Österreich soll bis 2030 (bilanziell) zu 100 % mit Strom aus Erneuerbaren versorgt werden, so das ambitionierte Ziel des 2021 verabschiedeten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG). Photovoltaik soll bis 2030 dazu gut 13 Mrd. kWh pro Jahr zum Strommix beitragen, statt bisher 1,8 Mrd. kWh. Der an der Universität für Bodenkultur eigens initiierte „Boku-Energiecluster“ unter Federführung von Prof. Gernot Stöglehner erachtet zur Erreichung dieser Ziele auch Freiflächenanlagen als notwendig. Zwar haben die österreichischen Dach- und versiegelten Flächen ein technisches Potenzial von über 15 Mrd. kWh, so die Botschaft der Wissenschafter, bis 2030 sei aus diesen Ressourcen jedoch nur eine Jahresproduktion von 4 Mrd. kWh möglich. Zentrale Hemmschuhe dabei seien die realisierbare Ausbaugeschwindigkeit sowie Limitationen im Verteilnetz. „Freiflächenphotovoltaik ist notwendig, um die benötigten Strommengen bereitstellen zu können und um unabhängig von (fossilen) Energieimporten zu werden“, so das Fazit an der BOKU Wien.
Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld aus neuen Flächenerträgen aus PV und dem Erhalt der Urproduktion.
– Kasimir Nemestothy
Für die Landwirtschaft eröffnet sich damit ein Konkurrenzfaktor zur Lebensmittelproduktion. „Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld aus allfällig möglichen neuen Flächenerträgen für Photovoltaik-Anlagen und der Erhaltung der ertragreichen Acker- und Grünlandflächen für die Urproduktion“, erklärt Kasimir Nemestothy, Referatsleiter für Energie in der Landwirtschaftskammer Österreich. Aus bäuerlicher Sicht müsse es das Ziel sein, „die besten landwirtschaftlichen Böden in einer Gemeinde bei der Standortwahl für Photovoltaik-Freiflächenanlagen erst gar nicht in Betracht zu ziehen“ und die insgesamt dafür in Anspruch genommene landwirtschaftliche Fläche so gering wie möglich zu halten, so Nemestothy.
Mögliche Systeme
Die derzeit gängige Variante der PV-Freiflächenanlagen stellt die Elektrizitätsgewinnung in den Vordergrund. PV-Module können dabei starr montiert, pultartig nach Süden ausgerichtet oder dachartig in Ost-West-Richtung aufgestellt werden. Allen Systemen ist gemein, dass die Unternutzung, ungeachtet der Bodengüte, nur noch einen Nebeneffekt darstellt. Zumeist erfolgt eine extensive Beweidung durch Schafe, um den Grünlandaufwuchs zu nutzen, die landwirtschaftliche Wertschöpfung pro Fläche bleibt genauso gering wie der erzielbare Ertrag. Die energetische Leistung konventioneller Freiflächenanlagen liegt je nach Anlagentyp bei 700 bis 1.100 kWp je Hektar.
Anders soll das bei den intensiv beforschten Agri-PV-Anlagen sein. Dort stehen Stromerzeugung und landwirtschaftliche Nutzung gleichermaßen im Fokus. Erprobt und teilweise auch bereits praktisch umgesetzt wird Agri-PV im Acker-, Gemüse- und Feldfutterbau, aber auch im Obst- und Weinbau und im Dauergrünland. Genutzt werden dabei unterschiedliche Systeme. Etwa die bodennahe Installation vertikaler, sogenannter bifazialer Module, welche auf beiden Seiten mit Kollektoren ausgestattet sind. Die Bewirtschaftung erfolgt zwischen den Reihen, nur der schmale Streifen der Konstruktion bleibt ungenutzt. Ähnlich verhält es sich bei am Boden aufgeständerten Systemen.
Eine andere Variante sind hochaufgeständerte Anlagen, die in einer Höhe von 2 bis 8 Metern auf einer Stahlkonstruktion montiert werden. Die landwirtschaftliche Nutzung findet unter den Modulen statt und ist sowohl im Acker- und Gemüsebau als auch im Obst- und Weinbau möglich, wobei spezielle Module auch die Funktion eines Hagelschutznetzes übernehmen können. Bei allen Agri-PV-Anlagen sind die Reihenabstände der Konstruktion an die Durchfahrtsbreiten der Maschinen anzupassen. Bei Überkopf-Montage ist zusätzlich die Gesamthöhe zu beachten.
Doppelnutzung benötigt mehr Fläche
All das stellt besondere Anforderungen an Statik und auch Wirtschaftlichkeit von Agri-PV. Beispielsweise muss trotz der Module noch genügend Wasser und Licht die Kulturpflanzen erreichen. Wirtschaft und Wissenschaft beforschen die Systeme intensiv, so werden mittlerweile auch röhrenförmige Module angeboten, in Japan werden besonders schmale Module, die mehr Lichteinfall zulassen, bereits in der Praxis eingesetzt. Was die Stromerzeugung betrifft, beziffert das deutsche Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hochaufgeständerte Anlagen mit einer Leistung von 500 bis 800 kWp je Hektar, bodennahe Systeme hingegen nur mit 250 bis 400 kWp je Hektar. Somit ergibt sich gegenüber klassischer Freiflächen-PV ein größerer Flächenbedarf von 40 % bis zu zwei Drittel der gebundenen Fläche.
Wirtschaftlichkeit gegeben?
Die Rentabilität von Freiflächen-PV-Anlagen beziffert das renommierte deutsche Thünen-Institut im Vergleich zur „einfachen“ landwirtschaftlichen Nutzung in etwa mit einem Mehrwert um den Faktor 20. Laut den deutschen Forschern werden jedoch gut 19 bis 42 % der jährlichen Einnahmen für Betriebs- und Instandhaltungskosten gebunden. Auch die Kosten von Agri-PV variieren stark und hängen unter anderem von Faktoren wie der installierten Leistung, der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, der Lage sowie der verwendeten Modultechnologie ab. Die Anschaffungskosten sind in der Regel höher als die einer konventionellen Freiflächenanlage, was mit der höheren und aufwendigeren Unterkonstruktion zu begründen ist. Wissenschaftliche Untersuchungen im In- und Ausland zeigen in mehrjährigen Reihenkulturen Kostenvorteile, da die Pfosten der Unterkonstruktion ohne einen nennenswerten Verlust von Anbaufläche in die Reihen integriert werden können. Im laufenden Betrieb gehen die Experten des deutschen ISE von leichten Kosteneinsparungen im Vergleich zu Freiflächenanlagen aus, da die Pflege der Fläche unter den Modulen bereits bei der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung erledigt wird.
Differenzierte Förderung im EAG
Auch wenn die Dynamik der Strompreise zuletzt die Lukrativität steigerte, ist die Wirtschaftlichkeit nicht zuletzt von Förderleistungen abhängig. Das EAG begünstigt dabei Agri-PVAnlagen gegenüber klassischen Freiflächensystemen. Denn für zweitere wird der PV-Fördersatz nur um ein Viertel reduziert ausbezahlt. Die Fördersätze werden dabei jährlich fixiert und per Verordnung über Fördercalls vergeben. Für 2023 liegen bei Redaktionsschluss noch keine Zahlen vor.
Kein juristischer Spaziergang
Für die Errichtung von Agri- und Freiflächen-PV-Anlagen gilt es eine Fülle von Anforderungen im Elektrizitätsrecht, in der Bau- und Raumordnung sowie im Naturschutzrecht einzuhalten. Diese sind in den neun Bundesländern unterschiedlich streng ausgelegt. So ist etwa ab einer (meist schon geringen Größe) eine Sonderwidmung und auch eine Analyse der Umweltwirkungen nötig. Einzig in der Steiermark wird in der Raumordung bereits zwischen Freiflächen-PV und Agri-PV differenziert. Bis zu einer Größe von 0,5 Hektar ist dort für eine Agri-PV-Anlage keine Sonderwidmung nötig, bei Freiflächen-PV ist diese mit 400 m2 Bruttofläche begrenzt.
Vorsicht bei Verpachtung an Dritte
Regional stellt die Zurverfügungstellung von Flächen für PV-Anlagenbetreiber außerdem eine Option dar. Dann sind aus Sicht der LK wesentliche Punkte zu beachten. Harald Posch, Rechtsreferent der LK Steiermark klärt auf: „Unter optimalen Bedingungen werden bis zu 8.000 Euro netto je Hektar sowie 8 Euro je kW-Peak geboten.“ Trotzdem sei bei der Unterzeichnung von den meist komplexen Vertragskonvoluten Vorsicht geboten. So sei neben der Flächennutzung auch die Leitungsverlegung oder Wegenutzung gesondert abzugelten. Zusätzlich seien die steuerlichen Auswirkungen zu beachten und die Erhöhung der Abgabenbelastung zu berücksichtigen, die den Grundeigentümer betreffen. Posch rät interessierten Landwirten jedenfalls zu einer steuerlichen Beratung. Zusätzlich sei eine juristische Beratung sinnvoll. „Die LK-Steiermark stellt auch einen Mustervertrag zur Verfügung“, so Posch.
Nähere Informationen zu den Musterverträgen: LK Steiermark
- Bildquellen -
- : NEXT2SUN GMBH
- : Fraunhofer ISE