Zu viel Druck ist richtig schädlich

Manchmal wird dem Ackerboden einfach zu viel zugemutet.

Das Ertragspotenzial eines Bodens hängt ganz wesentlich von seiner Struktur ab. Wer diese nicht gefährden will, sollte auf die richtige Bereifung setzen und vor jedem Einsatz abschätzen, ob die aktuelle Tragfähigkeit des Bodens ausreicht.

Seit den 1950er-Jahren hat sich das Gewicht der Traktoren mehr als verdoppelt. Die immer schwerer und leistungsstärker werdenden Maschinen und dazu gehörende Geräte haben einen deutlichen Vorteil: In kürzerer Zeit können größere Flächen bearbeitet werden. Das bedeutet Schlagkraft, die bei zunehmenden landwirtschaftlichen Betriebsgrößen, aber auch im Zusammenhang mit Wetterkapriolen und rascherer Vegetationsentwicklung immer wichtiger wird. Auf der Kehrseite der Medaille finden sich zu hohe Achslasten und daraus resultierend vermehrte Bodenverdichtungen.

Negative Auswirkungen sind massiv

Diese Verdichtungen sollten von den Landwirten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Sie wirken sich negativ auf Bodenlebewesen aus und verschlechtern insbesondere den Wasser- und Lufthaushalt im Boden. Sie hemmen die Infiltration des Niederschlags in den Boden und lassen den oberirdischen Abfluss und damit auch die Erosionsneigung ansteigen. Gleichzeitig steht den Pflanzenwurzeln weniger Sauerstoff und Wasser (wie auch darin gelöste Nährstoffe) in den zusammengedrückten Poren zur Verfügung. In den verdichteten Horizonten können sich zudem die Wurzeln nur schlecht entwickeln. Daraus resultieren Ertragsverluste und weniger Resilienz der Kultur gegenüber extremen Wetterereignissen.
Die Beseitigung tiefergehender Verdichtungen ist aufwendig. Obwohl es schwierig ist, die Schäden durch Bodenverdichtung monetär zu beziffern, haben Untersuchungen des Schweizer Kompetenzzentrums Agroscope mit Partnerinstitutionen gezeigt, dass die finanziellen Auswirkungen beträchtlich sind. Bereits 2019 wurden diese am Beispiel von Schweden im Zusammenhang mit Produktivitätsverlusten und Überschwemmungsschäden mit mehreren hundert Millionen Euro pro Jahr beziffert. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass sich die Situation seit damals jedenfalls nicht verbessert hat, auch mal ganz abgesehen von der Geldentwertung.

Moderne Reifentechnologie ermöglicht niedrigeren Druck

Inwieweit ein Boden ohne Beschädigung befahrbar ist, hängt vom ausgeübten Druck und dessen Tragfähigkeit ab. Da Druck nichts anderes ist als die pro Flächeneinheit einwirkende Kraft, kann er bei gleicher Last mit zunehmender Aufstandsfläche der Reifen reduziert werden.
Durch die Wahl eines möglichst großen Reifens, einer Zwillingsbereifung und einem möglichst niedrigen Reifendruck wird daher der Boden geschont. Als Faustformel gilt dabei: Der Bodendruck in zehn Zentimeter Tiefe entspricht dem Reifeninnendruck. Es gilt: Je weniger, desto besser.
Da die Tragfähigkeit des Reifens eines Traktors (oder einer selbstfahrenden Erntemaschine) wesentlich von seinem Druck und der Fahrgeschwindigkeit abhängt, sind hier Grenzen gesetzt. Mit moderner Technologie können sie verschoben werden.
IF-Reifen (Improved Flexion) sollen bei 20 Prozent geringerem Reifenfülldruck die gleiche Last wie vergleichbare Standardreifen tragen können, bei gleichem Reifendruck sogar bis zu 20 Prozent mehr Last. Bis zu 40 Prozent mehr Performance erreichen VF-Reifen (Very-High-Flexion). Ein Freibrief für extreme Radlasten ist aber auch diese Technik nicht. Denn wenn auch mit zunehmender Radlast durch Erhöhung der Kontaktfläche der Druck gleich gehalten werden kann, nimmt dennoch die Tiefenwirkung zu, und damit die potenzielle Gefahr von Unterbodenverdichtungen. Diese Überlegungen gelten übrigens grundsätzlich auch für Raupenlaufwerke.
Sinnvoll ist es zudem, jene Fläche, die bei Fahrten übers Feld überfahren wird, zu minimieren. Durch das Anlegen permanenter Fahrspuren wie beim “Controlled Traffic Farming” (CTF) ist das für Betriebe mit automatischen Lenksystemen möglich.

Böden unterschiedlich druckempfindlich

Wie viel Druck ein Acker- oder Grünlandboden verträgt, hängt von vielen Parametern ab. Der wohl entscheidendste ist die Bodenfeuchte. Denn das Wasser zwischen den Erdteilchen wirkt wie ein Gleitmittel. Abzuwarten, bis der Boden entsprechend abgetrocknet ist, verlangt oft Nervenstärke, führt aber langfristig zu hoher Bodenfruchtbarkeit. Zu frühes Befahren dagegen bringt später oft Ertragsverluste mit sich. Weitere wichtige Parameter sind Bodenart, -typ und -bearbeitung. So ist ein Sandboden nach gleicher Niederschlagsmenge verdichtungsgefährdeter als ein an Ton reicher Boden. Auch ein unbearbeiteter Boden weist eine höhere Tragfähigkeit auf.

Modelle schätzen Verdichtungsrisiko ab

Dass ein Feld, auf dem noch Pfützen stehen, zum Befahren ungeeignet ist, weiß (und sieht) man. Manchmal sind die Verhältnisse jedoch nicht so eindeutig. Dann können auch Simulationsmodelle bei der Entscheidungsfindung direkt am Acker helfen.
Ein Beispiel hierfür ist Terranimo. Entwickelt von der Berner Fachhochschule gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Agroscope Reckenholz und den Universitäten Aarhus in Dänemark sowie Uppsala in Schweden, gibt es davon zwei Versionen, “light” und “expert”. Erstere ermöglicht die einfache und schnelle Einschätzung von Standardsituationen, letztere eine umfassende Analyse des Verdichtungsrisikos bei spezifischen Bedingungen.
Mittlerweile werden solche Systeme auch in elektronische Maschinenoptimierungssysteme integriert. So gehört etwa Terranimo seit dem Sommer vergangenen Jahres zum Standard von Claas Cemos für Traktoren. Die Algorithmen werden mit den im Cemos vorhandenen Parametern wie Bodenart und Bodenzustand, Arbeitstiefe, Feldzustand (unbearbeitet, flach bearbeitet oder tief bearbeitet), Anbaugerät, Reifentyp, Ballastierung und einigen mehr zusammengeführt.
Für die Nutzung von Terranimo entsteht somit kein weiterer Aufwand. “Anhand der kombinierten Informationen und der durch Cemos errechneten technischen Mechanik, etwa statische und dynamische Achslasten, berechnet Terranimo das Verdichtungsrisiko getrennt nach drei Bodenschichten. Anhand dieser Gefährdungsbeurteilung übermittelt Cemos Empfehlungen zu Ballastierung und Optimierung des Reifeninnendrucks zugunsten einer bodenschonenderen Fahrweise an den Fahrer”, heißt es bei Claas.
ch.terranimo.world

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AUTORMichael Stockinger
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