Das Land Tirol hat die Pilotprojekte im Jahr 2021 mit knapp 380.000 Euro unterstützt. 100.000 Euro wurden 2021 alleine für Hirten aufgewendet. Ein großer Kostenfaktor sind auch Erstinvestitionen. Knapp 130.000 Euro mussten im ersten Projektjahr in Hirtenunterkünfte investiert werden. Zaunmaterial und Zaunarbeit wurden mit rund 62.000 Euro unterstützt. Rund 26.000 Euro wurden für Transportflüge mit Hubschraubern aufgewendet. Vorbereitende Maßnahmen zur Sicherstellung der Tiergesundheit der aufgetriebenen Schafe schlugen sich in Summe mit 50.000 Euro zu Buche.

Quelle: LandTirol
Bauernbundobmann LHStv. Josef Geisler

„Wir haben auf der Spisser Schafbergalm und auf der Lader Heubergalm zwei verschiedene Modelle erprobt, um erste Erfahrungen mit Herdenschutzmaßnahmen zu sammeln und in der Frage des Wolfsmanagements weiterzukommen. Unser oberstes Ziel ist die Erhaltung der Almwirtschaft und der damit verbundenen Leistungen für die Freizeitgestaltung, die Katastrophenvorsorge, aber auch die Biodiversität“, stellt Bauernbundobmann LHStv. Josef Geisler klar und bedankt sich bei allen Beteiligten für den enormen Einsatz.

Massiver Anstieg der Kosten
und Arbeitsbelastung

Die Ergebnisse aus dem ersten Projektjahr für die fachlich intensiv begleitete Spisser Schafbergalm und Lader Heubergalm zeigen enorme Kostensteigerungen für die Schafalpung und eine extrem gestiegene Arbeitsbelastung für alle Beteiligten. Eine Aussage darüber, ob die getroffenen Maßnahmen tatsächlich vor Übergriffen von Großraubtieren schützen, kann derzeit nicht getroffen werden.

Auf der Spisser Schafbergalm wurde das Konzept der gelenkten Weideführung und ständigen Behirtung mit vorbeugendem Herdenschutz in Form des täglichen Sammelns der 800 Schafe auf gemeinsamen Übernachtungsplätzen erprobt. Auf der Lader Heubergalm wurde das Konzept der gelenkten Weideführung mit bedarfsorientiertem Herdenschutz für 500 Schafe praktiziert. Auf der Lader Heubergalm fielen vor der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen zu Beginn der Almsaison 21 Schafe einem Bären zum Opfer.

Beide Almen liegen in touristisch wenig frequentierten Gebieten. Herdenschutzhunde kamen nicht zum Einsatz. Auch nicht erprobt wurde ein technischer Herdenschutz, bei dem das Almgebiet mit wolfsabweisenden Zäunen eingezäunt wird. Ein solcher dürfte nach dem österreichweiten Kriterienkatalog auf der Mehrzahl der Tiroler Schafalmen nicht machbar sein.

Herdenschutz kostet
über 400 Prozent mehr

Die Bewirtschaftungsanpassungen auf den beiden Pilot-Almen sind mit einem massiven Kostenanstieg und erhöhtem Arbeitsaufwand verbunden, während sich die Erlöse nur in sehr geringem Ausmaß verändern. Die Gesamtkosten für die Schafalpung sind gegenüber der traditionellen Bewirtschaftung im freien Weidegang durch die Umsetzung der gelenkten Weideführung sowie vorbeugender oder bedarfsorientierter Herdenschutzmaßnahmen um mehr als 400 Prozent gestiegen (Kostenanstieg pro GVE Spisser Schafbergalm 408,9 Prozent, Lader Heubergalm 460,9 Prozent). Damit haben sich im ersten Projektjahr auch die Verluste drastisch erhöht. Weniger als ein Fünftel der Gesamtaufwendungen für die ohnehin von Idealismus getragene Schafalpung ist durch Erlöse gedeckt. Auf den beiden Projektalmen wurden im ersten Projektjahr alleine von den Bewirtschaftern und deren Helfern in Summe 1.319 Arbeitsstunden geleistet, im Jahr 2019 waren es noch knapp 700 Stunden. Der Arbeitsaufwand für die BewirtschafterInnen hat sich trotz der Anstellung von Hirtenpersonal fast verdoppelt.

Mangelberuf Hirte:
Keine Almromantik

Quelle: BLK Landeck
Die Verfügbarkeit von geeignetem Almpersonal ist begrenzt – Hirten sind im gesamten Alpenraum ein Mangelberuf.

Auf beiden Pilot-Almen wurden erstmals eigene Schafhirten angestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass selbst ein erfahrener Hirte samt Hunden die Herausforderungen nicht alleine bewältigen kann. Die Verfügbarkeit von hochqualifiziertem Almpersonal, das zudem entsprechend entlohnt werden muss, ist ein Schlüsselfaktor. LHStv. Josef Geisler: „Die Alm ist ein Saisonarbeitsplatz. Hirten sind ein Mangelberuf und im gesamten Alpenraum rar gesät. Daran wird auch die geplante Ausbildungsoffensive nichts ändern. Und für die Umsetzung von gelenkter Weideführung und Herdenschutz braucht es echte Profis. Diese Arbeit ist mühevoll und hat nichts mit Almromantik zu tun. Vor diesem Hintergrund sind die in Erprobung befindlichen Modelle auch sicher nicht auf die 400 Tiroler Schafalmen umlegbar. Abgesehen von den immensen Kosten reden wir hier von weit über tausend Hirten, die es schlicht und ergreifend nicht gibt.“

Die Abkehr von einer extensiven Bewirtschaftung im freien Weidegang hin zur aktiven Behirtung und Herdenführung sowie die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen haben Auswirkungen auf die Bewegungsmuster, das Fressverhalten und die Gewichtszunahme der gealpten Schafe. Ein besonderer Stellenwert kommt zudem der Tiergesundheit zu.

Sollte es weitere Interessenten für Herdenschutz-Pilotprojekte geben, bietet das Land sowohl fachliche Beratung als auch finanzielle Unterstützung. „Wir müssen der Öffentlichkeit zeigen, was Herdenschutz – der eigentlich ja Wolfsschutz ist – für die Almen und die Gesellschaft bedeutet“, so Geisler.

Große Beutegreifer: Jahresbilanz 2021

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der nachgewiesenen großen Beutegreifer wie auch die Zahl der Nutztierverluste neuerlich massiv gestiegen. Wurden 2020 noch 281 tote und vermisste Schafe und Ziegen gezählt, hat sich diese Zahl 2021 mit 619 mehr als verdoppelt. 14 verschiedene Wolfsindividuen und erstmals drei verschiedene Bären wurden 2021 in Tirol entweder genetisch, über eindeutige Spuren oder Bilder nachgewiesen. Zudem wurde sieben Mal ein Luchs bestätigt. Vier Mal ergab die DNA-Analyse einen Goldschakal. 190 Mal sind AmtstierärztInnen und Sachverständige ausgerückt, um vor Ort Rissbeurteilungen vorzunehmen und Proben für genetische Untersuchungen zu sammeln.

378 tote Schafe, Ziegen und ein Rind sowie einige verletzte Tiere wurden 2021 von den Sachverständigen eindeutig in Zusammenhang mit der Präsenz von Wölfen, Bären und Goldschakalen gebracht. Mit 77,5 Prozent ist der Großteil der toten Nutztiere Wölfen zuzuordnen, knapp 22 Prozent werden Bären zugeschrieben. Weitere 241 Tiere wurden in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Rissgeschehen als vermisst gemeldet. Rund 2.300 Nutztiere mussten aufgrund einer unmittelbaren Gefährdung vorzeitig von 21 Almen abgetrieben werden. Der so verursachte Schaden beläuft sich auf über 220.000 Euro für getötete und vermisste Tiere sowie zusätzliche Futterkosten.

- Bildquellen -

  • LandTirolGeislerAlm 187: LandTirol
  • IMG 3578: BLK Landeck
  • Pferch Spisser Schafberg: Büro Alpe
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AUTORred. HP
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