Die BauernZeitung hat den Lintrac 110 über mehrere Wochen getestet. Mit niedrigem Schwerpunkt und Hinterachslenkung positioniert er sich zwischen Standard-, Mähtraktor und großem Hoflader. Dank seiner Elektronikoptionen hat er darüber hinaus Potenzial für „mehr“.

Otto Krönigsberger

Beim Lintrac 110 führen lediglich drei Stufen in die Kabine, deren ebener Boden nur etwas über einen Meter über dem Fahrbahnniveau ist – und das mit serienmäßiger mechanischer Kabinenfederung. Die “TracLink-Komfortkabine” entspricht der Schutzkategorie 2 (gem. EN 15695-1:2009), erscheint funktionell, stabil und durch unverkleidete lackierte Rahmenteile auf den ersten Blick spartanisch. Es ist nicht die rundum gepolsterte, weich gefederte Kabine eines “schaukelnden Faserschmeichlers”, sie passt aber sehr gut zum kernigen, ehrlich-schnörkellosen Eindruck, den der Tiroler Traktor mit 113 PS Nennleistung vermittelt. Eine Vorderachsfederung (im Testtraktor nicht vorhanden) ist für den Lintrac auf Wunsch erhältlich. Mit einem schweren Anbaugerät im Heck beruhigt die EHR-Schwingungstilgung auch ohne Vorderachsfederung Fahrten auf unebenem Terrain auffallend gut. Die Geräuschkulisse im Fahrerhaus wird nie unangenehm laut, doch die Maschine „sagt einem, was Sache ist“. Der Beifahrersitz ist in den Fahrzeugpapieren eingetragen.
Die Frontscheibe kann man – wie die Heckscheibe und die Seitenfenster – weit öffnen, die rahmenlose Scheibe bewegt sich dann samt mitgeschwenktem Scheibenwischermotor im Rhythmus der Schlaglöcher. Die Rundumsicht ist grundsätzlich sehr gut, auch auf den hinteren Anbauraum und durch das lange Dachfenster auf den ausgehobenen Frontlader. Bei Ausstattung mit vier Ölleitungen zum Frontbereich ist allerdings der Blick auf die Koppelpunkte der Fronthydraulik etwas erschwert. Etwas stören können auch die Reflexionen der silbrig-glänzenden Applikationen des Lenkrads in der Windschutzscheibe.
Wie schon beim Geotrac macht das helle, im IBC abschaltbare Tagfahrlicht den Lintrac von Weitem erkennbar. Die LED-Arbeitsscheinwerfer unseres Testtraktors erhellen die nähere Umgebung des Fahrzeugs effektiv. Auch die Rückleuchten sind in LED-Technik ausgeführt.

Bedienzentrale IBC

Quelle: Krönigsberger
Kabine mit der IBC-Bedienzentrale (l.) und dem Bedienpult (r.) für die Hinterradlenkung

Die zentrale Anzeige erfolgt über den Farbbildschirm des Lindner IBC, des „Intelligenten Bord Computers“. Anstatt einzelner Zeigerinstrumente oder Funktionskontrolllämpchen stellt er je nach Situation unterschiedliche Symbole oder Anzeigeoptionen am (Haupt-) Bildschirm dar – ganz wichtige Warnungen sogar bildschirmfüllend rot blinkend. Mittels Drehrad und sechs Funktionstasten lassen sich zusätzliche Anzeigenebenen mit Untermenüs aufrufen. Ein sequenzieller Schnellzugriff auf die Bildschirmmenüs ist (übrigens mit spürbarer Zeitverzögerung) ebenso über die Armlehne möglich. Weiters ist der Großteil der über 50 Bedienelemente in der Kabine so vernetzt, dass der IBC ihre Funktionen anzeigt.
Um leichter der Vielzahl an Bedienköpfen auf der seitlichen Bedienkonsole und auf der Bedienarmlehne mit Joystick Herr zu werden, bietet der IBC graphisch schön aufgearbeitete Kurzbedienungsanleitungen, die jederzeit direkt am Bildschirm abrufbar sind und alle wichtigen Traktorfunktionen bis hin zum Stationärbetrieb beschreiben. Last but not least erlaubt der Lindner IBC auch, umfangreiche Diagnosefunktionen sowie Grundeinstellungen, z.B. Anpassungen der Impulsausgaben für Isobus vorzunehmen.
Anfangs traut man diese Komplexität dem Lintrac kaum zu und fühlt sich vielleicht sogar fast überfordert von der Vielfalt an Einstelloptionen, die man bei Getriebe, Hydraulik, Lenkung etc. nach und nach entdeckt – bis man die Bedienstruktur durchblickt und feststellt, dass die Bedienung dieses wahrscheinlich wirklich „intelligentesten Traktors seiner Klasse“, wie es Lindner verspricht, mittels LDrive und Menüseiten sehr gut gelöst ist. Dann kann so etwas wie Begeisterung aufkommen. Ein international betrachtet kleiner österreichischer Hersteller zeigt es den Global Playern. Nur eine Kleinigkeit kann man kritisieren: Der Monitor bzw. die Schrift in einigen Untermenüs könnte für eine verbesserte Lesbarkeit auf unebenem Terrain größer sein.

Antriebsstark

Die einteilige Motorhaube erlaubt guten Zugang zu den Wartungspunkten.

Mit etwa sechs bis sieben Litern Diesel pro Stunde erledigte der Lintrac die leichteren Aufgaben. Mit zügiger Beschleunigung steigt die Fahrgeschwindigkeit kontinuierlich ohne spürbaren Ruck, flott erreicht der Lintrac seine 43 km/h-Höchst­geschwindigkeit. Der Motor hat, auch durch das sehr gute Motor-Getriebe Management, jederzeit die Maschine „im Griff“ und versorgt auch an der Zapfwelle Geräte mit ordentlichem Anlaufdrehmoment.
Arbeitet man im Automatikmodus etwa zwischen 11 und 15 km/h, dann wird gelegentlich die Fahrbereichsumschaltung bei rd. 12 bis 14 km/h spürbar. Um unnötig häufige Fahrbereichswechsel zu unterbinden, ist das Getriebe im Kriechgangbetrieb elektronisch auf den unteren Fahrbereich sperrbar.
Für sehr schwere Zugarbeiten gibt´s beim Lintrac 110 eine „High Traction“-Getriebeuntersetzung mittels mechanischem Bedienhebel rechts vom Fahrersitz. Im komfortablen „LDrive-Modus“, in dem Fahrpedal und Bremsen die per LDrive-Drehregler gewählte Geschwindigkeit übersteuern, “denkt” der Traktor permanent mit: Bremst man z. B. bei aktiviertem Tempomat um weniger als 15 km/h ab, so übernimmt der Traktor die neue Tempomatgeschwindigkeit, bremst man um mehr als 15 km/h ab, so deaktiviert das den Tempomaten und LDrive.
Fahren kann man unter Nutzung der sinnvollen Automatikfunktionen sehr gut, auch ohne sich in den Menüs zu verzetteln. Aber versierten Fahrern steht mit ihnen ein tiefgreifendes Optimierungspotenzial für spezielle Arbeiten zur Verfügung.
Um beim Bergabfahren die Motorbremswirkung nutzen zu können, gibt es den „Freeze Taster“ im Fußraum zwischen Kupplungs- und Bremspedal. Damit lässt sich eine bestimmte Getriebeübersetzung kurzfristig „einfrieren“, so als ob der Traktor in einem fixen Gang wäre.

Lenkt auch hinten

Separates Bedienpult für die Hinterradlenkung

Eine wirkliche Besonderheit ist als Wunschausrüstung die mitlenkende Hinterachse – mit der bisher auch der Großteil der Lintracs bestellt wurde: die Hinterräder schaffen beiderseits, nur durch Spurbreite und Rädergröße limitiert, bis zu 20 Grad Lenkwinkel. Bei unserem Testtraktor mit einer Spurweite von 179 cm und 540er Bereifung waren immerhin 15 Grad möglich.
Die lenkbare Hinterachse eröffnet interessante Lenkoptionen (die nur bis 20 km/h voll verfügbar sind):
• Automatisches, zur Vorderachse gegenläufiges Einschlagen erlaubt im Lenkprogramm „4-Radlenkung“ einen um bis zu zwei Meter engeren Wendekreisdurchmesser von rd. acht bis neun Metern. Die Lenkung ist auch ein großes Plus fürs Reversieren von Zweiachs-Hängern in beengten Platzverhältnissen. Im Grünland wird zudem die Grasnarbe geschont, da auch mit aktiviertem Allradantrieb kaum Verspannungen im Antrieb auftreten. Über 20 km/h reduziert die Elektronik in diesem Modus den Lenkeinschlag der Hinterachse, ab 30 km/h läuft diese nur mehr gerade mit, kommt man wieder unter 20 km/h, ist wieder ihr voller Einschlag verfügbar. Auf das Arbeitsgerät und die 3-Punktaufhängung können dadurch intensivere seitliche Kräfte als beim Standardtraktor einwirken.
• Im „Mähbetrieb“ lenkt die Hinterachse erst ab 15 Grad Lenkwinkel der Vorderachse mit, um eine spurtreue Geradeausfahrt zu erleichtern und am Vorgewende enge Wendevorgänge zu unterstützen.
• Im „Hundegang“ lenken die Hinterräder gleichläufig mit den Vorderrädern, das resultiert in „Diagonalfahrt“ oder spurversetztem Fahren.
• Die Zusatztaste „Schneekettenbetrieb“ reduziert den Hinterradlenkwinkel um fünf Grad, damit genug Freiraum zu den Kotflügeln bleibt.
• Schließlich kann der Fahrer die Stellung der Hinterräder dauerhaft verstellen, ebenso wie er den Nullpunkt der Hinterräder anpassen kann – gerade auch am Hang kann es nützlich sein, wenn die Hinterräder permanent leicht „gegenlenken“.
Etliche weitere Funktionen wie die programmierbare Frontgeräteentlastung, Front- und Heck-EHR mit „Automatic Hitch Control“, Zapfwellenmanagement mit einstellbaren Ein- und Ausschalthöhen etc. zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Gleiches gilt für die unter dem Oberbegriff “TracLink” verfügbaren Telematikfunktionen. Mehr Infos unter www.lindner-traktoren.at/landwirtschaft/lintrac/lintrac-110

Weitere Bilder zum Traktortest finden Sie in der Fotogalerie.

Otto Krönigsberger ist Landwirt in Niederösterreich.

Die Lintrac-Modelle
2014 kam als erstes Modell der stufenlose Lintrac 90 auf den Markt, vor rund zwei Jahren folgte der Lintrac 110. Er ist ebenso stufenlos, hat aber eine höhere Motorleistung, eine höherwertige Kabine, einen verstärktem Getriebe-Hinterachsblock, größere Hubkraft und um gut eine halbe Tonne mehr Gewicht. Seit Kurzem gibt es Lintracs mit 16/8-Gang-2-fach-Lastschaltgetriebe von ZF. Die Lintracs 95 LS und 115 LS treibt ein neuer Perkins-3,6 Liter-Motor der Abgasstufe 5 an. Vom Nachfolger des Geotrac 134ep, dem neuen stufenlosen Flaggschiff Lintrac 130, ebenfalls bereits mit dem 3,6-l-Motor und Abgasstufe 5, laufen erste Serienmodelle in der Praxis. Damit überspringt Lindner die Abgasstufe 4 und setzt gleich auf SCR-Technologie mit AdBlue.

Limitierungen
Die maximale Vorderachslast des Lintrac 110 beträgt 3.000 kg. Daraus resultiert vorne bei Ausstattung mit Frontladerkonsole, Fronthubwerk und -zapfwelle deutlich unter eine Tonne Nutzlast. Die maximale Hinterachslast beträgt immerhin 5.000 kg.
Der besonders niedrige Schwerpunkt ergibt eine relativ kleine Bodenfreiheit, nur etwa 36 cm bleiben unter der Frontladerkonsole. Unter dem Getriebe laufen vier ungeschützte Hydraulikleitungen mit kaum 40 cm Bodenfreiheit, wodurch etwa im Forsteinsatz Vorsicht geboten ist. Hier ist ab Werk ein Forst-Unterbodenschutz erhältlich.
Ebenfalls knapp kann es in Kombination mit einem älteren Mähwerk werden: Die Schutz-Verkleidung ließ keinen Platz, die Hinterachslenkung zu aktivieren.

Wartung/Service
Lindner hat es geschafft, in einer relativ kompakten, hervorragend illustrierten Betriebsanleitung auf nur 268 Seiten in gut lesbarer Schrift alle wesentlichen Infos für Fahrer, Service und Hilfe bei Fehlermeldungen darzustellen. Kein Problem gibt es bei den alle 50 Stunden zu schmierenden Nippeln, die Schmierpunkte sind auf der Klappe des (gekühlten) Staufachs in der Kabine und noch besser in der Betriebsanleitung graphisch dargestellt.
Die Wechselintervalle sind im üblichen 250/500/1000 Stunden-Schema, möglichst mit vom Hersteller vorgesehenen Betriebsstoffen. Lindner gibt weiters vor, die größeren Services nur unterstützt durch das Lindner-Diagnosegerät am Traktor durchzuführen bzw. zu bestätigen.
Von der automatischen Regenerierung des Partikelfilters ist im Normalbetrieb kaum etwas zu bemerken, im Fall des Falles kann man per Schalter auch eine manuelle Regenerierung auslösen oder eine solche zum unpassenden Zeitpunkt (z. B. im Stadel) unterbinden.
Während unseres mehrwöchigen Tests mit Schwerpunkt Grünland/Landschaftspflege gab es keinerlei mechanischen Probleme. Zweimal erschienen kurzzeitig Fehler-Warnanzeigen, die nach dem Motor-Neustart wieder verschwanden – hier also alles im grünen Bereich.

FAZIT

Der Lintrac ist ein besonders interessanter Kandidat für den Grünland-, Kommunal- und Sonderkultureinsatz, wo der kompakte Tiroler Stufenlostraktor seine Potenziale und Stärken hinsichtlich niedrigem Schwerpunkt, Allradlenkung, effizientem Motor-Getriebe-Management und starken Hydraulikfunktionen in Kombination mit den herausragenden Elektronikoptionen ausspielen kann. Bedienung und Einstellvarianten erscheinen anfangs kompliziert, sind aber gut strukturiert und erlauben hervorragende Optimierungsschritte auf außergewöhnliche Aufgaben. Mit den TracLink-Paketen stehen darüber hinaus zukunftsweisende Telematikanwendungen bis hin zum teilautonomen Fahren zur Verfügung.

Alle Technischen Daten im Überblick

Quelle: Krönigsberger
Abmessungen und Gewicht des Lintrac 110

Motor/Abgasreinigung
• 4-Zylinder aus der Kooperation von Perkins mit FPT mit 3387 cm³ Hubraum und 16 Ventilen
• Abgasnorm Stage 3B mit Partikelfilter, Dieseloxidationskatalysator und EGR, ohne AdBlue
• Nennleistung: 113 PS (83 kW)
• Maximales Drehmoment (bei 1400 UpM): 450 Nm
• Treibstofftank: 125 Liter; Schwefelanteil im Diesel soll unter 15 ppm liegen, nur Diesel gem. EN 590 erlaubt
• Motorölwechsel: 6 Liter nach 250 und dann alle 500 Std. mit Lindner Spezifikation MTX-4, Speicherung der jeweils verwendeten Ölqualität mit Lindner-Diagnosewerkzeug erforderlich
• Filterwechselintervalle 250/500/1000 Stunden, Durchführung ist von autorisierter Werkstatt mittels Lindner–Diagnosewerkzeug zu quittieren
• Schmierintervall 50 Std.
• Lichtmaschine mit 100 A Leistung

Stufenloses Getriebe Terramatic TMT11 von ZF
• Zwei automatisch nahezu ruckfrei wechselnde mechanische Fahrbereiche (Doppelkupplung) vorwärts, einer für retour. 0,4 – 43 km/h vorwärts (Kriechgangmodus: 0,2 – 20 km/h), retour: 0,2 – 20 km/h, kein echter aktiver Stillstand. Nach Richtungsvorwahl bewegt sich der Traktor ohne Betätigung des Bremspedals mit der Mindestgeschwindigkeit
• Vier programmierbare Fahrmodi
• 43 km/h Endgeschwindigkeit mit reduzierter Motordrehzahl je nach Leistungsbedarf ab 1750 UpM.
• Max. Anhängelast gebremst: 32.000 kg; ungebremst: 2.990kg

Zapfwelle/Hydraulik
• 4 Geschwindigkeiten wählbar: 430, 540, 540E und 1000 UpM; elektronisch gesteuert und überwacht mit lastabhängigem Sanftanlauf und Abwürgeschutz; beiderseitige Kotflügelschalter.
Optionen vorne: 1000er Zapfwelle, Front-EHR und maximal 2 zusätzliche mengen- und zeitprogrammierbare Proportionalventile
• Heck-EHR Cat II
• Maximal 4.900 kg Hubkraft im Heck in den Koppelpunkten mit der 88 Liter/min Load Sensing-Axialkolbenpumpe, wobei max. Hinterachslast 5.000 kg und 8.000 kg max. Gesamtmasse
• Fronthubwerk in mehreren Varianten, betätigt vom einfachwirkenden Steuergerät bis zur Front-EHR mit Funktionen wie Heck-Dreipunkt
• Hubkraft Front (Cat. II oder Cat. I): achsgeführtes Hubwerk: max. 1800 kg, rumpfgeführtes Hubwerk: max. 2500 kg, wobei max. 3000 kg Vorderachslast
• Proportionaler Joystick mit zuweisbaren Funktionen für die maximal 5 elektrohydraulischen Steuergeräte
• Bis zu zwei elektrische Steuergeräte sind an den Kotflügeln auch extern
bedienbar
• Getrennte Ölhaushalte Getriebe (42 Liter) und Hydraulik (50 Liter)
• Entnehmbare Ölmenge: 25 Liter

 

 

 

- Bildquellen -

  • Lintrac 110 Blick In Die Kabine: Krönigsberger
  • Lintrac 110 Masze Graphik: Krönigsberger
  • Titelbild Lintrac 110 Hohe Aufloesung: Krönigsberger
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