BauernZeitung: Herr Wolf, Lidl machte zu Monatsbeginn mit einer „Streichung der Mehrwertsteuer“ auf Grundnahrungsmittel von sich reden. Was steckt dahinter? Marketing-Gag oder politisches Statement?

WOLF: Wir wollten damit zum einen schlicht zeigen, dass eine temporäre Aussetzung oder Senkung der Mehrwertsteuer kurzfristig und mit überschaubarem Aufwand umsetzbar wäre. Zum anderen wollten wir damit natürlich auch neue Kunden von unserem Angebot überzeugen. Da haben wir noch Potenzial.

Wolf: “Dass sich das die Volkswirtschaft langfristig nicht leisten könnte, ist auch klar.”

Lidl hält in Österreich einen Marktanteil von 5,5 Prozent, glauben Sie wirklich an einen Effekt auf die Inflationsrate?

Das war wie gesagt nicht unser Kalkül. Die Inflation wurde zudem hauptsächlich durch Energiepreise importiert. Eine kurzfristige Senkung könnte aber jedenfalls einkommensschwache Haushalte in der Phase der Teuerung kurzfristig entlasten. Dass sich das die Volkswirtschaft langfristig nicht leisten könnte, ist auch klar.

Die Diskonter-Konkurrenz ist binnen 24 Stunden nachgezogen und hat ihr Sortiment ebenfalls deutlich preisreduziert. Ist das ein Zeichen von Absprache oder funktionierendem Wettbewerb?

Sie können sich sicher sein, dass hier überhaupt nichts abgesprochen war oder ist. Das weisen wir entschieden zurück. Warum sollten wir das tun? Selbstverständlich ist das ein Zeichen des harten Wettbewerbs.

Für Produzenten haben solche Aktionen immer einen bitteren Beigeschmack. Wer trägt die Kosten für die Preisreduktion über zehn Prozent? Die Margen des Handels sollen ja – wenn man diversen Statements Glauben schenken darf – deutlich darunter liegen?

Tatsächlich haben wir die Kosten für die Aktion zu 100 Prozent selbst übernommen. Die wurden auch nicht woanders draufgeschlagen oder werden nachträglich eingefordert. Das war eine Investition in unsere Kunden und in unser Wachstum, die wir selber bezahlen.

Wolf: “Über die Hälfte der Lebensmittel, die wir verkaufen, sind aus Österreich.”

Aktionen sind fixer Bestandteil der Unternehmensphilosophie des heimischen Lebensmittelhandels, so auch in Ihrem Haus. Von Verarbeitern wird immer wieder berichtet, dass dafür auch Preisdruck auf sie und damit den Erzeuger ausgeübt wird. Können Sie das für Ihr Unternehmen grundsätzlich von der Hand weisen?

Ich würde sagen, wir verhandeln hart, aber fair. Bei einem Marktanteil von knapp 6 Prozent geht das auch nicht anders. Niemand ist gezwungen, uns zu beliefern. Umso mehr freuen wir uns über die mittlerweile sehr langen Partnerschaften und darüber, dass über die Hälfte der Lebensmittel, die wir verkaufen, aus Österreich sind. Sehr geschätzt wird von unseren Lieferanten auch die Möglichkeit, an Lidl-Gesellschaften ins Ausland zu liefern – hier bereiten wir den Weg für viele unserer Partner.

Wie kann es gelingen, das Preisniveau dauerhaft so günstig zu halten? Wie unterscheidet sich der Diskonter hier vom Supermarkt/Vollsortimenter?

Unser Geschäftsmodell lebt vor allem davon, dass wir die Kosten im operativen Betrieb im Griff haben. Unser Sortiment ist überschaubar: Wir haben für unsere Kunden nicht alles, aber immer das richtige. Wie haben vergleichsweise niedrige Personalaufwände. Nicht weil wir schlecht zahlen, im Gegenteil, wir zahlen deutlich über dem Kollektivvertrag. Aber bei uns gibt es etwa keine Bedienung oder wir räumen die Produkte auch nicht aus den Kartons heraus, sondern stellen diese direkt in das Regal.
Damit verbunden arbeiten wir schon immer mit optimierten Prozessen: Im Logistikzentrum werden die Paletten zum Beispiel schon so kommissioniert, dass das genau mit dem Ladenlayout zusammenpasst und in der Filiale mit möglichst wenig Aufwand verräumt werden kann. Dazu kommt beispielsweise der internationale Systemeinkauf für internationale Ware oder auch die Tatsache, dass die Schwarz-Gruppe auch Eis, Getränke, Schokolade oder Kaffee selber produzieren lässt. In Summe schaffen wir damit Kostenvorteile, die wir an die Kunden weitergeben können – nicht auf Kosten der Lieferanten und ohne auf Qualität verzichten zu müssen.

Laut RollAMA bestehen heuer schon 65 Prozent des Einkaufskorbs heimischer Konsumenten aus Produkten von sogenannten Handelsmarken – Tendenz steigend. Bauern fürchten hier die Austauschbarkeit ihrer Erzeugnisse. Was antworten Sie besorgten Landwirten?

Da lade ich einfach all jene ein, die noch nicht in einem Lidl in Österreich waren, dorthin zu gehen und sich selbst ein Bild zu machen. Wir haben namhafte österreichische Eigenmarken aufgebaut, die sich ganz klar von den internationalen unterscheiden. Wir wollen den Kunden die Wahl einfach und transparent machen. Als Herkunftsnachweis sind fast alle diese Produkte AMA-Gütesiegel-zertifiziert. Und: Die Lieferanten stehen transparent auf den Packungen.

Werden in Ihrem Eigenmarkensortiment – immerhin 80 Prozent der verkauften Ware – ausschließlich österreichische Lebensmittel verarbeitet?

Gerade im Frischsortiment sind unsere österreichischen Eigenmarken ganz wesentlich. Unser Wurstsortiment ist beispielsweise zur Gänze AMA-Gütesiegel-zertifiziert, Molkereiprodukte ebenso. Auch unser Obst und Gemüse kommt gerade in den Saisonen überwiegend aus Österreich.

Wolf: “Der Fokus liegt zu sehr auf dem Einzelhandel. Wenn man hier diskutiert, braucht es einen differenzierteren Blick darauf, wo Wertschöpfung passiert – oder eben nicht.”

Die Teuerung macht letztlich auch vor den Erzeugerpreisen nicht halt, wäre es da nicht verlockend, auf günstigere Quellen aus dem Ausland zurückzugreifen?

Das Angebot gibt es ja schon. Es liegt an uns allen in der Wertschöpfungskette, die österreichische Fahne hochzuhalten und dabei auch den preislichen Abstand im Auge zu behalten. Gleichzeitig ist es ja nicht so, dass die österreichische Landwirtschaft über deren Abnehmer nur den Lebensmitteleinzelhandel beliefert und diesem deshalb auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Wir haben auch noch die Gastronomie, die Großküchen und den Export. Der Fokus liegt zu sehr auf dem Einzelhandel. Wenn man hier diskutiert, braucht es einen differenzierteren Blick darauf, wo Wertschöpfung passiert – oder eben nicht.

Seit einem Vierteljahrhundert ist Lidl nun in Österreich vertreten. Mit seinen über 12.000 Filialen steht die Marke für die größte Diskont-Handelskette weltweit. Wohin wird sich Lidl hierzulande entwickeln?

Wir sind auf einem guten Weg, haben den Marktanteil auf aktuell 5,7 Prozent ausgebaut und sehen uns als Nummer vier in der Lage, weiter für Wettbewerb zu sorgen. Gerade im Bereich der Nachhaltigkeit und Transparenz haben wir noch viel vor. Auch hier ist der Wettbewerb in Österreich groß und der LEH hat hier große Herausforderungen, die wiederum nur gemeinsam entlang der gesamten Wertschöpfungskette gemeistert werden können.

Mitte kommenden Jahres werden sie sich beruflich weiterentwickeln. Können Sie aus der österreichischen Handelslandschaft etwas mit in Ihre Heimat nehmen?

Ich werde im Sommer nächsten Jahres, auch als CEO, in mein Heimatland, die Schweiz, zurückwechseln. Ich kann einiges aus Österreich mitnehmen, vor allem, was harten Wettbewerb betrifft. Mir wird aber auch die Freundlichkeit der Österreicher in guter Erinnerung bleiben.

Zur Person

Alessandro Wolf ist seit Dezember 2019 Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Lidl Österreich. Der gebürtige Schweizer hat seine Lidl-Karriere unmittelbar nach seinem Studium als Verkaufsleiter in Deutschland gestartet und wechselt im Sommer 2024 in den Schweizer Chefsessel. Die Österreich-Leitung wird der Finne Nicholas Pennanen übernehmen.

 

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  • Alessandro Wolf: Lidl Österreich
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AUTORClemens Wieltsch
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