Ebergeruch bei Schweinefleisch ist ein absoluter Appetitverderber – die bäuerliche Schweinehaltung in Österreich steht vor der Herausforderung, qualitativ hochwertige Produkte zu liefern und zugleich Eingriffe am Tier, im Besonderen die Kastration männlicher Schweine, zu vermeiden oder möglichst schmerzfrei durchzuführen. Mit dem ab 1. Jänner 2019 in Deutschland beabsichtigten Verbot der Kastration ohne Betäubung rückt dieses Thema erneut in den Mittelpunkt des Interesses. Im Rahmen der Veranstaltung “LK-Klartext kompakt” am 27. Oktober in Wien, hat die Landwirtschaftskammer Österreich den Stand der Diskussion zwischen Wissenschaft, landwirtschaftlicher Praxis, Politik, Tierschutz und Interessenvertretung aufgezeigt.
Unter dem Thema “Gute Zukunft für Ferkel und Bauer – Tierwohl und Wirtschaftlichkeit verbinden” diskutierten und informierten:
• Nicolaj Christoffersen, Director of the Pig Meat Section, Danish Agricultural Council,
• Dr. Tanja Kreiner, LK Steiermark, Tierärztin, Styriabrid,
• Johann Kaufmann, Geschäftsführer Fleischhof Raabtal und
• Hermann Schultes, Präsident der LK Österreich
Moderiert hat die Veranstaltung Max Hörmann, LK Österreich.
Wichtig ist auch, was China und Japan fordern
Nicolaj Christoffersen charakterisierte die dänische Schweineproduktion mit einem Bestand von rund 30 Millionen Tieren und einem jährlichen Produktionsvolumen von rund zwei Millionen Tonnen Fleisch. Etwa 90 Prozent des Produktionsvolumens werden exportiert. Laut Christoffersen ist es in seinem Land seit dem Jahr 2009 vorgeschrieben, die Kastration unter medikamentöser Schmerzlinderung durchzuführen. Mit Skepsis sieht der Schweinefachmann nationale Alleingänge, wie sie nun etwa Deutschland vorhat. Es bleibe abzuwarten, wie Deutschland das neue Kastrationsregime tatsächlich umsetze. Beispielsweise könnte die in Zukunft deutlich kostspieligere Kastration in Deutschland dazu führen, dass verstärkt Ferkel aus anderen EU-Ländern zugeführt werden. Für exportorientierte Schweineproduzenten seien immer auch die Anforderungen der Abnehmer maßgeblich. So seien im wichtigen asiatischen Raum (China, Japan) Ebergeruch und Rückstände von Arzneimitteln, wie etwa zur immunologischen Kastration, verpönt. Mit Nachdruck plädierte Christoffersen für eine gesamteuropäische Lösung der Problematik.
Neues Verfahren – Schmerzausschaltung mittels einer Salbe
Tierärztin Tanja Kreiner von der Erzeugergemeinschaft Styriabrid hat erläutert, dass es zu dem seit dem Jahr 2011 in Österreich auf freiwilliger Basis praktizierten Schmerzmitteleinsatz vor der Kastration keine praxistauglichen Alternativen gibt. Narkoseverfahren, Ebermast oder Immunokastration würden keine entscheidende Verbesserung des Tierwohls bringen, wären zum Teil mit neuen Gefahren für die Landwirte verbunden und zudem kostspieliger. Eine neue Lösung brachte die Tierärztin mit einem schmerzlindernden und lokal narkotisierenden Präparat in die Diskussion ein. Das Mittel namens “Lidocam” habe sie in Kanada entdeckt, wo es ein Veterinär entwickelt habe. Es handle sich um ein Gel, dass auf die Operationsstelle aufzutragen sei und sehr gut den Anforderungen in puncto Tierwohl entspreche. Auch von den Kosten her könnte das Verfahren tragbar sein.
“Stinker” wären ein großer Schaden für den Fleischverzehr
Für die “rote Seite” betonte Johann Kaufmann, Fleischhof Raabtal, dass auch seine Sparte ständig an Verbesserungen des Tierwohls arbeite. Beim Thema Kastration sei es besonders wichtig, auf die Bedürfnisse der Konsumenten zu achten. Kaufmann plädierte dafür, die Kastration mit Schmerzlinderung beizubehalten. Nur so sei gewährleistet, dass keine “Stinker” auf den Markt kommen. Ebermast oder Hormonbehandlungen halte er in der heimischen Betriebsstruktur für undurchführbar.
Schultes: “Schmerzlinderung in Bauernhand weiterentwickeln”
Seitens der bäuerlichen Interessenvertretung stellte LK Österreich-Präsident Hermann Schultes fest, dass Gesellschaft und Konsumenten an die bäuerliche Tierhaltung höchste Ansprüche stellen. Die Schweinehaltung solle artgerecht sein, Eingriffe beim Tier ohne Schmerzausschaltung würden ebenso abgelehnt, wie der Einsatz von Gentechnik oder Hormonen. Das Fleisch müsse natürlich, von hoher Qualität, leistbar und fehlerfrei sein. Ebergeruch würden 96 Prozent der Kunden strikt ablehnen. All diese Ansprüche seien verständlich und gerechtfertigt. Daher hat die heimische Landwirtschaft schon frühzeitig den Weg in Richtung mehr Tierwohl und mehr Qualität beschritten, wie die seit 2011 freiwillig praktizierte Anwendung von Schmerzmitteln bei der Kastration zeige. Schultes plädierte dafür, diesen Weg fortzusetzen und das Verfahren der Schmerzlinderung in Bauernhand weiterzuentwickeln.