Unterschiedliche Meinungen, aber ein gemeinsames Ziel – diese Situation ist charakteristisch für viele landwirtschaftliche Betriebe, in denen Alt und Jung zusammenarbeiten. Beide wollen den Hof weiter auf Erfolgskurs halten, die Meinung, welcher Weg zielführend ist, kann aber unterschiedlich sein. Ideal für den Betrieb ist dieser Altersmix dann, wenn die Vorteile beider Generationen unter einen Hut gebracht werden können. Ein starkes Team ist altersgemischt und kann sogar bessere Betriebsergebnisse bringen als ein homogenes Team.
Jede Generation hat aber alterstypische Eigenschaften, die sich auf die Zusammenarbeit auswirken. Der Wille zu einer guten Kooperation alleine reicht nicht, gefragt ist das Einfühlungsvermögen für den anderen. Das betrifft Eltern und Kinder ebenso wie Generationsunterschiede bei den Mitarbeitern.
Typisch für Ältere
Zu den Stärken des Seniors zählen:
• die lange Erfahrung und
• die gewachsenen Kontakte zu Lieferanten, Kunden und Ämtern.
Für Sohn oder Tochter sind das beneidenswerte Eigenschaften.
Der “Senior” überschätzt aber häufig auch die Situation und hängt an den althergebrachten Gewohnheiten. Er ist unbewusst “Bewahrer” des Bisherigen. Wenn der Senior über Vergangenes spricht, entsteht beim Youngster schnell der Eindruck, dass dieser “in einer anderen Zeit” lebt.
Obwohl viele ihren eigenen Gesundheitszustand, als “gut” oder “sehr gut” einschätzen, nehmen die Mobilität und die körperliche Kraft allmählich ab. Durch altersgerechte Arbeitseinteilung lässt sich das teilweise kompensieren. Es darf nicht zum Wettbewerb kommen, wer länger arbeitet, wer mehr leistet, wer mehr kann.
Ab wann sich ein Senior “alt” fühlt, hängt stark von seiner inneren Einstellung, seinem Gesundheitszustand und der Akzeptanz der jungen Generation ab. Wer das Gefühl hat, gebraucht zu werden und beim eigenen Nachwuchs sowie bei jüngeren Mitarbeitern Anerkennung zu finden, der bringt sich auch gerne in die tägliche Arbeit ein.
Fähigkeiten des Seniors
Oft sind es die Älteren selbst, die bei sich nachlassende Fähigkeiten feststellen, dabei aber ganz vergessen, dass andere Fähigkeiten mit dem Alter auch zunehmen. Jetzt kommt es da-rauf an, sich den Anforderungen zu stellen und nicht zu resignieren. Es ist eine Frage der Einstellung, ob man sich alt fühlt und einen Leistungsabfall fürchtet. Fähigkeiten, die mit zunehmendem Alter erst so richtig zum Tragen kommen, sind: Berufserfahrung, Verantwortungsbewusstsein, Urteilskraft, Ausgeglichenheit, Gesprächsfähigkeit, Sorgfalt und Zuverlässigkeit sowie Gelassenheit.
Demgegenüber nehmen andere Fähigkeiten mit dem Alter ab; dazu zählen: schnelles Einarbeiten in neue Techniken, Reaktionstempo, Flexibilität, Dauerbelastung, Arbeiten unter Termindruck, Toleranz.
Oft brauchen Ältere bei neuen Techniken, bei Vorschriften und Änderungen mehr Zeit für die Eingewöhnung. Was neu ist, wird mit Altem verglichen und zunächst kritisch unter die Lupe genommen. Ältere sind zwar lernfähig, aber skeptisch, wenn etwas ungewohnt ist. Da sich die Lernfähigkeit mit zunehmendem Alter ändert, muss er darauf Rücksicht nehmen. Oft sind es auch die Betroffenen selbst, die sich zu viele Gedanken darüber machen und Probleme auf sich zukommen sehen.
Konflikte
Belastend für die Zusammenarbeit der Generationen ist, wenn der Senior immer von früher redet und übermäßige Kontrollen vornimmt oder seine Ideen dem Nachwuchs aufdrängt. Wer seinem Sohn nichts zutraut, zwingt ihn in die “Rolle des Kindes” und hält ihn unselbstständig. Der junge Chef will nicht “Abziehbild” des Seniors sein, sondern möchte seine eigenen Ideen realisieren. Dem Senior ging es in jungen Jahren genauso, das vergisst er schnell. Er darf nicht enttäuscht sein, wenn sein Sohn nicht mehr um Rat fragt und Entscheidungen alleine trifft, selbst wenn sie sich als falsch zeigen. Fühlt er sich als unentbehrlich und vertraut seinem Sprössling nur zögernd, spüren das auch die Mitarbeiter, und sogar Kunden bekommen das mit.
Wenn der Senior noch einige Aufgaben behalten will, muss eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten vorgenommen werden. Zu den wesentlichen Grundsätzen der Zusammenarbeit gehört es, dem Nachwuchs Vertrauen entgegenzubringen.
Die Zeiten, in denen der Nachwuchs großen Respekt vor seinen Eltern hatte, sind vorbei. Althergebrachtes wird gerne infrage gestellt, Jüngere treten selbstbewusst auf und diskutieren gerne.
Typisch für Jüngere
Die Unter-Dreißig-Jährigen zählen zu den “Veränderern” und wollen sich gegenüber den “Bewahrern” durchsetzen. Jüngere sind technisch begabt, haben meist eine gute Ausbildung, aber auch höhere Ansprüche an ihren Lebensstandard. Wenn der Idealismus fehlt, der in der Landwirtschaft nötig ist, sinkt beim Nachwuchs die Motivation. Die ehrgeizigen Jungen strengen sich nur an, wenn es sich für sie lohnt.
Junge Einsteiger möchten Handlungsspielräume und eigene Erfahrungen machen und nicht dauernd kontrolliert werden. Kontrollen des Seniors führen häufig zu Konflikten – vor allem dann, wenn mangelndes Vertrauen das Motiv für die Kontrolle zu sein scheint. Vertrauen zur jüngeren Generation ist eine wichtige Voraussetzung für die Zusammenarbeit.
Differenzen müssen unter allen Umständen in einer Art ausgesprochen werden, die das Selbstwertgefühl des anderen nicht verletzt. Das Gerede hintenherum muss vermieden werden. Dabei muss man den eigenen Standpunkt nicht aufgeben, sondern den des anderen anhören und hinterfragen. Nur so funktioniert die generationsübergreifende Zusammenarbeit. Denn wenn es auf der emotionalen Ebene nicht stimmt, ist die Kooperation gefährdet.
Der Nachfolger will nicht Abziehbild seines Vaters sein, er möchte dem Betrieb eine eigene Handschrift verleihen. Außenstehende stehen oft menschlich noch mehr hinter dem Senior und vergleichen den Nachwuchs mit ihm. Veränderungen muss er langsam angehen, Kunden und Lieferanten brauchen Zeit, den neuen Kurs anzunehmen.
Wer jung ist, wünscht sich:
• Handlungsspielräume und Verantwortung dafür,
• ein gutes Verhältnis zu Lieferanten, Kunden usw.
• Wertschätzung und Akzeptanz durch die Älteren,
• anspruchsvolle Aufgaben,
• berufliche Entwicklungsmöglichkeiten,
• Toleranz und freie Meinungsäußerung,
• mehr Vertrauen in die Leistungsfähigkeit.
Wohnen beide Generationen unter einem Dach, wie das in der Landwirtschaft oft vorkommt, dann muss die Toleranz im Zusammenleben besonders geübt sein. Ist der Junior verheiratet, stellt sich seine Frau auf seine Seite, wenn es zum Konflikt mit dem Vater kommt.
Gemeinsam stärker
Leistung und Arbeitsfreude bleiben erhalten, wenn Junge und Alte einander respektieren. Das heißt, dass der dynamische Seniorchef einen Schritt zurück machen sollte, damit der Junior auch einen eigenen Verantwortungsbereich übernehmen kann. Der Senior muss dem Nachwuchs auch Fehler bei Entscheidungen verzeihen, ohne nachtragend zu sein. Die Senioren waren auch einmal jung und haben auch nicht alles auf Anhieb richtig gemacht.
Umgekehrt darf aber auch die Jugend nicht nur die nachlassenden Fähigkeiten der Älteren betonnen. Wer die Berufserfahrung eines Älteren anzweifelt, schadet der Zusammenarbeit der Generationen. Hier gilt, dass die eigene Einstellung zur anderen Generation deren Verhalten prägt. Ältere entwickeln Ehrgeiz, wenn sie erkennen, dass man ihnen mehr zutraut als die Erledigung von Routineaufgaben.
Für beide Seiten gilt der Appell: “Traut einander etwas zu, dann bestärkt ihr euch in eurem Tun.” Im altersgemischten Team kommen die Stärken der Jüngeren und Älteren optimal zur Geltung – zum Vorteil für beide Seiten.
Ralf Leicher, Heidelberg