Schon eingangs stellte LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger am Ackerbaubetrieb Wieselthaler-Csere in Rothneusiedl am Stadtrand von Wien klar: „Derzeit eine Ernteprognose abgeben ist ein bisschen wie in die Glaskugel schauen.“ Dennoch haben es die LK-Experten auf Basis von Daten der Statistik Austria, der AMA und eigenen Berechnungen getan und just zum Erntestart wieder eine Einschätzung für die heimischen Getreideerträge erstellt.
Demnach wird derzeit mit einer durchschnittlichen Getreideernte (ohne Mais) von knapp 2,87 Mio. t gerechnet, ein Minus von 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr und gut 4,8 Prozent unter dem fünfjährigen Durchschnitt. Zurückzuführen sei das, den LK-Experten zufolge, zuallererst auf die feuchte Witterung im Herbst, die nach der Ernte der Sommerungen einen Anbau von Wintergetreide teils verunmöglichte. „Beim Regen gilt bekanntlich auch die Dosis macht das Gift“, kommentierte LKÖ-Pflanzenbau-Ausschussvorsitzender und LK Burgenland-Präsident Nikolaus Berlakovich die Situation in der zu Ende gehenden Getreidesaison. „Aus Verantwortung für ihre Böden haben viele Bauern auf den Anbau in übernässte Böden verzichtet und nach Alternativen gesucht“, so Berlakovich. Entsprechend sank die Getreideanbaufläche um 2,5 Prozent auf 507.000 ha. Im langjährigen Vergleich wurden gar um 25.000 ha (- 4,7 %) weniger angebaut.
Rückläufige Anbauflächen
Der besonders betroffene Weizen habe in Summe inklusive Dinkel wegen der nassen Herbstwitterung um 9.600 ha bzw. 3,7 Prozent gegenüber 2023 abgenommen. Beim Roggen nannten die Branchenkenner hingegen unattraktive Marktpreise als Grund für den überproportionalen Flächeneinbruch von mehr als 16 Prozent. Triticale büßte knapp 5 Prozent Anbaufläche ein. „Von dieser Entwicklung profitiert hat erstmal wieder Sommergerste, die um 1.800 ha ausgeweitet wurde. Auch die Wintergerstenfläche wurde um knapp 1.600 ha ausgeweitet und ist nach Weichweizen und Körnermais die drittwichtigste Kultur. Hartweizen setzte seinen Aufwärtstrend mit einem Plus von 2.900 ha ebenso fort“, so der LK Burgenland-Präsident.
Wüchsige Witterung, aber zu nass
Im Jänner und Februar folgte eine Trockenperiode samt kurzer Phase mit extremen Minustemperaturen. Dies habe insbesondere in im Herbst angebauten Sommergerstenbeständen zu Frostschäden geführt. Auch im April und Mai sorgten Spätfröste noch für Schäden „beim gerade blühenden Raps“, erklärte Berlakovich. Dabei hatte gerade der Raps heuer wieder mehr als 10 Prozent seiner Anbaufläche eingebüßt. 23.700 ha seien demnach ein neuer Negativrekord in der Alpenrepublik. Den Mai und Juni fasste Berlakovich als „klassisches Getreidewetter mit wüchsigen Temperaturen“ zusammen, wiewohl Extremniederschläge vielerorts Pflegemaßnahmen in den Beständen verunmöglicht hätten. Auch Blattläuse (und mit ihnen Viruserkrankungen), Getreidehähnchen und Rapsglanzkäfer profitierten von der warmen Witterung, wie Josef Moosbrugger anmerkte.
Ertragseinbruch bei Gerste erwartet
All das dürfte sich bei den Getreideerträgen, laut den LK-Pflanzenbauexperten, wie folgt äußern: Für Weichweizen inklusive Dinkel wird ein leichter Ertragsrückgang (- 1 %) auf durchschnittlich 6,1 t/ha prognostiziert. Bei Roggen sei mit durchschnittlich 4,6 t mit einem zweiprozentigen Zuwachs zu rechnen. Ebenso beim Raps, wo 3,3 t/ha erwartet werden. Ein satter Zuwachs wird für Hafer vorausgesagt. Hier rechnet die LK Österreich mit durchschnittlich 3,7 t, mehr als 8 Prozent über dem Vorjahresniveau, jedoch gut 4 Prozent unter dem fünfjährigen Mittel. Bei Durum werden 5,9 t erwartet, 0,8 t mehr als in den vergangenen fünf Jahren.
Ein Einbruch wird hingegen der Ertragslage bei Winter- und Sommergerste nachgesagt. Hier sei mit durchschnittlich 5,7 t/ha zu rechnen, was einem Minus von fast 10 Prozent zu 2023 und 8,7 Prozent im mehrjährigen Mittel entspräche. Insbesondere die Wintergerste soll heuer geringere Erträge bringen. Im Hinblick auf die zu erwartenden Qualitäten dämpfte die ebenfalls anwesende Vizepräsidentin der LK Wien, Irene Maria Trunner, die Erwartungen. Die Auswirkungen der Niederschläge gelte es abzuwarten, aber mit Abschlägen sei zu rechnen, erklärte sie sinngemäß.
Marktsituation bleibt angespannt
Im Hinblick auf die Erzeugerpreise holte Moosbrugger aus: „Die Getreidepreise sind und bleiben sehr volatil. Auch wenn sich die Preise für Ernteprodukte in den letzten Wochen kurzzeitig erholt hatten, sind sie in den letzten Tagen wieder auf ein Niveau gefallen, wo sich die heimische Produktion mit den weiterhin hohen Betriebsmittelkosten schwertut.“ Für umso wichtiger hält es der LKÖ-Präsident daher, mit dem neuen AMA-Gütesiegel für Ackerfrüchte die hohen österreichischen Standards sichtbar zu machen und so „mehr Wertschätzung und Wertschöpfung“ zu generieren.
- Bildquellen -
- Kolbenweizen, teigreif: BZ/Wieltsch