Eigentlich war der Anlass des Zusammentreffens ein erfreulicher. Nach über 15-jähriger Pause fand die Österreichische Almwirtschaftstagung erstmals wieder in Kärnten, genauer in und um Millstatt statt. Drei Tage lang diskutierten Teilnehmer aus Österreich, Bayern, dem Allgäu, Südtirol, Friaul und der Schweiz die brandaktuellen Themen der Almwirtschaft. Trotz umfangreichem Programm vom gemeinnützigen Erfolgsprojekt „Langzeitarbeitslose auf Kärntens Almen“ über Exkursionen bis zur Alm als „Gesundheitslandschaft der Zukunft“, stand auf der vom Kärntner Almwirtschaftsverein ausgerichteten Veranstaltung doch wieder das Raubtier Wolf im Mittelpunkt.
Der Grund war nicht zuletzt eine vom „Verein gegen Tierfabriken“ (VGT) angestoßene Anzeige gegen einen von Wolfsrissen betroffenen Kärntner Almbauern. Die Nutztiere seien auf der Alm ungeschützt „in der Wildnis ausgesetzt“, lautet der Vorwurf. „Eine Frechheit“ nennt das LK-Präsident und Bauernbundobmann Siegfried Huber. „Die Landwirtschaftskammer wird dem betroffenen Landwirt jede rechtliche Unterstützung zukommen lassen“, versichert der Bauernbündler. Auch Vize-Landeshauptmann Martin Gruber (ÖVP) fand deutliche Worte: „Wer sich solch absurde Anzeigen ausdenkt, hat jeglichen Sinn für die Realität und jeden Respekt vor der Arbeit unserer Landwirte verloren.“
Protestnote gegen Schutzstellung
Um bei der EU-Kommission Bewusstsein für die Wolfsproblematik in der heimischen Almwirtschaft zu schaffen und die Betroffenen hinsichtlich der Notwendigkeit der Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfs in der betreffenden Fauna-Flora- Habitat-(FFH-)Richtlinie aufzuklären, haben Landwirtschaftskammer und Almwirtschaftsverein gemeinsam den Direktor für Artenvielfalt in der EU-Kommission, Humberto Delgado Rosa, für einen Lokalaugenschein auf den Almen nach Millstatt eingeladen. „Bei einer weiteren Ausbreitung von Wölfen wird es eine flächendeckende Almbewirtschaftung mit damit verbundener offener Kulturlandschaft mit hoher Biodiversität in dieser Form nicht mehr geben“, stellte Josef Obweger, Obmann des Kärntner Almwirtschaftsvereins, dem Brüsseler Beamten die Rute ins Fenster.
Delgado Rosa kam und erhielt von den Tagungsteilnehmern kurzerhand eine siebenseitige Protestnote überreicht. „Wir fordern, dass der Schutzstatus von Wölfen herabgesetzt und ihre Bejagung erleichtert wird“, mit diesen Worten übergab Huber das Schreiben an den Biodiversitäts-Direktor. Unterzeichnet hatten immerhin 157 Repräsentanten aus 122 Organisationen von Gemeinden über Sozialpartner bis zu Touristikern und der Kärnten Werbung. „Ein starkes, gemeinsames Zeichen an die EU-Kommission“, wie Präsident Huber die auf LK-Initiative entstandene Protestbewegung bezeichnete.
Weideschutzgesetz in der Pipeline
Die erhoffte Reaktion der EU-Kommission blieb bei der Tagung jedoch aus. „In Millstatt wurde klar, dass es in der Brüsseler Wolfspolitik keinen baldigen Kurswechsel geben wird“, musste Landesrat Gruber feststellen. Man bleibe bei der Kontrolle des Wolfs also weiterhin „auf sich gestellt“, so der Agrar- und Jagdreferent. Sein Vorschlag ist es nun, Weideschutzgebiete zu definieren, in denen Wölfe unabhängig von Risszahlen entnommen werden dürfen. Die Basis soll lediglich eine nicht gegebene Schützbarkeit in den Alm- und Weidegebieten sein. „Dafür werden wir ein eigenes Almund Weideschutzgesetz schaffen müssen“, so Gruber. Dieses soll die Schonzeit von Wölfen in ebendiesen Gebieten zeitlich befristet aufheben. „Damit wäre ein noch rascheres Agieren gegen eine unkontrollierte Ausbreitung der Wölfe auf unseren Almen und Heimweiden möglich“, ist er überzeugt. Für seinen Vorschlag eines Weideschutzgesetzes als Ergänzung zur bestehenden Wolfsverordnung erhielt Landeshauptmann-Stellvertreter Gruber in der LK-Vollversammlung diese Woche mehrheitliche Unterstützung. Lediglich ein Kammerrat trug die Entscheidung nicht mit. Gruber will nun die Erarbeitung des Weideschutzgesetzes umgehend in Auftrag geben und idealerweise bis zur Almsaison 2024 in Geltung bringen.
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- Übergabe Protesnote: Alois Lackner