„Wir brauchen einen Agrartarif bei Strom“

Niederösterreichs Bauernbund-Obmann Stephan Pernkopf über Absagen an SPÖ-Forderungen, Manager in der E-Wirtschaft, Agrarpolitiker á la Özdemir und den gefloppten Lebensmittelgipfel.

Pernkopf ließ Funktionäre befragen: „Werden unsere Forderungen künftig lauter stellen.“

BauernZeitung: Seit zwei Monaten regiert in Niederösterreich die ÖVP in einem Bündnis mit der FPÖ. Warum hat dieses Bündnis eine Chance verdient? Wie läuft die Zusammenarbeit?
PERNKOPF: Absolut professionell. Was die Landwirtschaft betrifft, gibt es ein klares Bekenntnis zur Produktion, zum Pflanzenschutz und vor allem keine neuen Eigentumssteuern, so wie die SPÖ das wollte.

Was sind für den Bauernbund die wichtigsten Punkte in der Regierungsarbeit der kommenden fünf Jahre?
Ganz klar das Thema Versorgungssicherheit auf allen Ebenen, bei Lebensmitteln und Energie. Deren Produktion muss in Österreich stattfinden, bei Lebensmitteln ist das Thema Kennzeichnung vorrangig. Ein zentrales Thema stellt auch die Wasserversorgung für Bewässerung und Trinkwasser dar. Und eine wesentliche Frage ist: Wie schaut künftig die nächste Bundesregierung aus? Einen Landwirtschaftsminister wie Cem Özdemir, der sich in Deutschland gegen die eigenen Bauern stellt, brauchen wir in Österreich jedenfalls nicht.

Beherrschendes Thema ist allerorts die Teuerung. Auch die Landwirte leiden unter den teils exorbitant gestiegenen Kosten. Vielen wurden etwa die Stromverträge gekündigt. Wie wurde gegengesteuert und was muss noch passieren, um gerade Betriebe mit hohem Strombedarf für Ställe, Kühl- und Gewächshäuser oder Bewässerung nicht in ihrer Existenz zu gefährden?
Allen Managern in der E-Wirtschaft sei gesagt: Niemand von ihnen sollte sich hinter dem selbst gewählten Merit-Order-System oder hinter Aktiengesetzen verstecken. Es gibt das öffentliche Interesse, die Inflation niedrig zu halten, ebenso an leistbaren Preisen für Strom und Gas. Es ist doch absurd, dass wir viel Steuergeld, auch Bauerngelder, in die Elektrifizierung der Gewässerpumpen gesteckt haben, die nun wieder mit Diesel betrieben werden, weil das billiger ist. Wir brauchen also einen Agrartarif bei Strom. Das werden wir in den nächsten Wochen auch durchsetzen.

Wie beurteilen Sie die Teuerungsdebatte bei Lebensmitteln? Viele Bäuerinnen und Bauern haben den Eindruck, der Handel, auch manche Verarbeiter, putzen sich an ihnen ab.
Leider stimmt dieser Eindruck. Tatsache ist, dass sich viele derzeit ein Körberlgeld machen. Die Bauern sind jedenfalls nicht für die Teuerung verantwortlich. Vielmehr sorgen sie jeden Tag dafür, dass wir genug zu essen und trinken auf dem Tisch haben. Und dafür sollten wir auch dankbar sein.

Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen des jüngsten Lebensmittelgipfels in Wien?
Welche Ergebnisse? Das war ein absoluter Flop von Gesundheitsminister Johannes Rauch. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Erwartungsgemäß sind 2022 wegen der hohen Rohstoffpreise für Agrarprodukte die bäuerlichen Einkommen gestiegen. Muss sich die Landwirtschaft in Zeiten wie diesen dafür genieren?
Nein, das war dringend notwendig. Verglichen mit anderen Berufsgruppen verdienen die Bauern noch immer zu wenig. Mit dieser Neiddebatte muss jetzt Schluss sein.

“Einen Minister wie Cem Özdemir,
der sich gegen die Bauern stellt, brauchen wir in Österreich nicht.”

Auf Brüsseler Ebene droht indes Ungemacht: Stichworte dazu sind Mercosur und SUR, also eine geplante EU-Verordnung für massive Einschnitte beim Einsatz von Pflanzenschutz. Beim geplanten Freihandel mit Südamerika wird die Landwirtschaft etwa von der heimischen Industrie seit Wochen als Blockierer dargestellt. Zu Recht?
Für meinen Hausverstand lasse ich mich gerne kritisieren. Die zentrale Frage, die über allem steht, ist: Wollen wir Produktion und Versorgungssicherheit inklusive Arbeitsplätze in Europa haben, ja oder nein? Für ein wohl unbestrittenes Ja brauchen wir eine radikale Wende. Derzeit läuft alles darauf hinaus, dass man die Produktion aus Österreich, aus Europa verdrängen will. Das sieht auch EVP-Chef Manfred Weber so. Wir müssen die Lebensmittelproduktion in Europa aufdrehen, anstatt sie abzudrehen. Statt dem Green Deal brauchen es ein Bauernmanifest zur Absicherung unserer Lebensmittelproduktion in Europa.

Was stimmt Sie optimistisch, dass weder Mercosur noch SUR ohne Rücksichtnahme auf die Bauernanliegen durchgepeitscht werden?
Unser EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber kämpft dagegen in Brüssel an. In Österreich haben wir die absolute Rückendeckung der Regierung, von Landwirtschaftsminister Totschnig und vom Bundeskanzler. In einem persönlichen Gespräch hat mir Karl Nehammer das auch versichert. In Deutschland sind die Grünen für Mercosur. Wer soll da die Welt noch verstehen?

Beim Thema Wolf prallen mittlerweile Stadt und Land, auch Landwirtschaft und Naturschutz völlig aufeinander. Wo sehen Sie einen langfristigen Ausweg?
Beim Thema Sicherheit gibt es keine Kompromisse. Wenn ein Wolf nicht mehr scheu ist und in die Nähe von Siedlungen kommt, dann ist er zu entnehmen. Punkt. Wir werden uns auch nicht von jenen, die sich in der Stadt auf die Fahrbahnen kleben, sagen lassen, wie wir am Land zu leben haben. Es ist zu respektieren, was die Menschen vor Ort bewegt, wenn der Wolf für sie gefährlich wird.

Der NÖ. Bauernbund hat im März online seine Funktionärinnen und Funktionäre befragt. Mit welchen Anliegen wurden Sie konfrontiert, welche Schlüsse werden gezogen?
Da wurden viele Themen angesprochen. Zwei wesentliche betrafen  die Agrarpolitik, sprich die neue GAP der EU, und das Thema Ammoniakreduktion, also immer neue Auflagen und Einschränkungen. Als Ableitungen daraus wird es von uns ein Fünf-Punkte-Programm geben, was sich in Zukunft ändern muss. Das werden wir schon demnächst präsentieren. Und die eine oder andere Forderung dazu noch lauter als bisher stellen.

Aufgeregt haben zuletzt auch in Niederösterreich Schock-Bilder aus Ställen. Wie ist mit solchen Fällen seitens der Landwirtschaft, auch seitens der zuständigen Veterinär-Behörden umzugehen?
Tausende Bäuerinnen und Bauern sorgen das ganze Jahr über, an 365 Tagen, bestens für ihre Tiere. Wir dürfen uns hier – und ich betone das bewusst – von absoluten Einzelfällen nicht verunglimpfen lassen. Auch ich habe kein Verständnis für einige wenige schwarze Schafe unter den Betrieben, die nicht ordentlich wirtschaften. Da muss es strenge Maßnahmen geben und scharf dagegen vorgegangen werden. Das ist wohl klar.

Ein ständiger Aufreger ist auch die Kluft zwischen Fleischkonsum und vegetarischer, noch mehr veganer Ernährung? Wie halten es Sie persönlich mit diesem Thema?
Leider kennen viele die Zusammenhänge der Natur und unserer Viehwirtschaft nicht mehr. Nur Wiederkäuer können Gras in wertvolle Lebensmittel verwandeln, also in Milch, Fleisch, Käse und andere Produkte. Das ist eine Kreislaufwirtschaft, wie es im Buche steht. Meine drei Kinder wachsen ganz normal auf, nämlich mit Milch, Käse, Fleisch, Gemüse und Obst. Ein gesunder Mix eben. Die Bauern versorgen seit Jahrtausenden die Menschheit mit wertvollen Lebensmitteln. Das jetzt umzudrehen wird zwar von manchen versucht, darf und wird aber nicht gelingen. Im Übrigen halte ich es wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der mal gesagt hat: Ein Leben ohne Bratwurst ist möglich, aber nicht sinnvoll.

Bauernbund-Forderungspapier für unsere Landwirtschaft

- Bildquellen -

  • LH Stv. Stephan Pernkopf im Gespräch: NLK / Filzwieser
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AUTORInterview: Bernhard Weber
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