Ronald Hamedl im Gespräch mit Clemens Wieltsch

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„Bio-Pflanzenschutz schafft Unabhängigkeit“

Warum die EU-Landwirtschaft durch strikte Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel ins Hintertreffen gerät und welche Chance biologische Wirkstoffe bieten, darüber hat Kwizda-Agro-Geschäftsführer Ronald Hamedl mit der BauernZeitung gesprochen.

BauernZeitung Herr Hamedl, im Ackerbau blicken wir heuer auf ein ertraglich gutes Jahr zurück. Trotzdem ist die Stimmung unter Landwirten preisbedingt getrübt. Wie fällt die Erntebilanz bei Kwizda Agro aus?

Ronald Hamedl Die schwierigen Rahmenbedingungen der Landwirtschaft spüren wir im Geschäft. In Kulturen wo die Marktpreise unter Druck stehen, griffen unsere Kunden oft zum günstigeren Pflanzenschutzmittel. Durch unsere eigene Forschung und Entwicklung aber auch durch Partner könnnen wir solche anbieten. Wir sind deshalb recht zufrieden mit dem laufenden Geschäftsjahr.

BauernZeitung Die Bauern sehen sich mit einem ständig schrumpfenden Wirkstoffspektrum konfrontiert. Woran krankt es hier?

Ronald Hamedl In der EU hat man in den vergangenen fünf Jahren einen chemisch-synthetischen Wirkstoff zugelassen. Ein japanisches Unternehmen, dass ich kürzlich auf Geschäftsreise besucht habe, hat allein im Vorjahr am US-Markt Zulassungen für fünf Wirkstoffe erhalten. In der EU werden extrem hohe Ansprüche an die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gestellt. So extrem, dass es teilweise die Behörden gar nicht mehr administrieren können. Hinzu kommt die vermeintliche Harmonisierung der Verfahren in den Mitgliedstaaten, die wir so in der Praxis in keinster Weise sehen. Wir haben selbst in acht EU-Ländern für ein Orangenöl eine Zulassung als biologisches Fungizid und Insektizid erhalten. Einzig Österreich weigert sich. Dabei würde das etwa im Kampf gegen die neu aufgetretene Rebzikade helfen.

Völlig egal ob chemisch oder biologisch. Zulassungen dauern bis zu acht Jahre.

Ronald Hamedl

BauernZeitung Das Problem besteht also auch für biologische Mittel?

Ronald Hamedl In der EU ist vollkommen egal, ob es chemisch-synthetisch oder bio ist, wir sprechen von Zulassungszeiträumen von bis zu acht Jahren. In den USA hingegen dauern Verfahren für Mittel geringerer Toxizität nur zwei bis drei Jahre.

BauernZeitung Woran liegt das?

Ronald Hamedl Das hat mehrere Gründe. In den USA geht man wesentlich pragmatischer an die Zulassung heran, die Risikoabwägung funktioniert. In der EU hingegen kommt dann noch die getrennte Wirkstoff- und Produktzulassung dazu. Das kostet Zeit und ist ein europäisches Spezifikum.

BauernZeitung Bedeutet das letztlich nicht einen Wettbewerbsnachteil für die Bauern hierzulande?

Ronald Hamedl Unsere Landwirte haben aufgrund der mangelnden Wirkstoffe sicher einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz. Mittel- bis langfristig werden Innovationen für den EU-Landwirt nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie müssen aber am Weltmarkt mit Kollegen aus den USA oder Lateinamerika konkurrieren.

BauernZeitung Wie lässt sich diese Negativ-Spirale auflösen?

Ronald Hamedl Wir als Unternehmen, aber auch die Industriegruppe Pflanzenschutz, haben zwei konkrete Forderungen. Einerseits fordern wir die EU-rechtlich verankerte gegenseitige Zulassung innerhalb von vier Monaten. Weiters plädieren wir für eine Stelle bei den Zulassungsbehörden, die das Risikoprofil eines Wirkstoffes und den Nutzen für die Landwirtschaft abwägt. Eine solche fehlt unseren Behörden, weshalb viele Wirkstoffe nicht mehr zugelassen oder neue Entwicklungen in der EU gar nicht zur Zulassung eingereicht werden.

BauernZeitung Zu allem Überfluss ist Pflanzenschutz auch in der Gesellschaft eine hoch emotionale Angelegenheit. Hat die Branche zu lange geschwiegen?

Ronald Hamedl Wir haben zumindest sehr lange nur auf die rigorosen Zulassungsverfahren verwiesen. Durch die Re-Evaluierung nach spätestens 15 Jahren sind diese immerhin strenger als für Medikamente. Mittlerweile sind wir öffentlich wesentlich aktiver und versuchen Vorteile und Nutzen des Pflanzenschutzes – gleich ob chemisch-synthetisch oder biologisch – darzustellen.

BauernZeitung Kwizda Agro ist im Biobereich führend. Haben Öko-Präparate ein besseres Image?

Ronald Hamedl Die Biolandwirtschaft und auch die biologischen Pflanzenschutzmittel haben per se einen sehr guten Ruf. Man muss aber differenzieren. Eine grundsätzlich niedrigere Toxizität steht einer Einschränkung in der Wirksamkeit gegenüber, die durch höhere Aufwandmengen kompensiert wird. Wir brauchen eine offene, transparente und wissenschaftsbasierte Diskussion, um diese Vor- und Nachteile jeder Gruppe dann auch gegenüberzustellen. Unser Unternehmen ist von der Biologisierung des Pflanzenschutzmittelportfolios überzeugt.

BauernZeitung Warum?

Ronald Hamedl Nicht nur wegen der Toxizität der Wirkstoffe, sondern einfach auch der Verfügbarkeit der Rohstoffe. Wir sind im chemisch-synthetischen Bereich auf Asien und auf Erdöl und Erdgas als Rohstoffquelle angewiesen. Bei biologischen Pflanzenschutzmitteln arbeiten wir mit nachwachsenden Rohstoffen. Die Unabhängigkeit, die man sich hier schafft, ist ein wichtiger Faktor.

BauernZeitung Macht das zukünftig Biomittel auch für die konventionelle Landwirtschaft interessant?

Ronald Hamedl Wir sind schon jetzt etwa bei Wildverbissmittel mit 80 Prozent Marktanteil führend. Auch biologische Insektizide wie unser Raptol HP werden schon in der konventionellen Landwirtschaft angewandt. Bauern wägen sehr gut ab und sind bei entsprechender Wirksamkeit bereit, Premiumprodukte zu nutzen und auch zu bezahlen.

Zur Person

DI Ronald Hamedl (51) ist seit 2018 Geschäftsführer der Kwizda Agro GmbH. Der studierte Agrarökonom war zuvor für namhafte Unternehmen der Saatgut- und Pflanzenschutzmittelindustrie in Zentral- und Osteuropa tätig. Seit sieben Jahren ist Hamedl auch Vorstandsmitglied der IndustrieGruppe Pflanzenschutz.