„EU-Skeptikern gebe ich recht“

Europaministerin Claudia Plakolm wird für Österreich die Gestaltung des künftigen EU-Finanzhaushalts mitverhandeln. Mit diesen Argumenten geht die Bauerntochter und Jägerin in Brüssel ins Rennen.

Claudia Plakolm sitzt an einem Tisch und spricht.

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BauernZeitung Frau Plakolm, seit gut einem halben Jahr sind Sie als Europaministerin im Amt. Wie legen Sie den Posten an und wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz aus?

Claudia Plakolm Ich bin angetreten, damit sich Europa wieder um das kümmert, was wirklich wichtig ist. Wie sorgen wir für Sicherheit? Wie stärken wir unseren Standort? Und wie reduzieren wir endlich spürbar die Bürokratie? Nach einem halben Jahr kann ich sagen: Es kommt Bewegung rein. Bei der Asyl- und Migrationspolitik tut sich endlich einiges – nachdem Österreich da viele Jahre darauf gedrängt hat. Und auch beim Thema Bürokratieabbau, besonders bei den Berichtspflichten, hat die EU-Kommission erste Schritte gesetzt. Für mich ist klar: Wir brauchen ein starkes Europa, nicht eines, das alles bis ins kleinste Detail regelt. Dass sich Einsatz auszahlt, hat man zuletzt bei der Senkung des Schutzstatus des Wolfs gesehen.

BauernZeitung Die EU polarisiert. Gerade in der Bauernschaft sorgt die Bürokratie oft für Kopfschütteln. Was antworten sie Skeptikern?

Claudia Plakolm Diesen Skeptikern gebe ich recht. Wenn eine Bäuerin oder ein Bauer den halben Tag am Schreibtisch statt im Stall oder am Feld verbringt, dann stimmt etwas nicht. Europa soll nicht im Kleinklein und in der Überregulierung ersticken, sondern kluge Rahmenbedingungen schaffen. Klar ist aber auch: Wir leben in einer Zeit großer Herausforderungen. Gerade deshalb brauchen wir ein starkes, handlungsfähiges Europa.

Einerseits will man einen Mega-Haushalt aufstellen, andererseits droht eine Kürzung in der Landwirtschaft. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.

Claudia Plakolm

BauernZeitung Mit dem Vorschlag für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) macht sich die EU-Kommission unter Bauern keine Freunde. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Claudia Plakolm Der MFR-Vorschlag der EU-Kommission liegt seit Juli am Tisch und wir haben schnell klargestellt: So geht sich das für Österreich nicht aus. Einerseits will man einen Mega-Haushalt aufstellen, andererseits droht eine Kürzung in der Landwirtschaft. Das passt vorne und hinten nicht zusammen. Denn eines muss klar sein: Wer Versorgungssicherheit will, muss auch unsere Landwirtschaft absichern. Und zwar langfristig. Konkret soll ja nicht nur gespart, sondern der eigene GAP-Topf aufgeben werden. Österreich positioniert sich hier klar dagegen.

BauernZeitung Wie wollen Sie das in Brüssel durchbringen?

Claudia Plakolm Mit Klartext und mit starken Partnern. Landwirtschaftsminister Totschnig und ich arbeiten eng zusammen und suchen gezielt den Schulterschluss mit anderen Ländern. Gerade die zweite Säule der GAP ist für unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft sehr wichtig. Wenn da gekürzt wird, trifft es genau jene, die täglich hart arbeiten.

BauernZeitung Als Bauerntochter ist der ländliche Raum ja Ihr Metier. Was braucht es, damit sich dieser positiv entwickelt?

Claudia Plakolm Es braucht aus meiner Sicht die „3 W“. Das erste W steht für Wohnraum. Wohnraum heißt für mich, dass es möglich sein muss, dass sich junge Leute eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus schaffen können, dass Eigentum für sie leistbar ist. Das zweite W steht für Wlan. Wir brauchen ein leistungsfähiges, schnelles Internet, damit Arbeiten und Leben möglich sind. Und das dritte W, das steht für Wurzeln. Junge Leute identifizieren sich viel stärker mit ihrer Heimat, wenn sie in Vereinen engagiert sind. Und für diese Organisationen brauchen wir ordentliche Rahmenbedingungen.

BauernZeitung In der vergangenen Legislaturperiode eilte Ihnen der Beiname „Landjugend-Staatsekretärin“ voraus. Welche Voraussetzungen benötigt die bäuerliche Jugend für die Zukunft?

Claudia Plakolm Vor allem eines: Verlässlichkeit. Wer einen Betrieb übernimmt, will nicht alle zwei Jahre mit neuen Vorschriften überrumpelt werden. Die Jungen, mit denen ich spreche, sind motiviert. Viele wollen den Hof weiterführen. Aber sie brauchen Planungssicherheit, weniger Bürokratie und Sicherheit bei Investitionen. Und vor allem: Wertschätzung. Junge Leute sollten sich nicht rechtfertigen müssen, weil sie Landwirtschaft betreiben.

BauernZeitung Bauern sind auch in ehrenamtlichen Funktionen omnipräsent. Welchen Stellenwert hat das Ehrenamt für Sie?

Claudia Plakolm Ehrenamt und Vereinsleben hat mich von kleinauf geprägt. Ob bei der Feuerwehr, beim Musikverein oder in der Landjugend: Am Land funktioniert vieles nur, weil sich Menschen freiwillig einbringen. Und ich weiß, wie viel Zeit da hineinfließt. Das sollte mehr gesehen und weiterhin gut unterstützt, werden, denn das Ehrenamt ist der Kitt unseres Miteinanders.

Zur Person

Claudia Plakolm (30) wuchs auf dem elterlichen Betrieb in Walding (Oberösterreich) auf. Nach Zwischenstationen im Gemeinderat und der JVP – deren Bundesobfrau sie bis heute ist – wechselte sie 2017 als damals jüngste Abgeordnete in den Nationalrat. In der vergangenen Regierungsperiode war sie Staatssekretärin für Jugend und Zivildienst. Im März wurde sie als Ministerin für Europa, Integration und Familie angelobt.