Am Mittwoch, 28. Juni, hat die EU-Kommission ein Reflexionspapier zur Zukunft der europäischen Finanzen veröffentlicht. In fünf Szenarien wird darin die künftige Finanzierung der unterschiedlichen Politikbereiche der Union nach 2020 beschrieben und zur Diskussion gestellt. Die EU-Kommission hat das Papier vor dem Hintergrund des Austritts Großbritanniens aus der EU (Brexit) erstellt. Die Vorschläge sollen in einen groß angelegten Reflexionsprozess für die Erstellung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens für eine EU mit 27 statt wie bislang 28 Mitgliedsstaaten einfließen. Den Finanzrahmen will die Kommission Mitte 2018 vorlegen.
Zusätzlich zur Finanzlücke durch den Brexit werde von der EU erwartet, eine größere Rolle in neuen Politikbereichen, wie Migration, innere und äußere Sicherheit oder Verteidigung zu übernehmen, so die Kommission. Das heißt: mit weniger Mitteln muss mehr finanziert werden. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger will trotz der neuen Aufgaben keinen Kahlschlag bei der Agrarfinanzierung. Laut Medienberichten verteidigte Oettinger am Donnerstag, 29. Juni, am Bauerntag in Berlin das Agrarbudget.
In der kommenden Finanzierungsperiode ab 2021 fehlen im EU-Haushalt aber zehn bis elf Mrd. Euro. Die Lücke muss zum Teil durch Kürzungen bei der Wirtschafts- und Agrarpolitik geschlossen werden. Oettinger erklärte, er sei Realist genug, um die drohende Deckungslücke im EU-Haushalt durch den Brexit nicht einfach von den verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten einzufordern. Ein Teil der zehn bis elf Mrd. Euro müssten deshalb eingespart werden und zwar von der EU-Agrarpolitik, den Struktur- und Kohäsionsfonds, den Europäischen Verkehrsnetzen sowie der Forschung.
Im Papier der EU-Kommission werden zwar die vielfältigen Leistungen der europäischen Landwirtschaft hervorgehoben, dennoch sind in vier der fünf Szenarien Budgetkürzungen vorgesehen. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter: „Ich werde in dieser Frage meine gesamte politische Erfahrung einbringen, Allianzen schmieden und um jeden Cent in Brüssel kämpfen. Hier geht es um das Weiterbestehen unserer kleinstrukturierten österreichischen Landwirtschaft, der hochqualitativen Lebensmittelversorgung und des ländlichen Raums. Der bäuerliche Familienbetrieb ist die stabilste und krisenfesteste Form der Landwirtschaft und nicht die Agrarindustrie.”
Auch Bauernbund-Präsident Abg. z. NR Jakob Auer warnt davor, beim Budget an den falschen Schrauben zu drehen. Auer: “Die Landwirtschaft als Infrastrukturmotor im ländlichen Raum und die Versorgung mit Nahrungsmitteln sind entschieden sicherheits- und systemrelevant, nicht nur für jeden Mitgliedsstaat, sondern auch für die Gesamt-EU.“ Der Bauernbund werde in Brüssel deutlich auf die Leistungen der bäuerlichen Familienbetriebe hinweisen, so Auer.
LK Österreich Präsident Abg. z. NR Hermann Schultes sprach die Notwendigkeit der Direktzahlungen an. Schultes: “Was wir brauchen, ist eine solide Finanzbasis, die die Leistungen der Landwirtschaft und somit die Versorgung der Gesellschaft mit Ernährung, Erholungsraum und erneuerbarer Energie sichert. Daher appellieren wir an die Kommission, im kommenden Budget den oft geäußerten Bekenntnissen zu den Leistungen der Landwirte in Europa auch die finanzielle Vorsorge folgen zu lassen.”
Eva Zitz/AIZ
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