Ein Gastkommentar von Simone Schmiedtbauer, Agrarsprecherin der ÖVP im Europaparlament, und Herbert Dorfmann, Europaabgeordneter der Südtiroler Volkspartei und Agrarsprecher der EVP-Fraktion.
Die russische Aggression in der Ukraine hat schwere Folgen. Eine davon fühlen wir bereits in unserer Geldtasche, wenn wir Brot kaufen: Die Preise steigen. Die Ukraine und Russland gehören weltweit zu den führenden Weizenproduzenten. Der Krieg hat die Märkte erschüttert und die Preise steigen lassen. Beide Staaten gehören zu den Weltmarktführern beim Anbau von Mais, Raps und bei der Herstellung von Sonnenblumenöl. Mehr als 50 Prozent des in die EU importierten Mais und 86 Prozent des Sonnenblumenöls kamen 2021 aus der Ukraine. Die Engpässe kann man in manchen Ländern bereits in den Supermarktregalen sehen.
Viele europäische Landwirte füttern ihre Tiere mit ukrainischen Sojabohnen und düngen ihre Felder mit Nährstoffen aus der Ukraine, Belarus oder Russland. Jetzt sind sie von diesen Bezugsquellen wegen des Krieges und der Sanktionen abgeschnitten.
Zusätzlich verursachen die höheren Gaspreise und die Gas-Versorgungsengpässe Probleme bei der Herstellung von Düngemitteln, viele Landwirte können sie nicht mehr ausreichend beziehen. Gerade in einer Zeit, in der Europa so viel wie möglich produzieren soll, kann das zu geringeren Ernten führen. So können wir die Produktionsausfälle nicht ausgleichen – bei uns und auf den Weltmärkten. In Nordafrika, wo ukrainische Weizenimporte von zentraler Bedeutung waren, können steigende Brotpreise zu politischen Turbulenzen führen.
Die Schwankungen der Preise und des Angebots am Weltmarkt wirken sich auch auf unseren Binnenmarkt aus. Die Europäische Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament fordert die EU-Kommission auf, das ordentliche Funktionieren des Binnenmarkts für Agrarprodukte zu garantieren und dabei – wenn nötig – strenge Maßnahmen gegen jene Mitgliedstaaten zu ergreifen, die Exportbeschränkungen verhängen. Solche Beschränkungen sind nicht vom EU-Recht gedeckt und würden die europäische Solidarität ernsthaft gefährden, auf die wir in dieser herausfordernden Zeit angewiesen sind.
Vor allem sollte es jetzt darum gehen, dass wir so viele Lebensmittel anbauen, wie wir können und dass unsere Landwirte alle Möglichkeiten und Mittel dazu haben – jeder Hektar zählt. Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln muss unsere oberste Priorität sein. Deshalb haben wir als EVP-Fraktion ein rasches Handeln der EU-Kommission gefordert.
Unser erster Erfolg ist die Freigabe von ökologischen Vorrangflächen für den Anbau jeglicher Kulturen mit Pflanzenschutzmitteleinsatz im Jahr 2022 durch die EU-Kommission. So können etwa die Erträge des Eiweißpflanzenanbaus auf diesen Flächen gesteigert werden. Jetzt ist die EU-Kommission gefordert, auch eine vorübergehende Aussetzung der Stilllegungsverpflichtungen, die in der neuen GAP ab 2023 vorgesehen sind, zu prüfen. Die diesjährige Ausnahme wird nicht reichen.
Zweitens ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um Gesetzesvorschläge zu verfolgen, die die Produktion einschränken und den Landwirten zusätzliche Lasten aufbürden. Gesetzgebungsinitiativen, die eine weitere Stilllegung von Ackerflächen, Einschränkung von Pflanzenschutzmitteleinsatz und Due Dilligence betreffen, wie in der Farm-to-Fork- und Biodiversitätsstrategie vorgesehen, müssen verschoben werden, bis die Auswirkungen der Krise vollständig bekannt sind.
Drittens müssen wir bereit sein, alle verfügbaren Maßnahmen zur Marktstabilisierung anzuwenden, die im Rahmen der GAP zur Verfügung stehen. Wir sehen bereits markante Auswirkungen auf die Märkte und durch mögliche russische Importembargos könnten sie weiter in Mitleidenschaft gezogen werden.
Schließlich fordern wir die EU-Kommission auf, unverzüglich einen umfassenden strategischen Plan vorzulegen, um die Ernährungssicherheit in der EU zu gewährleisten. Konsumenten und Landwirte sitzen da in Europa in einem Boot. Je besser wir unsere Zukunft absichern, desto mehr helfen wir unseren Freundinnen und Freunden in der Ukraine, wo es erhebliche Ernteausfälle geben wird, wo zuvor die russischen Panzer alles niedergewalzt haben und die Felder vermint wurden.