Auf Hilfe setzen, ehe Probleme und Krisen am Hof sich zu sehr ausweiten

Ein Bauernhof ist Wohnstätte und Arbeitsplatz zugleich. Das kann schön und praktisch sein, bei Unstimmigkeiten aber Konflikte schüren. Hier bietet die Beratungsstelle „Lebensqualität Bauernhof“ Hilfe an. Betroffene, die zum Telefon greifen, setzen schon einen bedeutenden Schritt in Richtung Klärung.

Menschen neigen dazu, in herausfordernden Zeiten in einer Art „Problemtreance“ zu verharren. Mit Unterstützung gelingt es aber, auch Handlungen zu setzen.

Gerade in fordernden Zeiten ist die psychische Gesundheit ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Es ist neben der Technisierung wichtig, dem Faktor Mensch die entsprechende Bedeutung und Aufmerksamkeit zu geben“, ist Franz Waldenberger, Präsident der LK Oberösterreich, überzeugt. Die Erstanlaufstelle für psychosoziale Beratung hat sich in den knapp zwei Jahren ihres Bestehens schon gut etabliert und wird zunehmend intensiver genutzt. „Hilfe in Anspruch zu nehmen ist ganz normal und nicht das Eingeständnis seines eigenen Versagens“, bekräftigt Waldenberger. 

Belastungen für Bäuerinnen und Bauern werden mehr

Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger bezeichnet die Beratungsstelle als „Herzensanliegen“, das 2022 auf den Weg gebracht worden ist. Sie ist selbst ausgebildete Mediatorin und hat das Projekt von Beginn an damals noch als LK-Präsidentin begleitet. „Wir sehen schon, dass der Druck insgesamt größer wird“, sagt Langer-Weninger und nennt dazu etwa den Klimawandel als zunehmende Belastung für Bäuerinnen und Bauern. „Auf einem landwirtschaftlichen Betrieb kommt viel zusammen. Familie und Arbeit konzentrieren sich auf einen Platz und in Folge des Klimawandels und der volatilen Märkte wachsen psychische Belastungen“, so Langer-Weninger. Ebenso wichtig sei auch, präventiv zu agieren. „Überforderung der Bäuerinnen und Bauern ist nicht nur belastend, sondern bringt früher oder später auch betriebliche Probleme mit sich. Umso wichtiger ist es, sich rechtzeitig Unterstützung zu holen“, sagt die Landesrätin.

Die Beratungsstelle ist in der Landwirtschaftskammer angesiedelt und wird vom Land OÖ finanziert. Die Nachfrage ist groß: Seit Jahresbeginn wurden 220 Beratungen durchgeführt. Menschen zwischen 25 und 70 Jahren haben bislang ein offenes Ohr für ihre Probleme gesucht, die überwiegende Gruppe sei aber jene der 40- bis 60-Jährigen. Das größte und häufigste Thema, mit dem sich Betroffene an die Erstberatungsstelle wenden, sind Generationenkonflikte. Gleich danach kommen die Themen Hofübergabe und Partnerschaft.

„Jeder Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Auch die Reise aus einer schwierigen Situation.“ Karoline Hinterreither, Lebens- und Sozialberaterin

Ein Drittel aller Anfragen kommen von Männern, zu zwei Drittel sind es aber Frauen, die den Anfang machen und sich Unterstützung holen. Neben einer klinischen Psychologin sind es drei Lebens- und Sozialberaterinnen, die bei „Lebensqualität Bauernhof“ arbeiten. „Der erste Schritt ist ein Anruf, wo wir einmal nur zuhören. Das alleine ist oft schon ein bedeutendes Ventil“, berichtet Karoline Hinterreither, eine der Beraterinnen. Im weiteren Gespräch bekomme der oder die Betroffene eine zusätzliche Sichtweise, die zur Klärung beitrage und dadurch Veränderung möglich mache, betont Hinterreither. Reichen die drei Termine, die von der Beratungsstelle angeboten werden, nicht aus, dann wird auf spezialisierte Experten etwa für Mediationen oder psychosoziale Therapeuten weitervermittelt.

„Neutrale“ Zuhörer helfen dabei, Klarheit zu bekommen

„Wir können den Bäuerinnen und Bauern schwierige Situationen nicht abnehmen, aber wir unterstützen sie dabei, den nächsten Schritt zu gehen, indem wir helfen zu strukturieren und dabei Klarheit und Verständnis zu schaffen“, schildert die Beraterin. Wie hilfreich ein „neutraler“ Zuhörer dabei sein kann, um eine eigene Entscheidung treffen zu können, hat auch die Bäuerin Eva Gruber erfahren. Sie hatte sich mit ihren Ängsten rund um die Entscheidung, ob sie nach der Karenzzeit ihren erlernten Beruf wieder ausüben oder sich an ein neues Standbein am Betrieb wagen sollte, an die Beratungsstelle gewendet. „Mithilfe der Beratung wurde mir bewusst, welche Vor- und Nachteile die Varianten mit sich bringen und vor allem, welche Ängste und Befürchtungen in mir schlummerten und das Leben steuerten“, so Bauer.

Beratung

Das Beratungsangebot von „Lebensqualität Bauernhof“ ist kostenfrei, auf Wunsch anonym und unterliegt der Verschwiegenheitspflicht. Je nach Bedarf findet die Beratung telefonisch, persönlich in der Landwirtschaftskammer OÖ oder online statt.
Die Ansprechpartnerinnen sind von Montag bis Freitag jeweils von 8.30 bis 12 Uhr unter Tel. 050 5902-1800 oder per Mail an lebensqualitaet@lk-ooe.at zu erreichen.

- Bildquellen -

  • Close Up Of Middle Aged Woman With Hand Covering Eyes: Natalie Board- stock.adobe.com
- Werbung -
AUTORGabi Cacha
Vorheriger ArtikelBörse für Lw. Produkte Wien – Kursblatt Nr. 46/ 15. November ’23
Nächster ArtikelObstbau verlangt wirksame Werkzeuge