BauernZeitung: Tierwohl im Geflügelstall ist ein großes Thema. Neubauten von Putenmastställen können eine Investförderung von 35 Prozent erhalten. Erwarten Sie einen Bauboom?
Lukas: Bei Mastgeflügel sind wir zur Versorgungssicherung noch auf Importe angewiesen. Der Selbstversorgungsgrad in Österreich beträgt bei Masthendln etwa 82 Prozent, bei der Pute nur etwa 42 Prozent. So gesehen sind Investitionen in beiden Sparten sinnvoll. Allerdings haben wir die europa- und auch weltweit strengsten Vorgaben in puncto Tierwohl. Damit die Landwirte bei offenen Märkten bestehen können, ist daher finanzielle Hilfe erforderlich. Die erhöhte Investitionsförderung ist deshalb sehr sinnvoll und willkommen. Allerdings werden ab 1. Jänner 2022 Investitionsförderungen für Stallneubauten nur mehr bewilligt, wenn die stationären Heizanlagen mit Bio-Energie betrieben werden. Biomasseheizanlagen bringen zunächst eine höhere Kostenbelastung.
Wie viel kostet ein neuer Putenstall?
In der Vertragsproduktion ist eine Bestandsgröße von 10.000 Tieren anzustreben. Einschließlich der Tierwohlvorgaben, beispielsweise mit der Errichtung eines Wintergartens, kostet so ein Stall aktuell etwa 1,2 bis 1,3 Millionen Euro, wohlgemerkt ohne Heizung. Für eine 300 bis 400 kW-Biomasseheizung sind dann weitere 150.000 Euro zu veranschlagen.
Wie gehen Sie seitens der GGÖ mit dieser neuen Herausforderung um?
Für die GGÖ kann ich festhalten, dass wir diese Herausforderung annehmen. Wir wollen den Vorwärtsschritt machen und raus aus der fossilen Energie. Für uns ist das die richtige Entscheidung im Interesse der Klimaschutzvorgaben. Um das aber umsetzen zu können, braucht es noch weitere Maßnahmen. Ähnlich wie im privaten Wohnbau soll es auch für die Landwirtschaft eine Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energiequellen geben. Da ist die Gesellschaft gefordert. Weiters sollte auch Biogas als erneuerbare Energiequelle anerkannt werden. Und schließlich geht es auch um vor- und nachgelagerte Bereiche. Konsequent wäre es, wenn auch Futtermischwerke und Schlachthöfe diesen Weg gehen.
Im Endeffekt werden das Hendl und die Pute aus Österreich damit wohl teurer.
Können Sie das am Markt auch umsetzen?
Aktuell leben wir eine sehr erfolgreiche Partnerschaft mit dem Lebensmittelhandel. Im Frischbereich vermarket der LEH über 90 Prozent österreichisches Geflügel. Das kommt auch daher, weil die Kunden konsequent nach heimischer Ware verlangen. Bei Geflügel war die Herkunft aus Österreich noch nie wichtiger als heute. Verbesserungsbedarf gibt es allerdings noch beim Einkauf von Großküchen und in der Gemeinschaftsverpflegung. Wir haben dazu seitens der ZAG eine eigene Servicestelle eingerichtet, die Einkäufer der Großküchen neutral berät und – sofern gewünscht – bei der wettbewerbskonformen Ausschreibung des Geflügelfleischeinkaufs unterstützt. Als Tierwohlkriterium ist hier das größere Platzangebot das wichtigste Argument. Bei unserer Produktion in Österreich kommt noch der völlige Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel hinzu sowie die völlige Transparenz im Bereich der Tiergesundheit und der Arzneimittelanwendung. Wir fordern jedenfalls, dass die Mindestbestimmungen des Bundestierschutzgesetzes bei der Haltung von Mastgeflügel auch als Mindestmaß beim Einkauf von Geflügelfleisch und Eiern durch die öffentliche Hand gelten müssen.
Ist dieser Schutz ausreichend, etwa gegen Putenschnitzel aus Polen, Hühnerteile aus der Ukraine oder gar gegen Hendlfilets aus Thailand?
Der Blick ins Tiefkühlregal ist in dieser Hinsicht immer noch ernüchternd. Hühnernuggets oder Putenschnitzel zum „Dauertiefstpreis“ können wir nicht liefern. Immerhin bietet aber die Primär-Zutaten-Verordnung einen gewissen Schutz gegen irreführende Deklaration. Wo „Österreich“ drauf steht, muss zumindest auch die Herkunft der Primärzutat angegeben sein. Das gilt gerade für Fleisch. Die Verordnung schützt uns aber immer noch nicht vor Dumpingpreis-Importen. Im Preiswettbewerb spielen neben den Platzvorgaben für die Tiere auch die unterschiedlichen Lohnkosten eine große Rolle – und in Zukunft sicher auch noch die Energie- und Heizkosten. Dann brauchen wir schon das konsequente Bekenntnis der Politik wie auch der Vermarkter zu den von ihnen selber aufgestellten Regeln – also passend zum Green Deal auch einen Fair Deal. Wenn Europa weg von fossilen Energiequellen will, dann bitte auch bei Importprodukten. Sonst wäre das ja eine Augenauswischerei.
Die Futterkosten sind explodiert, gehen seit einigen Wochen nach oben. Um wie viel teurer muss Geflügelfleisch nun werden?
Das ist eine offene Frage. So gut wir mit dem Lebensmittelhandel auch kooperieren, Preisverhandlungen sind ein schwieriges Thema. Es stimmt, die Notierungen für Weizen und Mais haben sich an den Terminbörsen seit dem August um über 50 (!) Prozent erhöht. Auch beim Eiweißfuttermittel ist die Entwicklung ähnlich. Der GMO-freie Soja-Schrot, den wir verwenden, macht da keinen Unterschied und ist ohnehin kostspieliger. Die Verbraucherpreise für Geflügel müssten also längst steigen. Der Lebensmittelhandel weiß das auch. Wir von der Erzeugerseite konnten uns aber bisher noch nicht durchsetzen.
ZUR PERSON
Markus Lukas (46) führt in Gosdorf im Bezirk Südoststeiermark einen Geflügelmastbetrieb mit 52.000 Hühnern. Der gelernte Tischlermeister bezeichnet sich als „Quereinsteiger“ in die Landwirtschaft. Mit Bodenheizung und Klimatisierung sowie sehr großzügigen Besatzdichten verwirklicht er in seinem Betrieb höchste Tierwohlstandards. In der Berufsvertretung ist Lukas seit Kurzem Landeskammerrat und seit zwei Jahren Obmann der Geflügelmastgenossenschaft Österreich (GGÖ).
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