Das Mühlviertel in Oberösterreich ist bekannt für seine üppigen Wälder, granitdurchsetzten Hügel und rauen Winter. Keine Landschaft, die an die warme Provence erinnert. Dennoch haben die zwei Regionen etwas gemeinsam: duftende, violett leuchtende Felder mit Lavendel. Was in Südfrankreich seit Jahrhunderten kultiviert wird, wächst seit einigen Jahren auch im Norden Österreichs als wirtschaftliche Kulturpflanze.
Auslöser dafür waren die zunehmend wärmeren Temperaturen. „2019 hatten wir das zweite Jahr in Folge einen vergleichsweise heißen Sommer. Daraufhin haben wir nach Kulturen Ausschau gehalten, die trockenresistent sind und zukünftig bei uns gut funktionieren könnten“, erzählt Josef Peer, Bio-Kräuterbauer aus Putzleinsdorf. Gemeinsam mit seiner Familie bewirtschaftet Peer rund 30 Hektar, hält 20 Milchkühe und baut auf etwa drei Hektar verschiedenste Kräuter an. Er und fünf weitere Mitglieder der Österreichischen Bergkräutergenossenschaft sind die ersten in der Region, die sich über das Projekt „Mühlviertler Granit Lavendel“ auf den Anbau der wärmeliebenden Pflanze eingelassen haben. In Zusammenarbeit mit dem Biokompetenzzentrum Schlägl (FiBL) und dem Maschinenbauer Johannes Mittermair haben sie zwischen 2020 und 2023 an dem Versuch gearbeitet, den Lavendelanbau im Mühlviertel zu etablieren. Mit Erfolg: Nach Ende der Projektlaufzeit führen fünf Kräuterbauern den Anbau weiter.

Anpassung an das raue Klima
Im Projekt wurde bewusst auf unterschiedliche Pflanzsysteme gesetzt: Einige Kräuterbauern testeten einen offenen Acker, andere die Dammkultur. Peer setzte seinen Lavendel auf einem Viertelhektar auf Mulchfolie in Doppelreihen. „Man sieht schon deutliche Unterschiede zwischen den Anbaumethoden. Mit der Mulchfolie ist der Unkrautdruck weniger, aber am besten hat sich der Lavendel bisher am Damm entwickelt“, erklärt der Kräuterbauer. Die Dämme trocknen bei Regen schneller ab und dienen als Art Wärmespeicher – „das gefällt dem Lavendel. Die Auswahl der Sorten war ebenso breit: Sechs verschiedene Lavendelsorten sind bei Peer am Feld zu finden. Darunter sind fünf winterharte Berg-Lavendel sowie ein Hybridlavendel
„Lavandin“ zur Vergleichbarkeit. Erste Rückschlüsse zur Sorteneignung können gezogen werden, auch wenn Peer betont, dass die volle Ertragsleistung erst zwischen dem vierten bis siebten Jahr erreicht wird. Bis zu zehn Jahren wächst der Lavendel, bevor er neu gepflanzt werden muss.
Mit Technik und Handarbeit
Geerntet wird einmal im Jahr, meist Mitte Juli. Der Ertrag hat sich seit dem ersten Jahr stark gesteigert: Von 50 Kilogramm getrockneter Blütenware konnte der Lavendelbauer bei seiner vierten Ernte bereits circa 140 Kilogramm von einem Viertelhektar erzielen. Verglichen mit den Erträgen in Frankreich sei es zwar weniger als erwartet, könnte sich mit gezielter Düngung aber möglicherweise steigern lassen. Frankreich verfügt über erprobte Anbau- und Aufbereitungstechnik – in Österreich wird hier noch experimentiert und angepasst.

Die Trocknung erfolgt in der bestehenden Kräutertrocknungsanlage im Ort, die Peer mit zwei Nachbarhöfen betreibt. Dort werden die Blüten für 24 Stunden bei 38 bis 40 Grad getrocknet.
Ein großer Vorteil des Lavendels: „Er ist weitgehend schädlingsfrei. Pflanzenschutzmittel kommen nicht zum Einsatz“, erklärt Alois Resch, Anbauberater bei den Österreichischen Bergkräutern, und ergänzt: „Der Engerling war bisher die einzige nennenswerte Gefahr.“
Zwischen Leidenschaft und Wirtschaftlichkeit
Ob der Lavendelanbau wirtschaftlich tragfähig ist, hänge von der Betriebsstruktur ab, so der Kräuterbauer. Für größere Höfe mit speziellem Fokus auf Kräuteranbau und entsprechender Ausstattung kann er lohnend sein. Peer sieht den Lavendel aktuell eher als Ergänzung. „Wir machen damit keine großen Sprünge, aber der Lavendel hat einen besonderen Wert.“
Das Projekt hat erwiesen, dass das Mühlviertel ein geeignetes Anbaugebiet ist. Derzeit werden auf den fünf Höfen 1,5 Hektar kultiviert. Die daraus gewonnene Blütenware wird unter dem Markennamen „Granitlavendel“ von der Genossenschaft vermarktet. Der Bedarf kann laut Resch inzwischen vollständig mit regionaler Ware gedeckt werden.
Die Erfahrungen aus der Ernte und Verarbeitung tauschen die Kräuterbauern bis heute untereinander aus. Es wird einander geholfen und gemeinsam an Lösungen getüftelt. „Man lernt ständig dazu und probiert Neues, um die beste Qualität zu erhalten“, erzählt Peer. Bereut hat er trotz der Herausforderungen nichts. Er ist heute noch von seinem Lavendel begeistert. „Der Lavendel ist einfach eine sympathische Kultur, die einen durch den Duft und die Blüte fasziniert.“

Provence versus Mühlviertel
In Frankreich, insbesondere in der Provence, wird Lavendel seit dem 18. Jahrhundert auf großen Flächen angebaut – meist die Sorte „Lavandin“ für die industrielle Ölproduktion. Die Felder dort sind größer, die Technik ausgefeilt, das Klima milder und trockener. Im Mühlviertel kannte man die mediterrane Pflanze bis jetzt hauptsächlich aus den Hausgärten. „In Frankreich hat der Lavendel mehr Sonne, bei uns dafür mehr Feuchtigkeit“, sagt Kräuterbauer Josef Peer. Jedoch gibt es in Frankreich immer mehr Probleme beim Anbau. „In Frankreich haben sie beim Lavendel mit Krankheiten und Schädlingen zu kämpfen“, erzählt Peer. „Deswegen haben wir in der Bergkräutergenossenschaft einen Markt gesehen, um regionalen Lavendel anbieten zu können.“
- Bildquellen -
- Lavendel Peer: Christian Fidler
- Lavendel Peer: Christian Fidler
- Lavendel Peer: Christian Fidler
- Lavendel Peer: Christian Fidler