Marktgärnter auf kleiner Fläche groß im Kommen

Ganzjähriger Anbau auf Kleinflächen, standardisierte Beetstruktur mit Satzstaffelung, hoher Handarbeitsanteil, sparsame Investitionen und Direktvermarktung. All dies gehört zu den Charakteristika einer „Marktgärtnerei“. Hier der Blick in eine stark wachsende Szene.

Vor dem Saisonstart: Knoblauch in Strohmulch, Zwiebel frisch gesetzt in Folie, erste Salate unter Vlies und Erbeeren im Tunnel.

Beetwirtschaft, Ernteschwung, Krautwerk oder Vielfaltsgarten. Mögen die Namen noch so unterschiedlich sein, sie haben doch eines gemeinsam: Sie stehen für gemüse­begeisterte Persönlichkeiten, die sich unter dem Titel Marktgärtnerei der „bio-intensiven“ Produktion auf Kleinflächen verschrieben haben. Das Ziel ist, unter Schonung der Ressourcen („Bio“) hohe Erträge („intensiv“) zu erreichen. Beachtlich ist vor allem der bunte Mix aus Neu-, Quer- und Wiedereinsteigern, die zu der seit einigen Jahren stark wachsenden Anzahl an Betrieben beitragen.

Ursprung in Kanada

Der neue Trend mag Parallelen haben zur Gemüseversorgung von Großstädten wie Paris oder Wien im 19. Jahrhundert, zu den Hausgärten in den Ländern des ehemaligen Ostblocks oder einfach auch zu unseren traditionellen Bauerngärten. Dennoch ist Marktgärtnerei heutigen Zuschnitts keine Rückkehr zu den „alten Zeiten“. Vielmehr handelt es sich um eine innovative Art der Kulturführung, die der US-Farmer Eliot Coleman (“The four seasons Farm“) mit seinem Buch „The New Organic Grower“ ab dem Jahr 1989 propagierte. Zweiter Motor der Bewegung war der kanadische Farmer Jean-Martin Fortier, der südöstlich von Montreal in der Grenzregion zu den USA seine „Jardins de la Grelinette“ betreibt, was zu übersetzen ist mit „Die Gärten der Doppelgrabegabel“. Fortier wollte nach seinem Agrarstudium einen Betrieb eröffnen, hatte aber nur etwa 1.000 m2 Fläche und Handwerkszeug zur Verfügung. Er setzte auf Produktvielfalt mit verschiedenen Gemüsearten, Kräutern und saisonalem Obst, intensivierte die Kulturführung und vermarktete direkt über zwei Bauernmärkte und Gastronomie sowie über Projekte Solidarischer Landwirtschaft (SoLaWi), bei der Konsumenten gegen Naturalien zur Finanzierung des Betriebs beitragen. Fortier hatte Erfolg, das Wachstum war stürmisch. Bereits in der vierten Saison erreichte er auf 7.000 m2 Fläche einen Umsatz von umgerechnet knapp 70.000 Euro. Fortiers Buch „The Market Gardener“ wurde zum Standardwerk der Marktgärtnerei, es liegt unter dem Titel „Bio-Gemüse erfolgreich direktvermarkten“ auch in deutscher Übersetzung vor. Zu den Protagonisten der Marktgärtnerei in Österreich zählt Wolfgang Palme, Abteilungsleiter für Gemüsebau an der HBLA Schönbrunn, der mit „Frisches Gemüse im Winter ernten“ ebenfalls grundlegende Informationen bietet.

Quelle: BZ/Maad^
Für die Standardbeetbreite von 80 cm gibt es eine Fülle von Anbaugeräten, wie Mulcher, Fräse oder die abgebildete Kreiselegge.

Handarbeit mit hoher Produktivität

Marktgärtnerei ist im Wesentlichen ein intensiver Gemüseanbau, der durch optimierte Bewirtschaftung kleinster Flächen in Handarbeit eine hohe Produktivität anstrebt. Beetmaße und Mechanisierung sind auf effiziente Handarbeit ausgelegt. Zudem gibt es für Jungpflanzen, Beeteinrichtung Sätechnik, Hackgeräte, Erntehilfsmittel und Fahrzeuge bis hin zur Schlagkartei für die Beete bereits eine eigene Infrastruktur spezialisierter Anbieter.
Gezielter Fruchtwechsel, verschiedene Mulchsysteme und Kompostwirtschaft fördern zugleich die Bodenfruchtbarkeit. Die Betriebe arbeiten zertifiziert Bio oder naturnah. Zum Prinzip der Marktgärtnerei gehört auch die Direktvermarktung. Um möglichst ganzjährig anbieten zu können, haben die meisten Betriebe zwischen 30 und 50 verschiedene Kulturen im Sortiment.

Quelle: BZ/Maad
Beet mit frisch gesetztem Salat. Die Markierwalze mit versetz- oder abnehmbaren V-Elementen leistet wertvolle Dienste.

15 bis 23 Euro pro Quadratmeter

Aufgrund des ausgeklügelten Konzepts sind beachtliche Umsätze möglich. Ein heimisches Beispiel dafür ist Robert Brodnjak, der in Großmugl (NÖ) die Marktgärtnerei „Krautwerk“ betreibt. Mit Vermarktung vielfältiger Gemüsesorten über einen Wochenmarkt und an zehn Gastrobetriebe erzielt er auf einem Hektar Gemüsefläche einen Umsatz von 15 bis 23 Euro je Quadratmeter. Beschäftigt sind vier Famlienarbeitskräfte und zu Spitzenzeiten auch einige Teilzeitkräfte.

Reportage

Die Beetwirtschaft ist mehr als eine Leidenschaft

42 Gemüsekulturen umfasst die „Beetwirtschaft“ von Jürgen Summerer (30) und Lauren Herold (27). Der Name ihrer in Füllersdorf bei Großmugl (NÖ) ansässigen Marktgärtnerei kommt nicht von ungefähr, denn gesät oder ausgepflanzt wird auf immerhin 180 Beeten, die in Zehnerblöcken auf einer Fläche von nur 7.500 Quadratmetern angeordnet sind.

Quelle: diebeetwirtschaft.at
Jürgen Summerer und Lauren Herold sind die „Beetwirte“. Montag bis Freitag stehen sie am Acker, am Samstag am Wiener Vorgartenmarkt.

In die Beetwirtschaft „hineingestolpert“

Zur Marktgärtnerei gefunden haben Summerer und Herold mehr „Schritt für Schritt“ als durch zielgerichtete Planung. Beide haben ein Boku-Studium absolviert. Dass sie im Vollerwerb Landwirtschaft betreiben, war aber so nicht absehbar. Gemeinsam war den beiden aber immer schon die Leidenschaft für den Gemüsebau im Hausgarten, der anfangs auf den Eigenbedarf ausgerichtet war.
Mit dem Verkauf ab Hof und auf Märkten wuchsen auch Beetfläche und Anzahl der Kulturen. 2019 entschieden sich die beiden, ihre Arbeit zur Grundlage des Lebensunterhalts zu machen. Sie setzten auf die Marktgärtnerei mit Produktvielfalt und Direktvermarktung. Unterstützung kommt von Jürgen Summerers Eltern, die bei Arbeitsspitzen helfen. Hauptkulturen sind Zwiebel und Knoblauch. Wichtig für die Vermarktung sei, möglichst früh zu beginnen und das Ende der Saison möglichst auszudehnen, so Sommerer. Ein typischer Ablauf im Gemüsejahr beginne mit Pak Choi, Spinat, Radieschen und Salat. Wenn es wärmer wird folgen Fruchtgemüsearten wie Melanzani, Gurken, Zucchini sowie verschiedene Wurzelgemüsearten und Rüben. Im Herbst und Winter gibt es wiederum Radieschen und Salat sowie vor allem auch Asia-Salat, Winter-Postelein und den zunehmend bekannteren Rosetten-­Pak-Choi oder auch Tatsoi.

Quelle: diebeetwirtschaft.at
Das ganze Jahr über kommen mehr als 40 Kulturen in Produktion und Vermarktung.

All dies setzen und säen die zwei Beetwirte in mehreren Staffeln, damit Ernte- und Vermarktungsmengen die ganze Saison über zusammenpassen. Schwierig zu kalkulieren seien indes die Absatzmengen im Sommer, Stichwort Urlaubs­zeit, und die Eigenversorgung der Konsumenten in diesen Monaten. Paradeiser etwa lohnt deshalb wenig und wurde reduziert. Summerer: “Besser fährt man mit frühen Erdbeeren im Folientunnel. Nach der Erdbeerernte wird der Folientunnel auf Melanzani und Gurkenbeete umgesetzt.”

diebeetwirtschaft.at

Tag der offenen Marktgärtnerei – Am 18. Juni öffnen Österreichs Marktgärtner ihre Gartentore und bieten Besuchs- und Informationsmöglichkeiten. Insgesamt sind bundesweit etwa 100 bis 150 Betriebe als Marktgärtner aktiv. Derzeit ist die Sparte in einer Strukturierungsphase. Einige Praxisbetriebe bilden mit Beratung und Forschung im Rahmen eines EIP-Agri-Projekts die „Operationelle Gruppe Marktgärtnerei“, die aktuelle Daten zu Kulturführung und Wirtschaftlichkeit ermittelt. Infos zum Tag der Marktgärtnerei gibt es im Internet.
www.marktgärtnerei.info

- Bildquellen -

  • 2319 W03 Kreiselegge: BZ/Maad^
  • 2319 W02 Setzwalze: BZ/Maad
  • 2319 W04 Juergen Lauren: diebeetwirtschaft.at
  • 2319 W05 Vorgartenmarkt 01: diebeetwirtschaft.at
  • 2319 W01 Beetwirtschaft Pano: BZ/Maad
- Werbung -
QuelleH.M.
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