Nach Jahren mit rückläufigen Schlachtungen melden die österreichischen Klassifizierungsdienste 2024 mit gut 4,4 Mio. Schweinen erstmals wieder ein zartes Plus. Für die heimische Schweinebranche ist das nur bedingt ein Grund zu jubeln, wie ein Blick in den vergangene Woche präsentierten Tierwohlbericht der Schweinebörse verrät. Demnach war der Anteil an AMA-Gütesiegel- Schweinen der Basisstufe um drei Prozent rückläufig, ebenso jener an TW-60-Tieren(„Mehr Tierwohl – gut“). Einzig die Schiene TW-100 („Mehr Tierwohl – sehr gut“) wuchs um mehr als die Hälfte. Mit 66.800 Schlachtschweinen bleibt dessen Anteil insgesamt aber verschwindend gering (1,6 %).
Hagler: „Der Markt zeigt uns Grenzen auf.“
Dem gegenüber stehen gut 84.500 zusätzliche Schweine, die im Vorjahr ohne Qualitätsprogramm geschlachtet wurden, sowie ein deutliches Plus an Tieren, die aus dem Ausland als Ferkel bezogen und hierzulande gemästet oder gar nur zur Schlachtung importiert wurden. Insgesamt gehörten 2024 zu letzterer Kategorie 539.000 klassifiziert geschlachtete Schweine.
Warteliste für Bauern
„Der Markt zeigt uns Grenzen auf“, resümiert Rupert Hagler, Obmann der Schweinebörse, bei der Präsentation des Berichts. Das sei umso bitterer, weil sich die Branche 2021 eigentlich mit einer Tierwohlstrategie zu einer umfassenden Weiterentwicklung der Haltungsstandards bekannt habe. „Wir sehen schon jetzt, dass wir dem Masterplan hinterherhinken“, ergänzt Geschäftsführer Johann Schlederer. Dabei wären aktuell einige bestehende Mäster sofort bereit, in Tierwohlställe zu investieren. Für sie heißt es vorerst aber „bitte warten“. Denn derzeit fehle es an Kontraktabschlüssen mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Diese seien laut Schlederer aber dringend notwendig. „Für einen Tierwohlstall muss man zwei bis drei Millionen Euro in die Hand nehmen, das geht nur mit einer Absatzgarantie“, so Schlederer. Den Ausführungen der Experten zufolge wird derzeit nur vom Rewe-Konzern eine „relevante Menge“ an Tierwohlschweinen bezogen. Den Bauern wird im Kontrakt eine Abnahmegarantie für fünf Jahre zuerkannt. „Bei einer Abschreibung von 25 Jahren ist das die Unterkante“, ergänzt Schlederer.
Nach dem Zuwachs bei TW- 100 im Vorjahr rechnet man an der Schweinebörse heuer mit Stagnation in allen Premium- Sparten. Handel, Gemeinschaftsverpflegung und öffentliche Hand seien nun gleichermaßen gefordert, um die Nachfrage anzukurbeln. „Als Erzeugergemeinschaften stehen wir Gewehr bei Fuß, um das Segment zu bedienen“, beteuert der Börsen- Chef.
65.000 Strohschweine für Rewe
Die mehrfach angesprochenen großen Handelsketten im Land beteuern auf BauernZeitung- Nachfrage allesamt, in Sachen Tierwohl bemüht zu sein. So auch der lobend erwähnte Rewe- Konzern. Andreas Steidl, Leiter der Billa-Tierwohl-Programme, erklärt, dass 2024 65.000 Schweine abgenommen wurden: „Heuer bauen wir auf eine Jahreskapazität von 110.000 Schweinen aus.“ Geschuldet ist das der Umstellung der Billa-Handelsmarke „Hofstädter“. Schon jetzt sei der Tierwohl-Anteil bei Frischfleisch vom Schwein bei 31 Prozent, in den kommenden Jahren werde dieser mit Ausnahme der Billigsegmente weiter zunehmen. „Eine entsprechende Anzahl an zufriedenen Kunden“ stimme Steidl dafür optimistisch.
Lidl: „Die Verlustkennzahlen für diese Produkte sind überdurchschnittlich hoch.“
Gänzlich anderer Meinung ist hier Spar-Pressesprecherin Nicole Berkmann. Zwar beziehe auch der LEH-Marktführer mittlerweile gut 50.000 Premium- Schweine, eigenen Angaben zufolge direkt über Schlachthöfe, der Absatz sei aber „nicht einfach“. „Wir müssen das Fleisch immer wieder unter konventionellen Schienen zum konventionellen Preis verkaufen“, so Berkmann. Entsprechend sieht Spar „nur wenig Entwicklungsmöglichkeiten“. Ähnliches teilt auch die Geschäftsführung der Diskontkette Lidl mit. Die Forderung nach Tierwohl gehe nicht mit einer tatsächlichen Steigerung der Nachfrage einher. „Die Verlustkennzahlen für diese Produkte sind überdurchschnittlich hoch“, heißt es.
Immer wieder versuche man durch Aktionen auf die Gütesiegel-Produkte aufmerksam zu machen: „Wie so oft spielt auch hier der Preis eine Rolle.“ Eine konkrete Zahl, wie viele Schweine künftig abgenommen werden sollen, kann oder will man nicht nennen. Deutlich optimistischer gibt man sich beim Diskont-Konkurrent Hofer. Dort ist von „stabilen Zuwächsen“ bei konventioneller wie bei Tierwohl-Ware die Rede. „Bis 2030 wollen wir im Rahmen unserer Tierwohl-Vision unser gesamtes Frischfleisch-Sortiment in tierwohlverbesserten Haltungsformen anbieten“, informiert man außerdem. Ausgenommen soll aber auch dann Aktionsware sein.
Vollspalten-Frist dringend gefordert
Letztlich dürfte Johann Schlederer in der verfahrenen Situation Recht behalten: „Am Ende des Tages braucht es Kunden, die bereit sind, für den Mehraufwand zu bezahlen.“ Am Rande der Präsentation des Tierwohlberichts war auch die fehlende Rechtssicherheit zum Vollspaltenboden ein Thema. „Wir sind guter Dinge, dass die Regierung hier eine Lösung auf den Weg bringt“, erklärt Franz Rauscher, Obmann der Schweinehaltung Österreich. Man habe Gespräche mit allen politischen Parteien geführt und rechne mit einer Fristverlängerung noch vor dem Stichtag am 1. Juni. 2027 werden erste Forschungsergebnisse zu Optimierungen in bestehenden Ställen vorliegen, das gelte es jedenfalls abzuwarten, „um die Bauern nicht in Fehlinvestitionen zu treiben“, so Rauscher. Deutlich schärfer äußert sich diesbezüglich LK-Österreich- Präsident Josef Moosbrugger: „Wir brauchen dringend eine gültige und praktikable Vollspaltenboden-Übergangsfrist und Planungssicherheit für unsere Schweinehalter.“ Diese müsse auch die Stagnation bei Tierwohl mitberücksichtigen.
Der Tierwohlbericht 2024 steht in voller Länge hier zur Verfügung.
- Bildquellen -
- Tierwohlstall: agrarfoto.com