Sieben Gründe, warum die Kuh Hörner braucht

Die Maturantinnen und Maturanten der HBLFA Tirol präsentieren normalerweise ihre Diplom-arbeiten einem interessierten Publikum. Da dies heuer wegen der Coronakrise nicht möglich ist, stellt die Bauernzeitung auszugsweise interessante Arbeiten vor. So beschäftigte sich Anna-Maria Dichtl mit der Frage: „Kuhhorn – mehr als nur Ballast?“

Im Stall von Leopold Dichtl stehen sowohl behornte als auch unbehornte Rinder.
Im Stall von Leopold Dichtl stehen sowohl behornte als auch unbehornte Rinder.

Aufgrund der vermehrten Umstellung auf die Laufstallhaltung wurde das Kuhhorn in den letzten Jahrzehnten kontroversiell diskutiert. Die Enthornung der Kälber und das nachträgliche Entfernen der Hornanlage bei Rindern verursacht einerseits große Schmerzen bei den Tieren, andererseits werden diese Eingriffe als Präventionsmaßnahme für Verletzungen bei Mensch und Tier durchgeführt. Eine Alternative zur Enthornung ist die Belegung mit genetisch hornlosen Vererbern. 

Als Partnerbetriebe standen zwei Zuchtviehbetriebe, einerseits der elterliche Betrieb „Krienhuberhof“ von Leopold Dichtl in Virgen und anderseits der Betrieb von Stefan Dichtl „Ausersteffingerhof“ in Virgen, mit behornten und hornlosen Fleckviehkühen zur Verfügung. Der Betrieb von Leopold Dichtl konnte im Laufe der letzten Jahre sehr gute Erfahrungen mit behornten Kühen machen. „Viele unserer behornten Milchkühe erbrachten eine Lebensleistung von über 100.000 Liter. Bella, unsere zweifache Bundessiegerin, brachte zwölf Kälber zur Welt und wartete mit einer Lebensleistung von über 140.000 Liter auf“, so Betriebsleiter Leopold Dichtl.

Einfluss des Hornes

Die Annahme war, dass das Horn Auswirkungen auf folgende Parameter hat: Gesundheit (Zellzahl), Wirtschaftlichkeit (Fettgehalt in Prozent) und  Fruchtbarkeit (Zwischenkalbezeit).

Anna-Maria Dichtl verglich anhand der Daten der Milchleistungskontrollen des Landeskontrollverbandes Tirol die ersten drei Laktationen von zehn behornten und zehn hornlosen Kühen.Bei der Auswertung der Zellzahlergebnisse konnte sie feststellen, dass die Zellzahl behornter Kühen durchschnittlich niedriger ist als die Zellzahl der hornlosen Kühe. Bezüglich der Ergebnisse für Zwischenkalbezeit und Fettgehaltes konnten keine eindeutigen Unterschiede festgestellt werden, jedoch wurde festgestellt, dass das Horn einen Einfluss auf die Verdauung der Kuh hat.

Ergänzt wurde ihr praktischer Versuch mit Experteninterviews, welche die ermittelten Werte durch Expertise bekräftigen. Martin Ott aus Rheinau (CH) – Landwirt, Sozialtherapeut, Politiker und Schulleiter der biodynamischen Demeter-Lehranstalt in Rheinau – nahm sich Zeit für ein Interview mit Anna-Maria Dichtl. Bereitwillig ging er auf ihre Fragen ein und ermöglichte Anna-Maria Dichtl einen tiefen Einblick in die Materie und seine Visionen, die er auch schon in mehreren Büchern veröffentlichte.

Herr Ott führt sieben Gründe an, warum eine Kuh Hörner braucht:

1. Das Horn als Klimaanlage der Kuh: Das Horn ist eine Kühlrippe. Die Kuh kann mit Hilfe des Hornes ihre Körpertemperatur besser kontrollieren. An der Hornbasis befindet sich die heißeste Stelle des Kuhkörpers, zugleich ist die Spitze des Hornes die kälteste Stelle. Die Kuh ist in der Lage, ihre überschüssige Wärme über das Horn abzuleiten und somit ihre Temperatur zu regulieren. Deshalb verfügen auch Rinderrassen im Süden über längere und dickere Hörner, Rinder im Norden haben kürzere und dünnere Hörner.

2. Das Horn als Kommunikationsorgan: Das Horn dient der Kuh als Verstärkung der Kopfgebärde. Mit dem Fenster, das durch das Horn entsteht, können sich Kühe miteinander deutlicher verständigen. Diese Art der Kommunikation dient auch als Prävention für Missverständnisse. 

3. Das Horn als Wahrnehmungsorgan: Das Kuhhorn ist mit vielen hochempfindlichen Nerven durchzogen. Es kann somit kleinste von außen kommende Erschütterungen wahrnehmen. Zudem soll es der verbesserten Wahrnehmung von Tönen und von außen herantretenden Erschütterungen dienen. Auch Veränderungen der Druckverhältnisse können wahrgenommen werden.

4. Die behornte Kuh als bessere Grundfutterverwerterin: Das Horn ist direkt durch die Speiseröhre, die Nasennebenhöhle und die Stirnhöhle mit den Vormägen der Kuh verbunden. Die gebildeten Gase in der Kopfhöhle übermitteln mit Hilfe der Nerven Informationen zur benötigten Speichelproduktion für den Vorgang des Wiederkauens.

5. Das Horn dient als Hilfsmittel zur Körperpflege: Mit Hilfe der Hörner ist es der Kuh möglich, sich an Bereichen am Rücken zu kratzen, was ihr ohne Hörner nicht möglich wären. 

6. Das Horn als Statussymbol: Ein Horn spricht für Würde und Anerkennung. Das Vorhandensein eines Hornes gibt der Kuh einen höheren Stellenwert in der Herde. Auch die Anzahl der Kerben im Horn zeigt, wie oft die Kuh bereits gekalbt hat. 

7. Die Hornbildung als Regulationsorgan zwischen Innen- und Außenwahrnehmung: Das Kuhhorn wächst jeden Tag ein wenig. Das Wachstum wird durch Stresssituationen und das Ausmaß an äußerlichen Belastungen bestimmt. Das Kuhhorn wächst nicht immer gleich viel. Bei zunehmenden äußerlichen Belastungen wächst es mehr als in Ruhesituationen. Somit ist das Kuhhorn ein Regulationsorgan. Es erzeugt ein geregeltes Gleichgewicht zwischen innen und außen. Dieses Gleichgewicht muss ständig angeglichen und erhalten bleiben, deshalb wächst das Horn der Kuh zeit ihres Lebens.

Für Anna-Maria Dichtl ist klar – das Kuhhorn ist mehr als nur Ballast: „Meiner Meinung nach stehen behornte Kühe für Gesundheit, Langlebigkeit, Schönheit und Stolz, besonders auf der Alm sind sie ein Blickfang. Die Entscheidung, ob Horn oder nicht Horn, ist letztendlich eine Entscheidung, die jeder Landwirt und jede Landwirtin für sich selbst treffen muss.“

- Bildquellen -

  • Stall Von Leopold Dichtl Virgen Foto Anna Maria Dichtl: Anna-Maria Diechl
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