Für die einen sind sie unsichtbare Wesen, die vor Unheil bewahren. Für die anderen sind sie Menschen, die der “Himmel schickt”. Manche nehmen sie als innere Stimme wahr, die ihnen den Weg weist: Engel sind wichtige Begleiter im Leben vieler Menschen. Bischofsvikar Johann Hintermaier hat für die Diözese den “Höhenrausch 2016” mitgestaltet. Er sagt, dass Engel auch heute überall in unserer Gesellschaft Platz haben.
Engel haben Hochkunjunktur. Wir kennen Engelskarten, Engelsrufer oder Schutzengel-Figuren. Woher kommt das? Hintermaier: Das ist stark von den Sehnsüchten des Menschen geprägt, welche Wünsche und Sehnsüchte wir in uns tragen. Da ist nicht immer alles machbar oder kaufbar. Da wünscht man sich Hilfe, wo auch immer die herkommt.
Wo liegt der Unterschied der “modernen” Engel zu biblischen Engeln?
Hintermaier: Biblische Engel haben immer mit Mensch und Gott zu tun. Biblische Engel sind Boten Gottes. Sie tragen die Botschaft Gottes zu uns. Engel lassen uns erfahren: “Da begleitet mich jemand in meinem Leben, da ist jemand für mich da”. Es gibt eine tiefe Sehnsucht des Menschen, nicht alleine zu sein, sondern Freude und Not zu teilen. Die Engel sagen uns, dass Gott sich um uns sorgt.
Ist das auch Thema des “Höhenrausch 2016”?
Hintermaier: Als Diözese bieten wir den Blick auf die biblischen Engel und erklären ihre Bedeutung. Mittwochs ist immer Kirchentag. Um 11 Uhr gibt es eine Führung in der Ursulinenkirche zu den biblischen Engeln. Am Nachmittag bieten unsere Mitarbeiter unter dem Motto “Von Engeln berührt” Gesprächsrunden in der Engel-Lounge an. (Details untenstehend)
Brauchen wir Engel?
Hintermaier: Brauchen wir Beziehung? Ja. Und die muss sich irgendwo ausdrücken oder festmachen. Die Beziehung Gottes zu uns Menschen manifestiert sich in den Engeln. Interessant ist ja, dass ursprünglich Engel keine Flügel hatten. In alten biblischen Darstellungen sind das einfach Menschen, die plötzlich auftreten. Die da sind, die ermutigen, Hoffnung geben, begleiten, auch ermahnen und wachrütteln. Und plötzlich sind sie wieder verschwunden. Auch bei der Auferstehung Jesu ist die Sprache von “Männern in weißen Gewändern”, die die Auferstehung verkünden. Die Engel mit Flügeln treten in der Kunst erst etwa im 4./5. Jahrhundert auf.
Wo haben denn Engel Platz in der heutigen Gesellschaft?
Hintermaier: Überall. Vor allem aber sind sie im zwischenmenschlichen Bereich angesiedelt. Damit wir einander verstehen und damit wir einander begleiten. Der Schutzengel ist ein typisches Symbol. Es gibt kaum eine Taufe, wo dem Kind kein Schutzengel geschenkt wird. Eltern und Paten legen da ihre ganzen Wünsche hinein und vertrauen, dass auch die Liebe Gottes dabei ist.
Verlassen sich manche Menschen zu sehr auf Schutzengel?
Hintermaier: Die biblische Botschaft fördert die Eigenverantwortung. Die eigene Vernunft kann ich nicht ausschalten. Engel können unterstützen und begleiten. Sie geben einem da und dort einen Anstoß, treten dann aber wieder zurück. Entscheidungen können uns weder Engel noch Gott abnehmen. Sonst hätten wir keinen freien Willen.
Engel stehen hoch im Kurs, der Gottesglaube ist eher in der Krise. Warum gibt es diese Widersprüchlichkeit? Hintermaier: Gott ist eine Größe, die feststeht, der Engel ist flexibler. Den kann ich mir richten, wie ich ihn brauche. Der Glaube an Gott hat mehr Konsequenzen. Wenn ich mich dafür entscheide, dann ist auch ein gewisser Weg damit verbunden. Die “Engelreligiösität” fordert diese Entscheidungen nicht.
Wie kann denn der Gottesglaube gestärkt werden?
Hintermaier: Durch Begegnung und Erfahrung. Nicht durch Lehre und Belehrung.
Muss sich die Kirche öffnen?
Hintermaier: Wir dürfen uns nie selbst genügen. Wir müssen uns öffnen für die Bedürfnisse der Menschen, die von Zukunftsängsten geprägt sind. Ihnen müssen wir ein Stück Gottvertrauen mitgeben.
Welche Antwort kann die Kirche auf die Angst geben?
Hintermaier: Habt Mut. Ängste kann ich nicht überwinden, indem ich gegen die Angst kämpfe, sondern indem ich einen Halt habe, der mir Sicherheit gibt. Dann kann ich gelassener auf die Angst zugehen. Da sind wir wieder bei den Engeln. Sie helfen und unterstützen. Aber sie sind nur Geschöpfe und selbst nicht schöpferisch. Dieser letzte Halt ist Gott, der Schöpfer.
Haben Sie einen Lieblingsengel?
Hintermaier: Eigentlich sind es zwei Engel in der Ursulinenkirche. Die schauen sich an und plaudern miteinander. Das nehme ich als Botschaft wahr: Dass die Menschen mehr miteinander reden sollen und einander zum Engel werden.
Höhenrausch – Andere Engel
Auf eine beflügelnde Spurensuche zwischen Himmel und Erde macht sich der diesjährige Höhenrausch. Das Thema ist: “Andere Engel”.
Die Ausstellung beginnt mit einer Versammlung von Alltagsengeln, wie sie aus dem täglichen Leben bekannt sind. In den Dachböden lernen die Besucher fremde Engel kennen. Ein Engelsamt ruft die vielfältigen Tätigkeiten und Funktionen von Engeln in Erinnerung. Auf dem Parkdeck wächst ein botanischer Engelgarten. Zeigenössische Kompositionen verwandeln den Keine Sorgen Turm in eine vokale Himmelsstiege.
Die Diözese Linz bietet einen Einblick in die “biblischen Engel”. Bei Führungen in der Ursulinenkirche lernt man Aufgaben der biblischen Engel kennen (jeden Mittwoch um 11 Uhr) . Die Engel-Lounge auf dem Parkdeck lädt zum Verweilen und zur Engel-Spurensuche ein. Mittwochs von 15 bis 16.30 Uhr gibt es dort auch Gesprächsrunden.
Höhenrausch: 21. Mai bis 16. Oktober 2016, täglich von 10 bis 20.30 Uhr geöffnet. Alle Informationen unter www.hoehenrausch.at und www.dioezese-linz.at
Zur Person: Bischofsvikar Johann Hintermaier
Johann Hintermaier ist für Planung und Durchführung des Höhenrausch 2016 vonseiten der Diözese Linz verantwortlich. Johann Hintermaier ist Bischofsvikar und als solcher der “Stellvertreter” des Diözesanbischofs zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben. Seine Aufgaben betreffen die Erwachsenenbildung und pastorale Fortbildung. Johann Hintermaier ist außerdem Leiter des Priesterseminars Linz. Hintermaier wurde 1993 zum Priester geweiht. Von 1999 bis 2003 war er Kaplan der Linzer Dompfarre, danach ging er als “Spiritual” ins Linzer Priesterseminar und erfüllte einen Lehrauftrag in Texas. Seit 2006 ist er Spiritual im “Propaedeuticum”, dem einjährigen gesamtösterreichischen Vorbereitungskurs für Priesteramtskandidaten.