Besonders Mais- und Weizenlager treiben den Händlern Sorgenfalten auf die Stirn.

Wenige Wochen bevor hierzulande wieder die Mähdrescher anrollen trübt sich die Situation am Getreide-Weltmarkt weiter ein. An der Wiener Produktenbörse wurde Mahlweizen vergangene Woche für lediglich 205 Euro je Tonne netto gehandelt. Mais für Futterzwecke notierte gar nur noch mit 200 Euro die Tonne. Beide Güter bewegen sich damit auf dem Niveau vom Frühling 2021.

Hohe Lagerbestände

„Der Erfassungshandel steht derzeit vor dem Problem, dass immer noch alte Ware liegt“, erklärt Hannes Mosonyi, Obmann des burgenländischen Agrarhandels und selbst Betreiber eines solchen. „Die guten Ernteprognosen tun ihr Übriges um die Lagerproblematik zu verschärfen“, zeigt sich der Burgenländer besorgt. Den Grund für die hohen Lagerbestände sieht der Wirtschaftskammerfunktionär in den sogenannten Solidarity Lanes, also jenen Transportrouten, die der Ukraine nach Beginn des russischen Angriffskriegs und der Blockade der Schwarzmeerhäfen weiterhin einen Export ihrer Agrargüter in den globalen Süden ermöglichen hätten sollen. Diese sorgten in den vergangenen Wochen in den östlichen EU-Staaten schon für reichlich Zündstoff und beschäftigen derzeit auch die politischen Entscheidungsträger in Brüssel.

80 Euro je Tonne Weizen und Mais

„Das Problem besteht darin, dass das Getreide nicht wie vorgesehen nach Afrika gelangt“, wie Mosonyi vergangene Woche in einer eigens einberufenen Sondersitzung des burgenländischen Agrarhandels mit der Landwirtschaftskammer Burgenland erklärt. Mangels rechtlicher Einschränkungen sei es nämlich durch die völlige Zollfreiheit möglich, dass auch hiesige Händler ukrainische Ware aufkaufen, so der Fürsprecher der 153 burgenländischen Agrarhandelsbetriebe. Diese besticht durch einen unschlagbar günstigen Preis. „80 Euro für die Tonne Weizen oder Mais zuzüglich Transportkosten“, nennt er als Größenordnung. Die Ukraine müsse derzeit so günstig verkaufen, denn sie braucht Devisen, ist Hannes Mosonyi überzeugt.

„Ich finde für meinen Mais derzeit schlicht keinen Käufer“

Für ihn hat das aber, abseits der nach unten rasselnden Börsenkurse schon Auswirkungen auf das Tagesgeschäft. „Ich finde für meinen Mais derzeit schlicht keinen Käufer“, beklagt der Unternehmer. Jenen („größeren“) Berufskollegen in Handel und Verarbeitung, die Ware aus den Solidaritätsrouten erworben haben, macht er jedoch keinen Vorwurf: „Sie haben ja nichts Verbotenes getan, vielleicht etwas Unanständiges.“ Die Auswirkungen bekommen jedoch nun alle Beteiligten zu spüren, letztlich auch die Bauern. In Gesprächen mit Insidern wurde Mosonyi nämlich schon ein Erzeugerpreis für die Tonne Gerste der neuen Ernte genannt: Gerade einmal 100 Euro netto je Tonne.

Summe ungünstiger Faktoren

Auf Nachfrage bei „den Großen“ sieht man die Situation naturgemäß differenzierter. Der größte Händler für Agrargüter im Land – die Raiffeisen Ware Austria – teilt per Aussendung mit, dass sich derzeit „mehrere ungünstige Faktoren“ summieren. „Die aktuelle Marktsituation ist für alle Beteiligten sehr herausfordernd“, pflichtet auch Andreas Jirkowsky, Bereichsleiter landwirtschaftliche Erzeugnisse in der RWA-Zentrale in Korneuburg bei. Die massiven Preisanstiege aufgrund großer Unsicherheiten Vorjahr, eine gute Ernte in Russland, inflationsbedingte Verbrauchsreduktion im Westen und Notverkäufe im Osten, all das mache in Summe derzeit den gefährlichen Cocktail auf den internationalen Getreidemärkten aus. „Russland verkauft seine Rekordernte vom Vorjahr zu Dumpingpreisen an die Zuschussmärkte im nordafrikanischen, arabischen und südostasiatischen Raum. Dadurch ist der Weizen aus den EU-Ländern nicht mehr wettbewerbsfähig“, macht Jirkowsky den Hauptverursacher des derzeitigen Preisverfalls in Moskau aus.

Der geringere Verbrauch in Westeuropa komme als weiterer Hemmschuh hinzu. Tatsächlich meldet die Agrarmarkt Austria ein Minus von vier Prozent bei der Mehlproduktion, in der übrigen Verarbeitung ist es gut ein Zehntel weniger als im Vorjahr. Die hohen Zinsen von acht bis 17 Prozent führen in Zentraleuropa außerdem zu vermehrten „Notverkäufen“, heißt es aus Korneuburg.

“Kaum Bewegung” am Markt

Unterm Strich leide jedenfalls auch die RWA unter der derzeitigen Situation. „Nicht weil wir so viel Getreide aus der Ukraine auf Lager haben, wie oft kolportiert wird, sondern, weil der Markt kaum Bewegung zeigt“, so Jirkowsky und beruhigt: „Das kann sich aber auch schnell wieder legen.“ Zur Marktlage für die neue Ernte möchte man sich vorerst aber noch nicht festlegen. Spartenobmann Mosonyi sieht nun jedenfalls die Entscheidungsträger in Brüssel gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen für den Getreideimport zu schaffen. „Das Getreide muss ankommen wo es auch gebraucht wird“, ist er überzeugt. Auch Bereichsleiter Jirkowsky teilt mit, man werde alle Maßnahmen bereitwillig unterstützten, welche bezüglich der Solidarity-Lanes „gefordert“ werden.

- Bildquellen -

  • Getreideverladung: X. BEGUET- Panorama -stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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