Grünland – Maßnahmen gegen Engerlinge und Jakobskreuzkraut

Extreme Dürre, Narbenschäden durch Engerlinge und Ausbreitung wärmeliebender Unkräuter – die Witterung im diesjährigen Sommer hat viele Grünlandbestände stark geschwächt. Hier ein Überblick über Maßnahmen, die in dieser Situation hilfreich sein können.

Jakobskreuzkraut in Blüte – ein wärmeliebendes Unkraut, das für unsere Nutztiere hochgiftig ist. Bei geringem Besatz kann man durch mehrmaligen Schnitt samt regelmäßiger Beobachtung die Massenausbreitung noch hemmen.

Totalausfall beim zweiten und beim dritten Schnitt – die extreme Dürre von Mai bis August 2017 hat in Teilen Ostösterreichs und Tirols den Wiesenaufwuchs stark beeinträchtigt. In NÖ ist ein breiter Landstrich vom Bezirk Melk bis etwa in die Region Gmünd stark von Dürreschäden betroffen.

Die vielen Tropentage mit Temperaturen über 35 °C und eine neue Rekordzahl an Hitzetagen mit über 30 °C verstärken im extensiven Grünland zwei Problembereiche:

• Narbenschäden durch Engerlinge und

• die Ausbreitung wärmeliebender Unkräuter, im Speziellen das giftige Jakobskreuzkraut.

Quelle: Humer
Engerlingsschaden auf einer Wiese im Pielachtal (NÖ). Die Narbe ist aufgrund abgefressener Wurzeln großflächig zerstört.

Engerlinge lieben Wärme und lückige Grasnarben

Die hohe Sonneneinstrahlung auf lückigen und dürregeschädigten Wiesen hat den Boden stark aufgeheizt. Wiesen mit hoher Wärmeabstrahlung und schütterem Futterwuchs sind Anziehungspunkte und Brutstätten für Schadinsekten. Besonders attraktiv sind sie beispielsweise für Mai- und Junikäfer, die solche Standorte verstärkt zur Eiablage anfliegen. Die Folge ist der Schlupf einer größeren Anzahl an wiesenschädigenden Engerlingen.

Auch die fetten Tipulalarven der Wiesenschnaken (eine Großmückenart) sind im Grünland bedeutende Wurzelfresser. Bei ihrem Reifungsfraß fressen sich die Larven an den Wurzeln der Grasnarbe satt. Der Wurzelfraß von Engerlingen und Schnaken kann so stark werden, dass Wiesen fleckenweise absterben und braun werden. Die Schäden treten bevorzugt an lokalen Wärmeinseln auf. Besonders gefährdet sind demnach sonnig trockene Hänge und windgeschützte warme Flusstäler.

Der Befall wird oft erst im zweiten und dritten Jahr sichtbar, wenn der Hauptfraß der Larven einsetzt. Ein sicheres Zeichen für starken Engerlingbefall ist, wenn die Wiesennarbe den festen Halt verliert und sich vom Boden löst. Bei warmen Temperaturen findet man direkt unter der abgestorbenen Narbe massenhaft die weißen, fetten Engerlingslarven. Die genaue Untersuchung der Wiesennarbe zeigt, dass bevorzugt die Wurzeln der Wiesengräser abgefressen werden. Das führt zu erhöhter Rutschgefahr und Futterverschmutzung bei der Ernte.

Quelle: Humer
Engerlinge und Juni-Käfer. Eine direkte Bekämpfung ist schwierig, zeitraubend und kostspielig.

Betroffen sind immer solche Wiesen, die kaum oder nicht mehr gedüngt werden. Die Dominanz von Spitzwegerich auf solchen Wiesen ist ein typisches Beispiel. Ein Signal dafür, dass sich wärmeliebende Schadinsekten an den Wurzeln der Futtergräser ausgebreitet haben, ist auch das verstärkte Auftreten von Fressfeinden.

Folgeschäden durch Wildschweine

Wo es massenhaft Engerlinge oder Insektenlarven gibt, lockt dies auch andere Tiere an, denen die fetten Engerlingslarven eine interessante Nahrungsquelle bieten. Dazu gehören der Maulwurf, die Feldmaus, Wildschweine, der Dachs und die Krähen. All diese Tiere zerstören bei der Futter- bzw. Insektensuche unvermeidlich auch die Wiesennarbe.

Die größten Folgeschäden bis hin zur endgültigen Zerstörung der Wiesennarbe verursachen Wildschweine. Verstreut an mehreren Stellen durchwühlen sie bevorzugt extensive Wiesen. Die Nahrungssuche mit Wühltätigkeit hinterlässt ein „wildes Problemfeld“ mit Löchern, aufgeschobenen Erdhaufen und Wasenresten. Bei höherer Zahl an verstreuten Wühlstellen kann der Reparaturaufwand so groß werden, dass eine Wiesenneuanlage notwendig ist. Derartige Schadenanhäufungen waren bereits im Jahr 2006 im Gailtal zu beobachten, 2012 im Bezirk Rohrbach (OÖ) und 2016 in Reisseck (Ktn.). Eine angestrebte Entschädigung solcher Wildschäden gleicht infolge von Interessenkonflikten häufig einem Hindernislauf.

Quelle: Humer
Maulwurf im „Hochbau“ – die riesigen Erdhaufen sind eine enorme Gefahr in punkto Futterverschmutzung.

Auch Maulwürfe können überhandnehmen

Auch Maulwürfe finden in Engerlingen eine gute Futtergrundlage. In jüngerer Vergangenheit war auf Grünlandstandorten eine starke Zunahme extrem großer Maulwurfshügel zu beobachten. Aufgrund der großen Erdhaufen kommt es zu massiv verschmutzen Silagen und nachhaltig zerstörten Gräserhorsten. Auf Ertrag und Futternachwuchs hat dies über Jahre eine nachteilige Wirkung. Die entstehenden Lücken ohne Vegetation begünstigen die Ausbreitung biodiverser, futteruntauglicher Unkräuter wie Ampfer. In Extremfällen verweigern die Tiere die Aufnahme ganzer Silopartien, bzw. es kann durch clostridienverseuchtes Futter zu Todesfällen beim Vieh kommen. Auch Wühlmäuse schädigen zunehmend das Grünland, indem sie mit Löchern und Wühlgängen die Narbe aufbrechen und unterminieren. Eine starke Mäusepopulation kann über den Winter sogar große Wiesenflächen zerstören.

Quelle: Humer
Auch Feld- und Wühlmäuse können sich massenhaft vermehren.

Zur Abwehr von Nagern hat sich das Aufstellen von Sitzstangen für Greifvögel bewährt. Auch das konsequente Fangen der Schädlinge mit Fallen sowie die Beobachtung von Neueinwanderungen sind wichtige Vorbeugungsmaßnahmen.

Unkrautexplosion durch wärmeres Klima

Parallel zur Insekteninvasion nehmen häufig auch wärmeliebende Unkräuter überhand. Trockenheit und Dürre verschlechtern seit Jahren zusehends die botanische Futterzusammensetzung von Wiesen. Das wärmere Klima begünstigt wärmeliebende, unproduktive krautige Pflanzenarten mit tieferer Durchwurzelung. Wo solche Pflanzen überhandnehmen, führt dies zu nutzlos gedüngtem und geerntetem Futter. Aufgrund der fresshemmenden Inhaltsstoffe verweigert das Vieh bisweilen sogar die Aufnahme solchen Futters.

Zu diesen unproduktiven Pflanzen gehören Schafgarbe, Wiesenlabkraut, Wiesenpippau, Flockenblume, Spitzwegerich, Doldenblütler, Hahnenfußarten, Scharbockskraut, Bunte Kronenwicke, Vogelwicke, Hauhechel, Zypressen-Wolfsmilch, Klappertopf und alle Arten von Kreuzkraut. Werden sie als Notfutter dennoch gefressen – was bei Futtermangel durch Dürre der Fall ist – so verursachen sie Leistungseinbußen oder sogar Vergiftungen bis hin zum Tiertod. Höchstes Augenmerk gilt hier dem hochgiftigen Jakobskreuzkraut, dessen Ausbreitung in vernachlässigtem Grünland die Dürre besonders begünstigt. Bedrohlich ist im Waldviertel und in Bayern inzwischen der Übergriff von giftigem Wasserkreuzkraut sogar auf gute Futterwiesen.

Die wenigen guten Futterarten, die vom wärmeren Klima profitieren, sind Raygräser, Glatthafer, Timothe, Wiesenrotklee, Hornklee und Luzerne.

Dichte Narbe unterdrückt die Engerlinge

Die Engerlingsbekämpfung ist schwierig, zeitraubend und teuer. Bei einem Engerlingbefall ist der einfachste Weg eine mehrfache, stark mechanische Bodenbearbeitung mit einer Kreiselegge, eventuell auch mit einer Bodenfräse. Dazu ist eine warme Sommerwitterung notwendig, weil diese Technik die Engerlinge nur im Bearbeitungshorizont an der Bodenoberfläche erreicht. Die Bekämpfung mit Pilzgerste ist möglich, aber langwierig und mit etwa 500 Euro pro Hektar für das Präparat auch noch sehr teuer. Zudem wirkt die Pilzgerste nur gegen Maikäfer-Engerlinge.

Die beste Vorbeugung gegen die Engerlingsausbreitung ist der schnelle Aufbau einer dichten Wiesennarbe mit gutem Futterwuchs. Dazu sind spezielle Bodenvorbereitungen, Saattechniken, Saatgutmischungen und eine nachhaltige Düngung notwendig. Um die Ausbreitungsmöglichkeiten für Engerlinge zu minimieren, ist sofort nach der nächsten Mahd mit dem Wiesenaufbau durch eine gezielte Einsaat vorzugehen.

Einsaat am besten im Spätsommer

Die Förderung dichter Grasnarben durch wiederholte Nachsaaten ist die wirksamste Strategie gegen Schädlinge und Unkrautausbreitung. Betriebe, für die das Ertragsgrünland existenzentscheidend ist, können der aufgezeigten katastrophalen Entwicklung vorbeugen, indem sie lückige Narben nach Dürren mit geeigneten Futtergräsern reparieren. Dies mildert Ertragsverluste und beugt der Unkrautausbreitung vor. Gute Futtererträge mit standortangepassten, gut wüchsigen Gräser- und Kleearten sind die Basis für den Erfolg. Am erfolgversprechendsten sind Einsaaten in lückige Wiesen im Spätsommer. Ein Bestand aus besten und ertragreichen Gräsern muss für den immer qualitativ wichtiger werdenden und entscheidenden ersten Frühjahrsaufwuchs die höchste Priorität haben.

Volles Augenmerk auf den ersten Schnitt

Aufgrund der Dürreperioden zeichnet sich immer mehr die Tendenz ab, dass die Folgeaufwüchse nach dem ersten Schnitt durch Giftpflanzenbesatz, schlechtere Futterstruktur und geringere Nährstoffgehalte immer mehr an Bedeutung verlieren. Die volle Konzentration gilt deshalb einem erfolgreichen ersten Frühjahrsaufwuchs. Zu dieser Strategie passt auch, dass man minderwertige Sommer- und Herbstaufwüchse als Düngemulch für den Frühjahrsaufwuchs nutzt.

Das Wasserkreuzkraut hat sich inzwischen so massenhaft ausgebreitet, dass auf befallenen Standorten ohnedies nur mehr der erste Jahresaufwuchs ein unbedenkliches und giftfreies Wiesenfutter ist. Ab Juli treibt das Wasserkreuzkraut dann Stängel mit allen nachteiligen Folgen für denFutterwert. Vom Handel angebotene, fertige Nachsaatmischungen sind zwar bequem erhältlich, wirklichen Nutzen bringen sie aber nur, wenn sie für den jeweiligen Standort passende, gut wüchsige Arten enthalten. Aufgrund jahrelanger, eigener Beobachtungen ist festzustellen, dass fertige Nachsaatmischungen viel zu viele Arten enthalten mit nur geringer Konkurrenzkraft für die Wiesenregeneration. Ein Teil des Saatguts entspricht damit nicht den Anforderungen häufig komplexer Standorte, bleibt somit ohne nachhaltige Wirkung und verursacht zudem unnötig Kosten und Arbeit. Bisher fehlen eindeutige Belege dafür, dass in Nachsaatmischungen enthaltene, konkurrenzschwache Gräser tatsächlich anwachsen. Es gibt auch keine generelle Überprüfung der Nachsaatmischungen dahingehend, ob die eingesäten Arten in einer bestehenden Altnarbe wirklich anwachsen und auch wirtschaftlich sind.

Erst Wiederholung bringt den Erfolg der Einsaat

Die Zumischung von exakt zu der Wiese passenden Arten verbessert die Chance auf eine erfolgreiche Wiesenregeneration. Am besten sind jene individuellen Einsaatmischungen, die eine standörtlich gezielte Auswahl lokal gut wüchsiger Gräser- und Kleearten enthalten. Jede Wiese braucht für beste Erträge von Natur aus daher ihre eigene spezifische Gräsermischung. Für erfolgreiche Einsaaten sind anfänglich meist mehrere Wiederholungen notwendig, weil nicht immer die besten Aufgangsbedingungen in einer Wiesennarbe herrschen.

Grundlage einer erfolgreichen Einsaat ist die Kenntnis der wichtigen lokalen und guten Futtergräser. Auch Zeigerpflanzen in der Wiese geben wichtige Hinweise in Bezug auf:

• Saatgutwahl,

• Mangel oder Überschuss bei Nährstoffen,

• Bodenfeuchte und

• narbenschonende bzw. -schädigende Bewirtschaftung.

Bei Extensivierung sind heutzutage zunehmend das rechtzeitige Erkennen und Eindämmen von Giftpflanzen wichtig, damit Vergiftungen vermieden werden und das Vieh keine Leistungseinbußen erleidet.

Wärmeres Klima begünstigt Schadinsekten

Wurzelschädlinge sind mitverantwortlich für Ertragsverluste durch Lückenbildung in der Grasnarbe und damit gleichzeitig Wegbereiter für die Unkrautansiedelung. Die starke Zunahme und Zuwanderung vieler Schadinsekten werden durch die zunehmende globale Erderwärmung begünstigt. Das erklärt auch das epidemische Massenauftreten von wohl bekannten und immer aggressiver fraßschädigenden Insekten wie Getreidehähnchen, Maiswurzelbohrer, Kartoffelkäfer, Borkenkäfer, Schnellkäfer (Drahtwurm), Laufkäfer, Rüsselkäfer, Heuschrecken und Asiatischer Marienkäfer. Besonders in schütteren, zumeist extensiven Wiesen wächst in Dürreperioden die Gefahr, dass sich Engerlinge und Giftpflanzen ausbreiten. Auch der Umstieg in den Nebenerwerb und die Vernachlässigung der Wiesenpflege wirken oft nachteilig. Wichtigste Gegenmaßnahme ist die Regeneration solcher Wiesen durch Auswahl und Einsaat standortgerechter Futtergräser.


Extensivierung wird zum Problem

Die enorme Zunahme von Schadinsekten, Unkräutern und Giftpflanzen im Grünland ist durch das Zusammenwirken zweier sich selbst verstärkender Faktoren zu erklären: An erster Stelle zu nennen ist der klimabedingte Temperaturanstieg, der Schadinsekten und Unkräuter begünstigt. An zweiter Stelle folgt die Förderung der Biodiversität – woraus Extensivierung und Düngeverzicht folgen, die jedoch auf Problemstandorten sehr nachteilige Wirkungen haben können. Höhere Biodiversität bedeutet für Futterwiesen eine bewusste Ertrags- und Qualitätsverschlechterung durch neuerliche Ausbreitung von bereits verschwunden geglaubten Unkräutern und Giftpflanzen sowie durch die Zunahme von Schädlingen. Verzicht oder Reduktion einer sachgerechten Düngung führt zu Aushungerung und zu Rückgang und Absterben guter Futtergräser in Fettwiesen. Lückenbildung und Verunkrautung sind die Folgen dieses Produktionsrückschritts. Je größer und schockartiger die Nährstoffreduktion erfolgt, umso mehr entstehen Lücken mit Anziehungspunkten für Schädlinge und Unkräuter. Dürren verstärken diesen Prozess.

Es ist viel zu wenig bekannt, dass das Grünland in Österreich ohnedies eine ungewöhnlich hohe Artenvielfalt (Biodiversität) aufweist. Im Mittel finden sich 28 bis 55 Pflanzenarten, vereinzelt sogar bis 115 Arten (Pötsch et al., 2003). Grünlandwirten mit Tierhaltung als Einkommensquelle sollte bewusst sein, dass noch höhere Biodiversitäten für Viehfutterwiesen ertragsmindernd sind. Der Ertrag der besten Futterpflanzen wird nämlich mit jeder weiteren Art verdünnt und die Futterqualität durch geringere und spätere Nutzung vermindert (AGFF, 2014). Zusätzlich verursacht die Biodiversität von Schadinsekten in Wiesen Ertragsverluste bis zu zwei Tonnen Trockenmasse je Hektar (Clements et al, 1990), was einem Verlust von 400 Euro pro Hektar entspricht. Die extensive Grünlandnutzung ist nicht generell abzulehnen, aber nur sinnvoll auf natürlichen Extensivstandorten. Dazu zählen zumeist ertragsarme, magere, nährstoffarme, schwierig bewirtschaftbare, sehr feuchte oder sehr trockene und schon Jahrzehnte kaum oder ungedüngte Flächen. Erfolgreiche Viehhalter, Futterhändler, Pferdehalter können nur hochwertiges, einwandfreies Wiesenfutter, frei von Giftpflanzentoxinen und Erdverschmutzung brauchen.


Für Informationen zum Erkennen und zur standörtlich optimal passenden Auswahl an Futtergräsern zur Wiesenregeneration steht der Autor zur Verfügung.

Kontakt per E-Mail: johann.humer@gmail.com

- Bildquellen -

  • 1732 Web02 Engerlingsschaden: Humer
  • 1732 Web03 Junikaefer Mit Engerlingen: Humer
  • 1732 Web04 Maulwurf Massenhaft: Humer
  • 1732 Web05 Mausschaden: Humer
  • 1732 Web01Jakobskreuzkraut: Humer
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AUTORJohann Humer, Futterwiesenexperte
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