„Keine Liebesbeziehung, aber eine tragfähige Arbeitsbeziehung“

Mit dem Abschluss eines Arbeitsübereinkommens zwischen der Volkspartei und den Freiheitlichen wurden die Weichen für die konstituierende Sitzung des NÖ Landtages am heutigen Donnerstag gestellt. Im Mittelpunkt der Politik der kommenden fünf Jahre sollen „die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger stehen“, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und ihr Stellvertreter, Bauernbundobmann Stephan Pernkopf, betonten.

Der Landtag von Niederösterreich tritt heute, Donnerstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. ÖVP und FPÖ haben sich auf ein Arbeitsüberein-kommen geeinigt.

Von einem „harten Ringen um einen gemeinsamen Weg für Niederösterreich“, berichtete Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner am vergangenen Freitag bei der Präsentation des Arbeitsübereinkommens der Volkspartei mit den Freiheitlichen. Dabei habe man „auch gelernt, dass nicht alles für einen zählt, sondern Einigkeit in Vielem wichtig ist.“ In intensiven Gesprächen habe man versucht, „aufeinander zuzugehen, im Interesse des Landes und unserer Landsleute.“ Das Ergebnis sei „eine tragfähige Brücke“ in Form von verschiedenen Maßnahmen mit einem „gemeinsamen Ziel, nämlich ernsthaft arbeiten, ehrlich handeln und Niederösterreich weiterbringen auf seinem Erfolgsweg“, hielt Mikl-Leitner fest.

SPÖ stellte völlig überzogene & unannehmbare Forderungen

Bauernbundobmann und LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf verwies auf die guten und konstruktiven Gespräche mit der FPÖ in den vergangenen Tagen: „Das Arbeitsprogramm ist ambitioniert, blickt in die Zukunft und es stärkt die Versorgungssicherheit in Niederösterreich. Die familiengeführte Landwirtschaft ist dabei ein zentrales Anliegen, die Versorgungssicherheit ein erklärtes Ziel.“
Indessen werden auch immer mehr SPÖ-Forderungen aus den Regierungsverhandlungen bekannt, die ja zum Abbruch der Verhandlungen geführt haben. Die Mehrkosten von über 8,2 Milliarden Euro stechen dabei besonders hervor.
So wären Niederösterreichs Bäuerinnen und Bauern besonders von den „roten Fantastereien“ betroffen gewesen: Die Sozialdemokraten forderten unter anderem ein sofortiges Ende von Vollspaltenböden, Glyphosat und Neonics in Niederösterreich. Wer trotzdem seine Schweine oder Rinder auf einem Vollspaltenböden hält, dem sollten den Plänen der Roten zufolge alle Gelder aus der GAP gestrichen werden. Nach Vorbild des Burgenlandes sollte die Beratung und Interessensvertretung der Landwirtschaftskammer keine Unterstützung mehr aus den Landesbudget bekommen. Die Kammerbeiträge der Landwirte hätten sich dadurch verdoppelt.
Aber auch gesellschaftspolitisch war man weit voneinander entfernt: So hätte es eine Jobgarantie für etwa 5.000 Langzeitarbeitslose geben sollen. Die Kosten dafür hätten das Zweifache des derzeitigen AMS-Gesamtbudgets betragen.

Neue Zuständigkeiten in der NÖ Landesregierung

Johanna Mikl-Leitner bleibt Landeshauptfrau, sie wird zusätzlich die Wirtschaftsagenden und Tourismusagenden übernehmen. Stephan Pernkopf als ihr Stellvertreter wird im VP-Regierungsteam weiterhin für die Agenden Landwirtschaft, Umwelt, Energie, Wasser, Jagd und Fischerei sowie Raumordnung verantwortlich sein. Erweitert wird sein Ressort zudem um die die Bereiche Wissenschaft und Regionalentwicklung (Dorf- und Stadterneuerung, bisher Agenden der Landeshauptfrau). Der Bauernbündler Ludwig Schleritzko bleibt weiterhin Finanzlandesrat und wird künftig auch für die Landeskliniken und die Landesgesundheitsagentur zuständig sein. Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister, bisher zuständig für Bildung, Pflege und Familien, übernimmt auch die Wohnbauagenden.
Das Amt des zweiten Landeshauptfrau-Stellvertreters, dass aufgrund des Wahlergebnisses der FPÖ zusteht, wird Udo Landbauer übernehmen, als Landesrat künftig auch verantwortlich für Mobilität und Sport. Als weitere Landesräte wurde von den Blauen Susanne Rosenkranz für Arbeit und Konsumentenschutz sowie Christoph Luisser für Sicherheit und Asyl nominiert.
Die SPÖ-Vertreter in der Regierungsmannschaft unter Landeshauptfrau Johann Mikl-Leitner bilden der designierte Landesparteichef Sven Hergovich und Ulrike Königsberger-Ludwig. Letztere dürfte Gesundheitslandesrätin bleiben. Da der Bereich Arbeitsmarkt künftig in Händen der Freiheitlichen ist, bekommt der frühere AMS-NÖ-Geschäftsführer Hergovich nicht sein Wunschressort.

Bäuerliche Betriebe weiter ­stärken als gemeinsames Ziel

Es sei „keine Liebesbeziehung, aber eine tragfähige Arbeitsbeziehung“, stellte Mikl-Leitner das Arbeitsübereinkommen vor, „das die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in den Mittelpunkt unserer Politik stellt.“ Für die Volkspartei sind das „die arbeitenden Menschen, die jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen; die Eltern, die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen, die Unternehmerinnen und Unternehmer; die Verantwortung tragen für ihre Mitarbeiter und die Landwirtinnen und Landwirte, die dafür sorgen, dass wir gesunde Lebensmittel auf unseren Tischen haben.“ Gleichzeitig wolle man auch jene Menschen unterstützen, die nicht für sich selbst sorgen können und die von den multiplen Krisen stark betroffen sind. „Niederösterreich ist und bleibt ein soziales Land,“ betonte die Landeshauptfrau.
„Wir werden viele Punkte im Bereich Land- und Forstwirtschaft in den kommenden fünf Jahren gemeinsam umsetzen können“, sieht Stephan Pernkopf große Chancen für die erfolgreiche Weiterentwicklung der bäuerlichen Familienbetriebe im neuen

Arbeitsprogramm mit folgenden Eckpfeilern:
  • Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen für die niederösterreichische Landwirtschaft (beispielsweise beim Agrardiesel, Energiekosten);
  • Ein klares Bekenntnis zum Pflanzenschutz zwecks Sicherstellung der Lebensmittelversorgungssicherheit;
  • Nein zum Freihandelsabkommen Mercosur;
  • Anreize für mehr Tierwohl;
  • Eine klare Absage an Vermögens- und Erbschaftssteuern;
  • Vorrang für heimische Lebensmittel in öffentlichen Küchen und Ausbau der Herkunftskennzeichnung;
  • Konsequente Managementmaß-nahmen gegen Wolf, Biber und Co.;
  • Keine generelle Öffnung von Forststraßen für Mountainbiker und Freizeitnutzer;
  • Ausbau der landwirtschaftlichen Bewässerung;
  • Stärkung der Entwicklungsmöglichkeiten im ländlichen Raum und Schutz der Agrarräume in der Raumordnung;
  • Den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter vorantreiben;
  • „Dächer vor Äcker“ als Grundsatz beim Photovoltaikausbau;
  • Massiver Ausbau der Netzinfrastruktur für eine sichere und dezentrale Energieversorgung;
  • Einführung von E10;
  • Eine Offensive für den Ausbau von Biogas und Biomasse.

„Im Sinne einer stabilen Mehrheit und dem Wunsch der Wählerinnen und Wähler entsprechend kann nach der konstituierenden Sitzung des Landtags am Donnerstag wieder die Arbeit für die Niederösterreicher­innen und Niederösterreicher im Vordergrund stehen“, betonten sowohl Mikl-Leitner als auch Pernkopf.

Erläuterungen zum Proporzsystem

Im Zuge der Regierungsverhandlungen wurde wieder einmal viel über den „Proporz“ diskutiert. Was man darunter versteht und warum es Mehrheiten, sowohl im Landtag als auch auf Regierungsebene braucht:

  • „Proporz“ im eigentlichen Sinn bedeutet anteilsmäßige Beteiligung. Konkret steht allen im Landtag vertretenen Parteien ein Regierungssitz zu, wenn sie bei den Wahlen eine bestimmte Stärke erreicht haben. Eine Proporzregierung ist somit eine abgeschwächte Form der Allparteienregierung oder Konzentrationsregierung.
  • Historisch geht die verhältnismäßige Aufteilung der Regierungssitze und damit auch die gegenseitige Kontrolle auf das Jahr 1945 zurück. Die damaligen Regierungspartner ÖVP und SPÖ wollten zukünftige Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern wie bei den Februarkämpfen 1934 vermeiden.
    Das Proporzsystem wurde somit als stabilisierender Faktor geschaffen.
  • Bis 1999 hatten alle Bundesländer mit Ausnahme von Vorarlberg eine solche Regelung. Aktuell sind es nur mehr Nieder- und Oberösterreich sowie in Wien, wobei in der Bundeshauptstadt die rechtliche Situation speziell ist, da der Wiener Gemeinderat gleichzeitig auch Wiener Landtag ist.
  • In der Praxis schließen heute zwei oder mehrere Parteien, die sich auf eine Mehrheit im Landtag stützen können, ein Arbeitsübereinkommen, um rascher Beschlüsse zu fassen. Sie bestimmen die Verteilung der Ressorts und die Politikgestaltung. Als Gegensatz zu Übereinkommen stünde das „Spiel der freien Kräfte“.

Das gesamte Arbeitsübereinkommen lesen Sie hier

- Bildquellen -

  • NÖ Landtag: Erich Marschik
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AUTORred. AR
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