Totschnig: „Dort, wo ich gebraucht werde, stehe ich zur Verfügung“

Bundesminister Norbert Totschnig spricht im Interview über das Ergebnis der Nationalratswahl, den Auftrag an die nächste Regierung im Bereich Land- und Forstwirtschaft – und darüber, ob man weiterhin auf einen Tiroler Landwirtschaftsminister hoffen darf.

Am Donnerstag vergangener Woche wurden unter anderem die Tiroler Nationalratsabgeordneten LK-Präsident Josef Hechenberger, Minister Norbert Totschnig, Margreth Falkner und Klaus Mair angelobt.

Können Sie eine kurze Bilanz zur Nationalratswahl ziehen? 

TOTSCHNIG: Als Volkspartei konnten wir mit Spitzenkandidat und Bundeskanzler Karl Nehammer im Wahlkampf erfolgreich mobilisieren und bis zum Wahltag hin stark aufholen. Leider hat es für den ersten Platz nicht gereicht. Die Unterstützung der Funktionärinnen und Funktionäre im Wahlkampf war großartig. Auch deshalb ist es gelungen, dass die ÖVP schließlich 26,3 Prozent der Wählerinnen und Wähler gewinnen konnte. 

Persönlich freue ich mich sehr über die vielen Vorzugsstimmen. Allein in meinem Wahlkreis Osttirol hat mir mehr als jeder zweite ÖVP-Wähler eine Vorzugsstimme gegeben. Herzlichen Dank für die große Unterstützung. Für die Zukunft gilt, verlorengegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen – Stichwort Covid, Migration, Gesundheitsversorgung oder Wirtschaftsstandort. Wir wollen das mit einer Politik der Mitte, mit Vernunft und ohne Ideologie und Polarisierung erreichen. 

 Am Donnerstag wurden Sie im Nationalrat angelobt. Darf man wieder auf einen Landwirtschaftsminister aus Tirol hoffen? 

Zuerst muss eine tragfähige Koalition ausverhandelt werden, die Perspektiven für die Zukunft aufzeigt und echte Reformen umsetzt. Herbert Kickl als Obmann der stimmenstärksten Partei FPÖ hat keine tragfähige Mehrheit im Nationalrat gefunden. Deshalb hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen nun Bundeskanzler Karl Nehammer mit der Regierungsbildung beauftragt. Nehammer hat sehr klar festgehalten, dass es ein „Weiter wie bisher“ mit der Volkspartei nicht geben wird. Und für mich persönlich gilt: Dort, wo ich gebraucht werde, stehe ich zur Verfügung. 

Welche Themen wird die zukünftige Bundesregierung aus aktueller Sicht im landwirtschaftlichen Bereich angehen müssen? 

Für die Land- und Forstwirtschaft geht es in den kommenden Jahren wieder einmal um alles. Die nächste GAP-Reform steht vor der Tür, ein neues EU-Budget wird ausverhandelt und die EU wird weitere Maßnahmen beschließen, um die Klimaziele zu erreichen. Das alles hat große Auswirkungen für die Land- und Forstwirtschaft. Unser Ziel als Volkspartei ist, den ökosozialen Weg einer bäuerlichen, flächendeckenden, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft fortzusetzen. Dazu brauchen unsere bäuerlichen Familienbetriebe Stabilität und Planungssicherheit. Ohne ein klares Bekenntnis zu einer produzierenden Land- und Forstwirtschaft in Österreich kann auch die Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung nicht gewährleistet werden. Auf nationaler Ebene sind wir die einzigen, die dafür einstehen. 

Sie haben sich vehement gegen die Renaturierungsverordnung ausgesprochen. Was ist im Bereich des Umweltschutzes wichtig? 

Wir stehen für einen Naturschutz mit Sachverstand und Augenmaß, der die Betroffenen miteinbindet. Bereits heute stehen 29 Prozent der Fläche Österreichs unter Schutz. Österreich ist hier bereits sehr gut aufgestellt! Die Renaturierungsverordnung bringt neue Bürokratie und Rechtsunsicherheiten. Viele Fragen können noch nicht beantwortet werden: Wer sind die tatsächlich Betroffenen, wie schaut die Finanzierung aus oder welche Vorleistungen im Naturschutz werden Österreich angerechnet? 

Wir in der Land- und Forstwirtschaft nehmen den Klimawandel ernst und haben bewiesen, dass wir umweltgerecht und naturnah in Berg und Tal wirtschaften können. Wichtig ist, dass die Agrarpolitik sich in Zukunft noch viel stärker um den Bereich Umwelt- und Naturschutz kümmert. Die Bäuerinnen und Bauern sind die ersten Betroffenen des Klimawandels, leben und arbeiten mit und in der Natur, handeln nicht ideologisch und wollen lösungsorientiert die Zukunft gestalten. 

Welche Agenden wurden beim EU-Agrarrat vergangene Woche thematisiert? 

Wir haben unter anderem eine gemeinsame Position der EU-Landwirtschaftsminister über die künftige Agrarpolitik ab 2028 in der EU diskutiert. Diese Positionierung ist eine Empfehlung für den künftigen EU-Agrarkommissar. 26 EU-Mitgliedsstaaten (außer Rumänien) haben schließlich zugestimmt. 

Für Österreich wichtig war, dass wir die Bäuerinnen und Bauern wieder mehr ins Zentrum der Agrarpolitik rücken. Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass die gesellschaftlich geforderten Leistungen auch im EU-Agrarbudget abgebildet sein müssen. Die Direktzahlungen sind als unverzichtbare Einkommensstützung zu erhalten. Darüber hinaus fordert Österreich weiterhin ein starkes Agrar-umweltprogramm inklusive der Förderung der Biolandwirtschaft oder die Ausgleichszulage für die Bergbauern. Nur damit können umwelt- und klimarelevante Mehrleistungen der Landwirtschaft abgegolten werden. Die EU darf mit der nächsten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik keine Revolution vom Zaun brechen. Was wir brauchen ist Stabilität und Planbarkeit für die Bauernfamilien. 

- Bildquellen -

  • 20241024 120606: Tanja Edlinger
- Werbung -
AUTORRed. HP
Vorheriger ArtikelZeitenwende allerorten
Nächster ArtikelBörse für Lw. Produkte Wien – Kursblatt Nr. 44/ 30. Oktober ’24