Zwei Wölfe

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Wolfsland wider Willen?

Ein groß angelegtes Forschungsprojekt der Boku in Wien liefert valide Zahlen zum Konfliktpotenzial, welches die zunehmende Verbreitung des Wolfs in Österreich mit sich bringt.

Gut ein Jahr lang haben sich Wissenschafter am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft an der Boku University (vormals Universität für Bodenkultur) mit der Erarbeitung von Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodellen für den Wolf in Österreich befasst. Seit September liegt der Endbericht des gleichnamigen Projektes, welches vom Landwirtschaftsministerium sowie den Ämtern der Landesregierungen aller Bundesländer außer Burgenland und Wien finanziert und beauftragt wurde, vor.

Damit steht nun wissenschaftlich fundiert fest, was Bauern während der Weidesaison seit Jahren schmerzlich beim eigenen Viehbestand feststellen müssen: Der Wolf fühlt sich wohl in Österreich. Die Ergebnisse der Wildbiologen zeigen, dass Österreich über große Flächen mit hohem Lebensraumpotenzial verfügt, insbesondere in den Alpenregionen. „Diese Gebiete zeichnen sich durch eine hohe Waldbedeckung, geringe menschliche Störung und geeignete topografische Bedingungen aus“, schreibt das Autorenteam rund um Universitätsassistentin Jennifer Hatlauf und Professor Klaus Hackländer. Regionen wie etwa die zentralen und nördlichen Ostalpen sowie das Wald- und Mühlviertel hätten besonders hohes Potenzial, städtische Gebiete und intensiv genutzte Agrarregionen hingegen weniger. Die Präsenz von Weidevieh ist demnach der größte Treiber für Risspotenzial und mache die Regionen entsprechend für den Wolf attraktiv. Auch die Distanzen zu Wald oder Offenland, die Nähe zu Siedlungen und die Dichte des Straßennetzes seien entscheidend. „Wölfe nutzen in Österreich hauptsächlich vom Menschen dominierte oder allenfalls naturnahe Lebensräume“, konstatieren die Experten und unterstreichen zugleich, dass sich Wölfe als Generalisten – gerade bei einer in Ausbreitung befindlichen Population – rasch an die Umgebung anpassen. Besonders hoch sei das Risspotenzial derzeit entsprechend in den Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten und Steiermark. Wiewohl Herdenschutzmaßnahmen nicht direkt berücksichtigt wurden, halten die Wissenschafter fest, dass das Modell im Almgebiet generell ein höheres Rissaufkommen unterstellt, also dort, wo anders als auf Heimflächen nicht gezäunt wird beziehungsweise werden kann.

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Besonders spannend: Der Projektbericht liefert auch eine Modellrechnung zum Konfliktpotenzial, welches der Wolf mit sich bringt. Auf Basis von Interviews mit Behördenvertretern wurden die Bedürfnisse unterschiedlicher Sektoren (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus und Naherholung sowie allgemeine Bevölkerung) ganzheitlich einbezogen und visualisiert. Demnach sei die Präsenz des Wolfs im Westen der Republik besonders problematisch, während etwa im Burgenland ein Nebeneinander von Mensch und Wolf – zumindest nach dieser Rechnung – nahezu konfliktfrei möglich sei.

Hotspots in mittlerer Höhenlage

In einem finalen Schritt vereinten die Boku-Forscher das Lebensraum- mit dem Konfliktpotenzialmodell (siehe Karte). Damit gibt es für Österreich erstmals eine Darstellung, die die Hotspot-Gebiete des Wolfs (dunkelblau) ausweist. „Diese Gebiete befinden sich vor allem in den westlichen Alpenregionen, in mittlerer Seehöhe, nicht aber in Tallage oder in den höchsten Alpenbereichen“, heißt es. Die Hotspots seien besonders relevant für das Wolfsmanagement, da hier Konfliktlösungsstrategien und Monitoring priorisiert werden könnten, urteilen die Experten. Zugleich weise das Modell Regionen mit geringem Potenzial für Konflikte aus, etwa im östlichen Teil der Alpen.

Kaum Rückhalt für Wolfspräsenz

Im Bericht der Universität wird allerdings angemerkt, dass die Berechnungen keine detaillierten Zahlen zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Wölfen beinhalten. Zitiert wird jedoch eine internationale Umfrage des Projektes „Life WolfAlps EU“ aus 2022, wonach hierzulande – anders als in anderen Alpenländern – eine Mehrheit der Bevölkerung keine Wölfe in ihrer Umgebung duldet. „Mit den bei Weitem höchsten Werten für völlige Ablehnung“, wird angemerkt. Toleriert werde dies in Österreich demnach einzig von NGO-Vertretern.

Monitoring für Verbesserungen

Die Autoren des Projektberichts wollen mit der Ausweisung der Hotspot-Gebiete auch zur Verbesserung der derzeitigen Situation beitragen und fordern dort ein Zusammenrücken von Wissenschaft, Politik und betroffenen Interessengruppen ein. Dazu bedarf es auch weiterer Daten zum Wolfsvorkommen, der gesellschaftlichen Akzeptanz sowie der Umsetzbarkeit und ökonomischen wie ökologischen Auswirkungen von Herdenschutz, teilt man sinngemäß mit.

ProjektberichtDer Endbericht des Forschungsprojekts in voller Länge.