Gut 420 Mio. Hektar Wald wurden laut Schätzungen der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zwischen 1990 und 2020 für landwirtschaftliche Nutzung gerodet, zwei Drittel davon für die Palmöl und Sojaproduktion. Zehn Prozent der gesamten Waldzerstörung sollen dabei auf Kosten des EU-Verbrauchs gehen. Zu viel, wie man im EU-Parlament befand und forderte die Kommission bereits 2020 zur Vorlage entsprechender Rechtsvorschriften auf. Vergangene Woche wurde es dann ernst. Dem Verordnungsentwurf zur sogenannten „entwaldungsfreien Lieferkette“ stimmten die Abgeordneten in Brüssel mit einer überragenden Mehrheit von 552 Stimmen zu. Nur 44 Parlamentarier waren dagegen. Vor dem endgültigen Inkrafttreten bedarf es nun lediglich noch der formellen Zustimmung des Rates. Binnen 18 Monaten soll es zur Anwendung der Verordnung kommen.
Soja und Palmöl
Konkret sieht das Brüsseler Papier vor, dass Rinder, Kakao und Kaffee sowie Holz und Kautschuk, insbesondere aber Soja und Palmöl und daraus hergestellte Produkte nur noch dann in die EU importiert werden dürfen, wenn der Lieferant per sogenannter Sorgfaltspflichterklärung bestätigt, dass seine Waren weder zur Abholzung noch zur Schädigung von Waldflächen beigetragen haben. Als Stichtag wurde der 31. Dezember 2020 festgelegt, Güter von Flächen die danach durch Rodung in agrarische Nutzung überführt wurden, dürfen nicht länger in die Union verbracht werden. Auch ein Nachweis zur Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften in den jeweiligen Herkunftsländern muss der Handel erbringen. Bei Verstößen sollen Unternehmen scharf sanktioniert werden. Mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes sind laut Angaben der EUKommission als Strafmaß geplant. Die Einhaltung der entwaldungsfreien Lieferkette werden die EU-Behörden anhand einer dreistufigen Risikobewertung aller Importländer prüfen. Produkte aus jenen Nationen, denen die europäischen Beamten ein hohes Risiko attestieren, sollen immerhin zu neun Prozent kontrolliert werden.
Für die Kontrollen nimmt Brüssel besonders die Importeure in die Pflicht. Sie sind verpflichtet, vollständige Geolokalisationsdaten ihrer Warenströme zur Verfügung zu stellen. Diese sollen dann durch Satellitenüberwachungstools auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Auch DNA-Analysen in Produktstichproben sieht die Verordnung vor.
Handel vor Herkulesaufgabe
Der europäische Agrarhandel fühlt sich angesichts der geplanten Rückverfolgbarkeitspläne überrumpelt. Der Deutsche Raiffeisenverband etwa rechnet mit „einer massiven Störung der Warenströme“. Nach Auffassung des deutschen Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie sind künftig mit jeder Schiffsladung von Sojabohnen oder Palmöl Hunderttausende von Geolokalisationsdaten zu übermitteln. Auch die Anpassung der Lager- und Transportinfrastruktur sowie die Bereitstellung von Sorgfaltspflichtenerklärungen stelle eine Herkules-Aufgabe dar. Kritiker sprechen bereits davon, dass die Mehrkosten wohl die Käufer – also die EULandwirte – tragen werden müssen. Zustimmung kommt hingegen vom Verein Donau Soja. Deren Geschäftsführerin Dagmar Gollan zeigt sich über den Vorschlag „erfreut“, fordert jedoch weitere Verschärfungen. Insbesondere der Stichtag Ende 2020 stößt den Sojaspezialisten sauer auf. „Damit trägt die Verordnung nicht zur Erreichung der CO2-Reduktionsziele in den Lieferketten bei“, so Gollan. Der Verein selbst könne bei seinen Waren entsprechende Nachweise bis zum Jahr 2008 erbringen.
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- Urwald-Rodung: WHITCOMBERD - STOCK.ADOBE.COM