Frau Norz, welche Bilanz ziehen Sie über das Obstjahr 2023?
NORZ: Unser Obst ist in Geschmack und Qualität sehr gut zu bewerten. Dennoch war es ein durchwachsenes Jahr. Wetterkapriolen, wie Frostnächte und das nasskalte Wetter im Frühjahr haben ihre Spuren hinterlassen. Die kalten Temperaturen rund um die Blüte haben den Bienenflug reduziert, ebenso haben sich die langanhaltenden Niederschläge negativ auf den Fruchtansatz ausgewirkt. Beim Steinobst gab es regionsweise extreme Ausfälle, beispielsweise im Tiroler Oberland. Auch beim Kernobst verzeichnen wir im Schnitt rund ein Drittel weniger Erntemenge.
Vor welchen Herausforderungen steht der Tiroler Obstbau?
NORZ: Für die Erntesicherung ist eine vorausschauende Planung unabdingbar. In Witterungsschutz wie Hagelnetze und Folienüberdachung sowie Bewässerung wird man auch zukünftig investieren müssen. Die Extremwetterereignisse sind in den letzten Jahren zur Regel geworden. Doch auch im Schädlingsbereich stehen wir vor großen Herausforderungen. Seit einigen Jahren sind wir mit zusätzlichen neuen Schädlingen konfrontiert. Zum Beispiel die Kirschessigfliege, die ursprünglich aus Südostasien stammt und vermutlich mit befallenen Früchten nach Europa gekommen ist oder verschiedene Wanzenarten, die ursprünglich nicht bei uns heimisch waren. Ebenso ist der Pilzdruck heuer gestiegen, das heißt verschiedene Pilzkrankheiten im Obstbau können durch anhaltende Feuchtperioden oder auch Trockenperioden gefördert werden. Diese Probleme treffen sowohl den integrierten Obstanbau als auch den biologischen Anbau, wo genauso Pflanzenschutzmittel gezielt angewendet werden müssen.
Trotzdem sollen Pflanzenschutzmittel stark reduziert werden. Welche Meinung vertreten die Betroffenen im Obstbau?
NORZ: Die SUR-Verordnung (Sustainable Use Regulation), über die in der kommenden Woche im EU-Parlament abgestimmt wird, schwebt wie ein Damoklesschwert über uns. Sie fordert eine 50-prozentige Reduktion der eingesetzten Pflanzenschutzmittel, ohne sachliche Grundlage – ein massivster Angriff auf die Landwirtschaft. Die österreichischen Obstbauern arbeiten sehr verantwortungsvoll. Daher ist es für uns Produzenten nicht nachvollziehbar, auf welcher Basis die extreme Reduktion der Pflanzenschutzmittel erfolgt. Darüber hinaus wären große Teile der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Österreich, die als sensible Gebiete definiert werden, von weiteren Einschränkungen betroffen. Laut AGES-Rückstandsmonitoring sind unsere heimischen Äpfel absolut sicher, ein großer Teil der Proben ist rückstandsfrei und die restlichen Analyseergebnisse zeigen extrem niedere Werte knapp über der messbaren Grenze und weit unter dem gesetzlichen Grenzwert.
Gibt es keine Alternativen zu diesen Pflanzenschutzmitteln?
NORZ: Zwar nutzt der Obstbau viele alternative Pflanzenschutzmittel, und -systeme, dennoch braucht es effektive Werkzeuge und Wirkstoffe, um die Ernte zu sichern. Der Zulassungsstopp vieler Pflanzenschutzmittel stellt uns vor große Herausforderungen. Die Mittel waren immer sicher, aber der kleine Markt, der diese Pflanzenschutzmittel nachfragt, ist für die herstellenden Konzerne nicht unbedingt interessant. Die Mittel sind also nicht gefährlich, ihre Zulassung läuft einfach aus und wird nicht erneuert. Somit stehen immer weniger Werkzeuge zur Verfügung, um die Flächen erfolgreich bewirtschaften zu können.
Welche Entwicklungen befürchten Sie?
NORZ: Die Konsequenzen zeichnen sich bereits ab: In den letzten Jahren ging fast ein Viertel der Apfel-Anbauflächen im Hauptanbaugebiet Österreichs, in der Steiermark verloren. Der Obstbau ist eine extrem investitionsintensive Branche. Um die Erträge zu sichern, wird dieser Aufwand in den kommenden Jahren voraussichtlich noch zunehmen. Dennoch muss es uns ein Anliegen sein, die regionale Inlandsproduktion zu sichern. Ansonsten wird es zunehmend Importware geben – welche nicht den gleichen und somit strengen Produktionskriterien unterliegt.
Welche Trends gibt es in der Ernährung rund um den Apfel?
NORZ: Generell sind Obst und Gemüse Trendprodukte in der Ernährung und auch der Wunsch des Konsumenten nach Regionalität und Herkunftstransparenz ist trotz Inflation ungebrochen. Doch auffällig ist, dass laut RollAMA-Analysen unter den beliebtesten Obstarten die heimischen Obstarten wertmäßig eher unterrepräsentiert sind – und das, obwohl gerade der österreichische Apfel ganzjährig verfügbar ist. Um den Apfel und damit die einfachste und günstigste Gesundheitsprophylaxe zu stärken, sollte unter Kindern und Jugendlichen das Essen von Äpfeln wieder „cool“ werden. Ein Trend zum natürlichen und unverfälschten Fruchtgenuss sozusagen. Denn der vielzitierte tägliche Apfel nützt uns allen – gesundheitlich, kulinarisch und wirtschaftlich.
Vielen Dank für das Gespräch!
- Bildquellen -
- Apfelernte Puch Bei Weiz 23 ID98439: agrarfoto.com