Experten von Swiss Re, einem weltweit agierenden Rückversicherer mit Sitz in Zürich, betonen es freiheraus: „Die Effekte des Klimawandels werden immer sichtbarer.“ Seit gut fünf Jahrzehnten nehmen die Schäden durch Wetterextreme weltweit zu. Bisher am schlimmsten: Hurrican „Katrina“ hinterließ 2005 in den USA Verwüstungen im Wert von 80 Milliarden Dollar.
Versicherungsvolumen weltweit gestiegen
In Europa häufen sich mittlerweile oft auch lokal die Jahrhunderthochwasser. So 2002 in Österreich und heuer. Die Niederschlagswolken, die mit Rekordregenmengen eine Woche über Österreich zogen, bildeten sich zum Zeitpunkt des Treffens mit der Swiss Re in Zürich gerade über dem im September um 9 °C zu warmen Mittelmeer. Dazu kommen Dürrephasen nicht nur im Süden Europas, mit mittlerweile 50 statt früher 15 Hitzetagen in einem typischen Sommer der 1980er-Jahre in Ostösterreich. Vermehrt treten nach zu warmen Temperaturen im Winter und Frühjahr auch massive Spätfrostschäden auf, wegen des immer früheren Vegetationsstarts von Feldfrüchten oder im Wein- und Obstbau. Auf 45 Milliarden US-Dollar ist das jährliche Versicherungsvolumen weltweit allein im Pflanzenbau gestiegen, um Schäden auf gefluteten Weizenfeldern, verdörrten Maisäckern, verhagelten Apfelplantagen oder erfrorenen Rebanlagen teilweise abzudecken.
Mit umfassenden Daten zur globalen Wettersituation lassen sich verlässliche Vorhersagen treffen und Unwetter auch lokal immer genauer vorhersehen. Bis ins Detail werden diese Daten zudem von der Versicherungswirtschaft herangezogen, um die möglichen Schadenssummen und letztlich die Prämien für ihre Polizzen zu errechnen. Dank Digitalisierung ginge die Wetterdaten-Erhebung noch genauer mit einem vollständigen Messstationen- Netz rund um den Globus. An einem solchen arbeitet die UNO mit ihrem Programm SOFF (Systematic Observations Financing Facility) gemeinsam mit der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf. Um etwa für Österreich noch detailliertere Wetterprognosen als eine Drei- Tages-Vorschau zu treffen, reichen die Messstellen von GeoSphere (früher Zentralanstalt für Metorologie und Geodynamik, ZAMG) und anderer Dienste in Europa nicht aus. Dafür braucht es Daten aus allen Kontinenten (und allen Meeren vom Atlantik bis zum Pazifik).
„Alle 200 Kilometer eine Wetterstation und alle 500 Kilometer eine Radiosonde“ ist das langfristige Ziel von SOFF. Mittlerweile arbeiten 191 Länder an der Finanzierung, berichten Michael Staudinger, früherer Direktor von GeoSphere Austria und Berater von SOFF, und seine Kollegen der WMO in deren Sitz in Genf. Fest steht: „Die Effekte des Klimawandels werden immer sichtbarer“, betont Andreas Weigel von Swiss Re. Und nicht nur er, vor allem die Kunden der Rückversicherer fragen sich: Wie lange lassen sich Klimaschäden überhaupt noch versichern – an Gebäuden, Infrastruktur, auf Feldern, auch in der Tierhaltung durch Schädlinge und Krankheiten?
Weigel: „Die Effekte des Klimawandels werden immer sichtbarer.“
Ein Kunde der Swiss Re ist auch die Österreichische Hagelversicherung (ÖHV). Deren Chef Kurt Weinberger versichert nicht nur Landwirte im eigenen Land. Er hat das Geschäftsfeld der ÖHV auf sechs weitere EU-Länder von Tschechien bis ans Schwarze Meer erweitert. Ein breites Polizzen-Portfolio wie hierzulande ist in diesen aber für andere Mitbewerber nicht mehr finanzierbar. Weinberger: „In Slowenien sind wir der einzige Versicherer gegen Frost, in Ungarn der einzige gegen Dürre.“ Der erfahrene Manager weiß um die stetig wachsenden Schadensvolumina bestens Bescheid. Bis Anfang September musste die ÖHV 250 Millionen Euro Ernteschäden decken. Noch nicht eingerechnet: die mindestens 10 Millionen Euro durch die Jahrhundertflut wenige Tage später.
2050: „Wetterverhältnisse wie in Marokko“
Selbst die großen Rückversicherer ziehen sich aus dem Naturgefahren-Geschäft teilweise zurück. 60 Prozent aller Schäden gehen auf „kleinere“ Unwetterkatastrophen zurück: Hagelstürme, Hochwasser, Trockenheit, Frost. Solange nicht jedes Jahr eine schwere Dürre mit sich bringe, bleibe grundsätzlich alles versicherbar, betont man bei der Swiss Re. Der Klimawandel werde vor allem die nächste Generation treffen, warnt indes Wetterexperte Michael Staudinger. Sollte das Gegensteuern nicht gelingen, prognostiziert er etwa für Ostösterreich ab 2050 „Wetterverhältnisse wie in Marokko“. Bleibt nur zu hoffen, dass sich bis dahin die EU-27 und die großen Versicherer auf ein paneuropäisches System subventionierter Versicherungsprämien, wie in Österreich bereits seit Jahren der Fall, einigen. Denn noch höhere Prämien lehnt Weinberger ab. Bauern müssen sich diese schließlich auch leisten können.
- Bildquellen -
- Swiss-Re-Zentrale: BZ/Weber
- Wetterstation: KELLYVANDELLEN - STOCK.ADOBE.COM
- Weigl und Weinberger: BZ/Weber
- Anbau bei Dürre: INGO BARTUSSEK - STOCK.ADOBE.COM