In ganz Europa gehen derzeit immer mehr Landwirte auf die Straße. Nach massiven Protesten in Deutschland oder Frankreich haben am vergangenen Wochenende nun auch in Spanien knapp zehntausend Bauern mit rund 900 Traktoren etwa die Stadt Valencia lahmgelegt. Kundgebungen gab es auch in anderen Städten auf der iberischen Halbinsel. Im Spätherbst vergangenen Jahres rollten erboste Landwirte mit ihren Traktoren demonstrierend quer durch Berlin oder Paris, im Jänner durch mehrere deutsche Großstädte und vor drei Wochen auch vor ein Zentrallager der Supermarktkette Edeka, die ihren Kunden versprach, „Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten!“
Die massive Konzentration der Handelsketten ist einer der Hauptgründe dafür, warum sich die Landwirte mittlerweile in vielen Ländern Europas zunehmend über die Sozialen Medien organisieren und sich mit ihren Traktoren auf den Weg machen, um ihren Unmut dagegen freien Lauf zu lassen. Und der lautet hier wie dort: Mit ihrer Marktmacht würden die großen Konzerne die Preise für Agrarprodukte bewusst niedrig und unter Kontrolle halten – und damit die Bauern in ihrer Existenz bedrohen.
Quelle: Monihart
Georg Strasser: „Manche Handelsvertreter sind beim Fordern top, nicht aber beim Bezahlen. Es gibt kein Mengen-, sondern ein Preisproblem.“
Auch in Österreich klagen die Bauern über ihre zunehmend schwierige Situation – und machen dafür auch so manche Einkäufer der Handelsketten verantwortlich. Trotz deren blumiger Beteuerung in deren Werbung und gegenüber ihren Kunden, den Erzeugnissen der heimischen Landwirtschaft wo immer möglich Vorrang einzuräumen, sehe die Realität oft anders aus, bekrittelt auch der Bauernbund.
Vier große Ketten dominieren
In Österreich teilen sich laut RollAMA-Analyse im Wesentlichen vier große Supermarkt-Konzerne das Geschäft mit Lebensmitteln: Rewe Austria (Billa/Merkur/Penny), die Spar-Gruppe Hofer und Lidl. Und auch, die Mehrzahl der Lebensmittelhändler erkenne mittlerweile den Mehrwert österreichischer Lebensmittel, würde diese auch abgelten und damit die heimischen Bauernfamilien unterstützen. Aber immer wieder kommt es auch vor, dass die Marktmacht des Handels gegenüber ihren Lieferanten, also Verarbeiter wie Bauern, auch schamlos ausgenützt werde, heißt es.
Preisschlacht befeuert Strukturwandel
Dabei sei den Österreicherinnen und Österreichern kaum noch zu erklären, dass in heimischen Supermärkten nach wie vor auch Erdäpfeln aus Ägypten, Fleisch aus Südamerika oder Gemüse aus Fernost Vorrang geben werde. „Mit unmoralischen Preisschlachten wird der agrarische Strukturwandel im eigenen Land befeuert“, nennt der Präsident des Österreichischen Bauernbundes, Georg Strasser, das Problem beim Namen. Und Strasser appelliert: „Große Marktmacht geht mit großer Verantwortung einher. Mit der ‚Geiz ist geil’- Mentalität kommen wir nicht mehr weiter.“
So laufen etwa derzeit die Preisverhandlungen der großen Handelsketten mit Österreichs Molkereien in Sachen Milch, Butter oder Käse. Und in Sachen Milch-Einstandspreise gestalten sich diese eher zäh, erzählen Molkereienvertreter, die verständlicherweise nicht genannt werden wollen. Auch spieße es sich etwa im Buttergeschäft. So benötige eine Supermarkt-Gruppe für ihr Billigpreis-Eigenmarken enorm große Butter-Mengen, die sich in Österreich nicht (und im benachbarten Ausland billiger) aufstellen lassen, wie Strasser in einem persönlichen Gespräch mit dem Chef der Handelskette erfuhr.
Strasser wiederum teilte diesem nach eigenen Recherchen bei den Molkereien mit: „Mir wurde versichert, dass diese Menge mit der entsprechenden Qualität ganz leicht verfügbar ist. Daraus schließe ich, dass es sich hier um kein Mengen-, sondern um ein Preisproblem handelt.“ Es wäre also schade, würde man Butter im Ausland beschaffen und nicht – wie alle anderen Vertreter des Einzelhandels auch – im Einstiegssegment nachhaltig auf Butter von Österreichs Milcherzeugern setzen, erklärte Strasser. Er ist selbst Milchbauer im südlichen Waldviertel.
„Nach zwei Dürrejahren und ständig steigenden Produktionskosten sind viele unserer bäuerlichen Familienbetriebe, nicht nur die Milchbauern, auf eine rasche Verbesserung ihrer Einkommenssituation angewiesen“, sagt der Bauernbund-Präsident. Dem Strukturwandel in der Landwirtschaft und den negativen Auswirkungen des Klimawandels müssten nun alle gemeinsam entgegentreten, ist man im Bauernbund überzeugt. „Alleine werden unsere Bauernfamilien es nicht stemmen können.“ Und deshalb brauche es für die Bauern auch faire Abnahme-Bedingungen ihrer Erzeugnisse durch die Verarbeiter und den Handel.
Solche fairen Bedingungen mit einer angekündigten und mit mehr als 70 Traktoren begleiteten Protestaktion vor dem Auslieferungslager von SPAR in Marchtrenk, OÖ, eingefordert hat am Dienstag die Gruppe „Land schafft Verbindung“. Diese im Oktober 2019 via Whatsapp gegründete Bewegung hat seither in Deutschland zehntausende Landwirte auf die Straße gerufen. Sie hat auch in Österreich ihre Anhänger, die betont unabhängig und nicht nur in den Sozialen Medien auf die missliche Lage der Bauern und auf die zu billigen Preise für Agrarprodukte aufmerksam machen wollen.
Aber auch im Bauernbund denkt man über ähnliche Protestaktionen gegen Preisdrückerei und unfaire Behandlungsmethoden im Handel nach. Demo-Pläne auch mit dem Auffahren von Traktoren vor verschiedenen Filialen oder gar die gezielte Belagerung der großen Logistik-Verteilzentren für Supermärkte wurden in den einzelnen Landes-Bauernbünden bereits ausgearbeitet, um den Forderungen der Bauern Nachdruck zu verleihen. Im Bauernbund geht man davon aus, dafür ebenso schlagkräftig wie „Land schafft Verbindung“ binnen weniger Tage oder gar Stunden genügend Verbündete via Aussendungen, E-Mail, Soziale Medien-Kanäle (und nicht zuletzt über Handy- und Festnetztelefonate) zu mobilisieren.
Vorerst aber beobachtet man die laufenden Preisverhandlungen und führt – hinter den Drohkulissen – auf höchster Ebene Gespräche mit den Handelsbossen.
Bernhard Weber
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- 16 Portrait Georg Bauernbund: Monihart
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