Zwischen Euphorie und Ernüchterung

Mit Carbon Farming zum Klimaschutz beitragen, die Böden verbessern und damit sogar noch Geld verdienen. Die Erwartungen an die Kohlenstoffanreicherung auf Acker und Grünland sind hoch gesteckt. Bisherige Versuche zeigen aber auch die Grenzen der Strategie auf.

Kohlenstoffkreislauf: Die Grafik zeigt, wie viele Milliarden Tonnen Kohlenstoff (Gigatonnen C) in den Reservoiren vorhanden sind, bzw. wie viel zwischen den einzelnen Speichern pro Jahr ausgetauscht wird. Grafik: wikimedia.comons

Neue Einkommensmöglichkeiten für die Landwirte aus der Klimakrise.“ Mit dieser vielversprechenden Ansage hat der französische Landwirtschaftsminister Julien Denormandie beim Informellen EU-Agrarministerrat am 8. Februar in Straßburg seine Initative für „Carbon Farming“ in Szene gesetzt. Denormandie will das Thema im EU-Agrarrat voranbringen und einen neuen politischen Rahmen für das Carbon Farming schaffen. Er geht damit konform mit der EU-Kommission, die noch heuer einen Vorschlag für handelbare Karbonzertifikate aus der Landwirtschaft vorlegen will.

Wojciechowski dämpft zu hohe Erwartungen
Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger will die Maßnahmen zur Kohlenstoffanreicherung im Boden im Rahmen der bestehenden GAP ansiedeln. Es gebe etwa in der Zweiten Säule bereits Möglichkeiten für „Private-Public-Partnership“, die hierzulande bereits große Unternehmen nutzen, um zu einer klimafreundlicheren Landwirtschaft beizutragen.
Nüchtern bewertet auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski das aktuell große Interesse an landwirtschaftlichen Karbonsenken. Laut Wojciechowski soll die GAP vorrangig der Landwirtschaft dienen. Zu hohe Erwartungen an den Zertifikathandel als neue Einkommensquelle hat der Agrarkommissar allerdings gedämpft.
Fachlichen Rückenwind für den Standpunkt des Agrarkommissars hat der für das Thünen-Institut Braunschweig tätige Agrarforscher Christopher Poeplau geliefert, der im Rahmen eines Fachtages der Yara-Düngemittelindustrie kürzlich einen Vortrag zu „Möglichkeiten und Grenzen landwirtschaftlicher Böden als CO2-Senke“ gehalten hat.

Humusaufbau liefert nur kleinen Beitrag
Poeplau verwies zunächst auf das große Potenzial der Kohlenstoffspeicherung in Agrarflächen. Die 2016 im Rahmen der Weltklimakonferenz in Paris vorgestellte „4-Promille-Ini­tiative“ besagt, das man weltweit mit nur vier Promille Humusanreicherung (0,4 %) sämtliche CO2-Emissionen der Erdbevölkerung kompensieren könnte. Allerdings so Poeplau, ist dieses Potenzial nur theoretisch gegeben. Tatsächlich realisierbar sei nur ein Bruchteil davon. In Deutschland beispielsweise
betragen die jährlichen Treibhausgas­emissionen bezogen auf CO2 in Summe aktuell rund 800 Mio. t. Auf die Landwirtschaft entfallen davon ca. 9 % bzw. 70 Mio t. Laut 4-Promille-Initiative sollte die deutsche Landwirtschaft jährlich etwa 27 Mio. t CO2 anreichern können. Tatsächlich realisierbar seien aber nur ca. 3 bis 5 Mio. t. Poeoplaus Fazit: Humusaufbau kann nur zu einem kleinen Teil zur Klimaneutralität beitragen.

Strohrotte ergibt nur wenig Kohlenstoff
Seinen ernüchternden Befund belegte der Wissenschaftler mit folgenden Argumenten:
• Humusaufbau stößt an Grenzen, weil sich die organische Substanz im Boden nur bis zu einem bestimmten Gleichgewichtsniveau steigern lasse. Je nach Bewirtschaftung und Ausgangssituation sei nach etwa zehn bis 30 Jahren ein Gleichgewicht erreicht.
• Zudem sei nur schwer sicherzustellen, dass ein erreichtes Niveau auch gehalten werden könne. Eine Änderung der Bewirtschaftung könne auch wieder zum Humusabbau führen.
Als Beispiel für einen „teilweise sehr ineffizienten Humusaufbau“ nannte
Poeplau die Stroheinarbeitung. Ein langjähriger Versuch in Italien mit jährlich 2,5 t/ha Stroheinarbeitung habe nach 15 Jahren eine C-Anreicherung von etwa vier Tonnen bzw. nur etwa 10 % der insgesamt eingebrachten organischen Masse ergeben. 90 % des Strohs seien aufgrund der Rotte wieder in die Atmosphäre entwichen. Über das nach 15 Jahren erreichte Niveau hinaus konnte in dem Versuch selbst bei 40-jähriger Laufzeit keine weitere C-Anreicherung mehr erzielt werden. Vom Klimastandpunkt her ist zu bedenken, ob man das Stroh besser verheizt als einarbeitet, weil man mit einer Tonne Stroh etwa 400 l Heizöl ersetzen kann.

Unseriöse Humuszertifikate
Die Frage, ob Humuszertifikate unseriös seien, beantwortete Poeplau mit: „zum allergrößten Teil ja“. Unseriös seien vor allem Geschäftsmodelle, bei denen man bereits nach drei Jahren die Humusanreicherung erfolgsbasiert zu entlohnen verspricht. Oft führe dies zu starker Anreicherung auf Einzelflächen, während andere Flächen weniger bekämen. Das sei kein Klimaschutz, so Poeplau, das sei nur eine Verlagerung.
Zudem gibt der Agrarforscher zu bedenken, dass die jährlich erzielbare Kohlenstoffanreicherung kaum exakt messbar sei. Reichert man jährlich pro Hektar 0,5 t C an (Humus enthält ca. 50 % C), dann brauche es etwa zehn Jahre, um das messen zu können. Geht man von rund 60 t/ha C im Bodenhorizont bis 30 cm aus, dann entspricht eine Anreicherung um 5 t einem Plus von immer noch weniger als 10 %. Unter dieser Schwelle brauche man aber gar nicht zu messen zu beginnen, weil in dieser Größenordnung auch die natürliche Variabilität des Bodens liege – d. h., die Ergebnisse zweier Proben, am selben Tag genommen, können von Natur aus um bis zu 10 % voneinander abweichen.

Zwischenfrüchte säen, Moore neu vernässen
Poeplau will seine Argumente aber keinesfalls als eine Absage an eine humusmehrende Bodenbewirtschaftung verstanden wissen. Es sei richtig, eine bodenschondende Bewirtschaftung zu honorieren, die auf fruchtbare und ertragsstabile Böden ziele. Geeignet dazu seien Maßnahmen, die die Photosynthese maximieren und Wurzeleinträge fördern. Dazu nannte der Wissenschaftler
• den Anbau von Zwischenfrüchten,
• den Anbau wurzelstarker Arten (Wurzelrückstände werden im Boden zwei- bis dreimal besser stabilisiert als Stroh), sowie
• die Anlage von Blüh- und Gehölzstreifen und
• den Erhalt von Dauergrünland.
Als „Hot Spot“ des Klimaschutzes nannte Poeplau die Wiedervernässung degradierter bzw. drainagierter Moorböden. In Deutschland machen diese Böden zwar nur etwa 7 % der Fläche aus, sie enthalten aber fünfmal mehr C als Mineralböden bzw. in Summe ca. 25 % des Gesamt-C der landwirtschaftlichen Böden.

Hans Maad

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AUTORRed. SN
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