Krains erbte, war noch nicht absehbar, dass er später zum römisch-deutschen König mit der längsten Regierungszeit (1440-1493) und zum letzten in Rom gekrönten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches werden würde. Bereits in seiner Zeit als steirischer Herzog, der in der Grazer Burg residierte, begann Friedrich, die Buchstabenfolge „A.E.I.O.U.“ zu verwenden. Der Schriftzug wurde erstmals für 1437 nachgewiesen. Bis heute prangen diese Buchstaben nicht nur auf der Grazer Burg und dem Grazer Dom, sondern zieren von Triest bis Wien und von Meran bis Wiener Neustadt viele historische Gebäude in ehemals habsburgisch beherrschten Gebieten Mitteleuropas.  

Was steckt dahinter?

Die Frage, was mit „A.E.I.O.U.“ gemeint ist, ist fast so alt wie dessen Verwendung durch Friedrich III. selbst. Von „Austria erit in orbe ultima“ über „Alles Erdreich ist Österreich untertan“ bis zum sarkastisch-fatalistischen „Aller erst ist Österreich verloren“ sind über die Jahrhunderte rund 300 bekannte Interpretationen entstanden, Generationen von Historikern haben zum Ursprung geforscht. Als Lösung des historischen Rätsels greift der deutsche Historiker Konstantin Moritz Langmaier nun auf eine der ältesten, allerdings wenig bekannten Variante zurück. „A.E.I.O.U.“ steht demnach für „Amor Electis Iniustis Ordinor Ultor“.

Die Wortfolge, die zu Deutsch in etwa „Geliebt von den Erwählten, gefürchtet von den Ungerechten“ lautet, ist in zeitgenössischen Schriftstücken von und über Friedrich III. zu finden und in einen längeren lateinischen Satz eingebettet: „En, amor electis, iniustis ordinor ultor; Sic Fridericus ego mea iura rego.“ Der steirische Herzog Friedrich verwendet diesen Satz – auf Deutsch „Seht, ich bin geliebt von den Erwählten, ich bin gefürchtet von den Ungerechten, also regiere ich, Friedrich, rechtmäßig“ – demnach bereits in jungen Jahren zur Herrschaftslegitimation. Mit seinem – durch unerwartete Todesfälle in anderen Familienzweigen der Habsburger begünstigten – Aufstieg zum Senior des gesamten „Hauses Österreich“ und in weiterer Folge zum langjährigen Oberhaupt des Reiches fand das „A.E.I.O.U.“ des steirischen Herzogs Verbreitung weit über Friedrichs anfängliches Herrschaftsgebiet hinaus.

Forschungsirrtum

Dass diese Deutung des „A.E.I.O.U.“ bisher in der historischen Forschung zwar bekannt war, aber nicht zu den „Favoriten“ zählte, hat auch mit der Geschichtswissenschaft selbst zu tun: Alfons Lhotsky, Doyen der österreichischen Mittelalterforschung im 20. Jahrhundert, hat in seinen Arbeiten zum „A.E.I.O.U.“ dieses sogenannte „En-amor-Distichon“ als eine Erfindung des mährischen Notars Nikolaus Petschacher qualifiziert. „Langmaier weist nun durch seine Forschungen schlüssig nach, dass es sich bei Lhotskys Erkenntnis um einen Forschungsirrtum handelte“, betont Gernot Peter Obersteiner, Landesarchivdirektor und Obmann des Historischen Vereines für Steiermark.

- Bildquellen -

  • Christopher Drexler und Konstantin Moritz Langmaier: Land Steiermark/Robert Binder
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AUTORKarl Brodschneider
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