EU-Waldstrategie zurück an den Start

Agrarminister und Waldbesitzer fordern Nachbesserungen bei der EU-Waldstrategie

Nachhaltige Nutzung und Verjüngung dient Forstwirtschaft und Klimazielen gleichermaßen.

Der seit Juli dieses Jahres zur Begutachtung vorliegende Entwurf der EU-Kommission als Teil des Green Deals ist in vielen EU-Mitgliedstaaten umstritten und stieß vergangene Woche in Wien auf besonders laute Kritik. Bei einer informellen Ministerkonferenz, zu der Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger ihre Amtskollegen aus besonders waldreichen Ländern der Union eingeladen hatte. Daran teilgenommen haben Finnlands Forstminister Jari Leppä sowie auch Vertreter aus Schweden, Deutschland, der Slowakei und Slowenien. Zudem tagten parallel auch die Verbände der Waldbesitzer Europas.
Die Kritik der Forstverbände entzündet sich vor allem an der in der Forststrategie vorgesehenen Außernutzungstellung im Umfang von zehn Prozent des jährlichen Einschlags. Zudem bemängeln die Waldverantwortlichen, dass die EU-Kommission bisher in der Sache ohne Hörung der Betroffenen und ohne Einbeziehung der Mitgliedstaaten agiert habe sowie generell die mangelnde Beachtung der Zuständigkeiten der Mitgliedsländer in der Forstwirtschaft im Sinne der Subsidiarität.
Die in der EU-Waldstrategie geplante Außernutzungstellung der Waldfläche würde alleine in Österreich die Wertschöpfung der Forst- und Holzwirtschaft jährlich um 1,75 Milliarden Euro schmälern, stellte Köstinger im anschließend an die Ministerkonferenz geführten Pressegespräch fest. Konkret würde die Reduktion der Holzeinschlagsmenge um 10 Prozent gut 15.000 Arbeitsplätze in der Holz- und Forstwirtschaft sowie weitere 11.000 Stellen in Zulieferbetrieben gefährden. Diese Zahlen gehen aus einer Economica-Studie über die Folgen der Außer-Nutzung-Stellung in Österreich hervor. Köstinger: „Das werden wir nicht zulassen. Wir werden auch nicht zulassen, dass der Wald nur noch als Senke für Kohlenstoff genutzt wird.“ In einer gemeinsamen „Wiener Deklaration“ an die EU-Kommission fordern die Forstminister nun „deutliche Korrekturen im Hinblick auf die Umsetzung“. Man bekenne sich zum Green Deal, wolle aber auch ein Bekenntnis zur wirtschaftlichen Nutzung der Wälder.

Quelle: BMLRT / Paul Gruber
Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und ihr finnischer Amtskollege Jari Leppä pochen darauf, dass Forstpolitik in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedsstaaten bleibt.

Wirtschaftliche Anreize für Forstbranche
Finnlands Minister Jari Leppä hob die Notwendigkeit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung der europäischen Wälder hervor: Man müsse die Forstbesitzer mit marktwirtschaftlichen Anreizen dazu ermutigen, ihre Wälder zu bewirtschaften. Die Multifunktionalität der Wälder solle in einer Produkt-, Umwelt- und Klimastrategie berücksichtigt werden.

 

Quelle: LFBÖ / Marko Kovic
Europas Waldbesitzer fordern mittels “Wiener Deklaration” eine Überarbeitung der EU-Waldstrategie 2030.

Waldbesitzer gegen verordnete Stilllegung
Im Vorfeld der Forstministerkonferenz in Wien trafen sich Waldbesitzervertreter aus 16 europäischen Ländern, der sechs größten EU-Dachverbände sowie Europaparlamentarier. Veranstaltet wurde diese von Österreichs Waldbesitzerverbänden, der LK Österreich, den Land&Forst-Betrieben und vom Waldverband. Deren Treffen fasste der Präsident der Land&Forst-Betriebe Österreichs, Felix Montecuccoli wie folgt zusammen: „Wir fordern die Anerkennung der positiven Leistungen der Waldbesitzer für nachhaltige Wertschöpfung.“ Montecuccoli bemängelte die Fokussierung der EU-Waldstrategie auf nur zwei Aspekte des Waldes – nämlich Kohlenstoff zu speichern und die Biodiversität zu erhalten: „Der Wald kann mehr. Europas 16 Millionen Waldbesitzer wollen ihre Verantwortung wahrnehmen, mit einer guten Bioökonomie Holz nachhaltig zu nutzen. Sie können das auch, wenn man sie lässt.“ Einschlagsbeschränkungen seien dagegen „absolut kontraproduktiv“. Auf die Frage, wie weit die EU-Waldstrategie den Holzmarkt beeinflussen werde, meinte Montecuccoli, man wolle keine Regulierung. Eine verordnete Stilllegung würde den Holzpreis steigern, „aber nicht die Einkommen der Waldbewirtschafter“.
Köstinger wiederum stellte zu den in Debatte stehenden Einschlagsbeschränkungen fest, dass diese die Holzpreise in die Höhe treiben und die Holzimporte aus Nicht-EU-Ländern ansteigen lassen würden. Das sei „absolut kontraproduktiv“ und schade der Wirtschaft. „Der Klimaschutz höre nicht an den Grenzen der EU auf.“ Köstinger kritisierte „auf das Schärfste“, wenn man in der EU die Produktion hemme und zugleich Holzimporte oder Handelsabkommen wie Mercosur forciere.

Wiener Deklaration
In einer an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gerichteten Erklärung („Wiener Deklaration“) fordern die Minister wie auch die Waldverbände einen ganzheitlichen Ansatz sowie eine Nachbesserung der EU-Waldstrategie in drei wesentlichen Punkten:
• Stärkung des Prinzips der nachhaltigen Waldbewirtschaftung mit dem Ziel, klimafitte Wälder durch aktive Bewirtschaftung, Aufforstung und Verjüngung zu erreichen.
• Stärkere Einbindung der Mitgliedstaaten mit deren breitgefächertem Fachwissen in den jeweiligen forstlichen Institutionen.
• Förderung der Kooperation der Mitgliedstaaten.
Waldpolitik ist laut EU-Verträgen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, das solle auch in Zukunft so bleiben. Man sei sich aber auf Ministerebene einig, mehr für aktiven Klimaschutz leisten zu wollen, wurde bei dem Politikertreffen in Wien betont. Also fossile Rohstoffe durch erneuerbare Rohstoffe in der Wirtschaft zu ersetzen. Eine nachhaltige, aktive Waldnutzung sei dazu am besten geeignet. Dies werde aber im vorliegenden Entwurf der EU-Waldstrategie noch nicht berücksichtigt.
Auch bei den Waldbesitzern hieß es, man bekenne sich klar zum Klima- sowie Biodiversitätsschutz und trage viel dazu bei. Es sei aber Faktum, dass Europas Waldfläche seit 1990 um 14 Mio. ha und der Holzvorrat um 8,3 Mrd. Vorratsfestmeter gewachsen sei. Alle biodiversitätsrelevanten Parameter hätten sich also verbessert. „Viele Maßnahmen der vorliegenden EU-Waldstrategie sind aber fatal, bedeuten eine massive Entwertung unserer Wälder, welche die Einkommensbasis für unzählige Familien darstellen“, warnte der Waldverbandsobmann Rudolf Rosenstatter. Die Bedürfnisse der 16 Mio. Waldbesitzer würden ignoriert. Auch der Vizepräsident und Forstausschuss-Vorsitzende der LK Österreich, Franz Titschenbacher, richtete sich an Brüssel: „Wir fordern die EU-Kommission in aller Deutlichkeit auf, den Erfahrungsschatz und die Expertise unserer Fachleute zu berücksichtigen.“

Konträre Ansichten im EU-Parlament
Höchst konträre Standpunkte zur EU-Waldstrategie gibt es auf Ebene der EU-Abgeordneten. Unterstützung für die Wiener Deklaration der Agrarminister und Waldbesitzer bekundeten die beiden EU-Abgeordneten des Bauernbundes, Simone Schmiedtbauer und Alexander Bernhuber. Ein großflächiges, undifferenziertes Außernutzungstellen von Wäldern und überschießende Einschränkungen der Forstwirtschaft seien kontraproduktiv für die Erreichung der Klimaziele und für den Schutz von Biodiversität, meinte Bernhuber, der Umweltsprecher der ÖVP im EU-Parlament. Auf Ablehnung stößt das Ansinnen der Forstminister und der Waldbesitzer dagegen bei Europas Grünen. Deren Ko-Vorsitzender und EU-Mandatar aus Österreich, Thomas Waitz, verwies via Aussendung auf die Wichtigkeit einer starken, paneuropäischen Waldstrategie und begründete dies mit „ausbeuterischem Missmanagement einiger Mitgliedsstaaten wie Rumänien, Polen oder Kroatien und mit der Entwicklung hin zur reinen Industriebewirtschaftung mit Großerntemaschinen.“ Man brauche ein festes Bekenntnis zu ökologischen Mindeststandards in allen Mitgliedstaaten, so der Grüne EU-Abgeordnete.

Wirtschaftsfaktor Forst

In Österreich erwirtschaften die Unternehmen der Forst- und Holzwirtschaft laut Economica-Studie eine direkte Bruttowertschöpfung von 11,3 Mrd. Euro. Sie stehen damit für einen Anteil von 3,2 % der gesamten Wirtschaftsleistung der Alpenrepublik. Im gesamten „Wertschöpfungsnetzwerk Forst- und Holzwirtschaft“ beträgt die Bruttowertschöpfung mehr als 20 Mrd. Euro. Hinter alldem stehen 300.000 Arbeitsplätze.
Jeder 15. Arbeitsplatz ist auf die Forst- und Holzwirtschaft zurückzuführen, geht aus der Studie hervor.

Hans Maad

- Bildquellen -

  • W211005 Koestinger LeppaePGP 5568b: BMLRT / Paul Gruber
  • W211004 EU Waldbesitzer LFBÖ Marko Kovic: LFBÖ / Marko Kovic
  • W Nadelholz Aufforstung: agrarfoto.com
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AUTORH.M.
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