
Auf das Zuckern des Kaffees verzichten mittlerweile viele Österreicherinnen und Österreicher. Denn der Trend auf zuckerarme Ernährung wird laut Ernährungsexperten immer stärker. Und das nicht ohne Grund: Ein zu hoher Konsum schadet der Gesundheit. Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Probleme sind nur einige der negativen Auswirkungen. Doch dieser Wandel im Konsumverhalten ist auch mit Vorsicht zu betrachten. Am Zucker hängen viele Existenzen: vom Rübenbauern über die Zuckerindustrie bis hin zum Handel und den Süßwarenherstellern. Sie alle bestreiten ihren Lebensunterhalt auch mit einem Produkt, das nun zunehmend gemieden wird.
Zucker allein nicht der Schuldige
Ein vernünftiger Umgang mit Zucker ist das Um und Auf. Denn der Konsum an sich
bedeutet nicht gleich, gesundheitliche Schäden davonzutragen. Auch wenn Übergewicht und Adipositas in der modernen Gesellschaft häufig sind (in Österreich sind es 41 Prozent der Bevölkerung), ist nicht immer die Ernährung „schuld“. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel vieler Faktoren: einseitige und unausgewogene Ernährung, Stress, genetische Disposition, Schlaf- und vor allem Bewegungsmangel nennt der Fachverband der Lebensmittelindustrie als Gründe.

Die umgangssprachliche Bezeichnung „Zuckerkrankheit“ stammt von einem wesentlichen Symptom: Ein Überschuss an Zucker (Glukose) wird im Blut und Urin festgestellt. Es sei jedoch fachlich inkorrekt, dem Zucker allein die Verantwortung für Diabetes zu geben, schreibt die Wirtschaftskammer. Nach Angaben der International Diabetes Federation sind für Typ-2-Diabetes neben der Ernährung auch Übergewicht, Fettleibigkeit sowie durch die Ernährung bedingte Erkrankungen wie Bluthochdruck bedeutend. Darüber hinaus spielen Bewegungsmangel sowie soziale, psychologische und genetische Faktoren eine erhebliche Rolle.

Die niederösterreichische Diätologin Verena Hut empfiehlt eine Tagesration von maximal fünf Teelöffeln am Tag, bei Kleinkindern sogar nur drei. „In meiner Beratungspraxis merke ich immer wieder, dass Patientinnen und Patienten nicht bewusst ist, wie viel Zucker (und gleichzeitig oft auch Fett) tatsächlich in verzehrten Lebensmitteln ist. Wenn ich diese Menge mit Zuckerwürfeln aufzeige, dann beginnen sie zu überlegen.“
Obwohl der jährliche Zuckerverbrauch pro Kopf laut Statistik Austria seit 1994 von 41 auf rund 34 Kilogramm gesunken ist, nehmen ernährungsbedingte Gesundheitsschäden weiter zu. Die Ernährungsberichte (ÖEB) der letzten Jahre zeigen außerdem, dass hierzulande die durchschnittliche tägliche Energieaufnahme mit etwa 2.000 Kalorien weitgehend stabil geblieben ist (laut ÖEB 2017: Frauen durchschnittlich 1.815 kcal, Männer 2.453 kcal). Gleichzeitig bewegt sich die Bevölkerung immer weniger. Deshalb spielt nicht nur die Menge der aufgenommenen Energie, sondern auch der Energieverbrauch eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas.
Viele Rübenbauern hören auf
Die sinkende Nachfrage, der hohe Zuckerimport und der Mangel an Pflanzenschutzmitteln sowie die wirtschaftliche Lage haben dazu geführt, dass viele Landwirte mit dem
Rübenanbau aufhören. „Wir haben in den letzten zehn Jahren etwa 2.500 Rübenbauern verloren und haben jetzt noch etwa 5.000 Mitglieder“, erzählt Ernst Karpfinger, Präsident der Vereinigung „Die Rübenbauern“. Da zum Zeitpunkt der Fabrikschließung in Leopoldsdorf bereits die Kontrakte für 2025 abgeschlossen waren, hat sich dies auf die heurige Anbausaison nicht ausgewirkt, heißt es vom Verband.

„Durch die Marktverwerfungen am europäischen Zuckermarkt, die größtenteils durch die zunächst unlimitierten Zuckereinfuhren aus der Ukraine ausgelöst wurden, hat sich das Zucker- und damit das Rübenpreisniveau innerhalb eines Jahres halbiert“, so Karpfinger. Die Zuckerrübenproduktion sei daher wieder unter wirtschaftlichen Druck geraten. Die
gegenwärtige Preissituation ergebe für das abgelaufene Rübenjahr bei der Auswertung unserer Arbeitskreisbetriebe ein sehr düsteres Bild bei der Einkommenssituation aus dem Rübenanbau.

Die Rübenbauern
„Die gestiegenen Produktionskosten können durch die deutlich gesunkenen Rübenpreise nicht oder kaum mehr abgedeckt werden.“ Zusätzlich komme auch noch der Wegfall effektiver Pflanzenschutzmittel hinzu. So wird die Bekämpfung von Schädlingen, wie des Rübenderbrüsslers (der innerhalb weniger Stunden ganze Rübenschläge kahlfressen kann), und Krankheiten immer schwieriger. „Das Problem ist somit nicht unbedingt die sinkende Nachfrage, sondern das hohe Angebot an ausländischem Zucker und der Mangel an Pflanzenschutz“, erklärt Ernst Karpfinger.
Wenn Zucker, dann aus Österreich
Auch wenn die Konsumenten mit wenig Zucker auskommen, sollte beim Einkauf zumindest auf Regionalität geachtet werden, appellieren die Rübenbauern: „Von den Konsumenten wünschen wir uns, dass sie im Regal zu Wiener Zucker greifen, denn damit ist sichergestellt, dass sie den österreichischen Rübenanbau unterstützen.“
Weniger ratsam sei der Einkauf von Zuckeralternativen, erklärt Verena Hut. „Meiner Meinung nach überwiegen dabei die Nachteile, vor allem die negativen Auswirkungen auf den Darm (Verträglichkeit, Darmzusammensetzung etc.). Es geht eher darum, den Geschmackssinn Süß zu schärfen.“ Vorsichtig sein sollte man auch bei „zuckerfreien“ Produkten, die vermehrt in den Supermarktregalen vorkommen. Diese beinhalten oft andere Zutaten, wie chemische Süßstoffe. Auch ein hoher Fettgehalt oder künstliche Zusatzstoffe sind meist enthalten.
Die Industrie und der Handel spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie beeinflussen, welche Produkte hervorgehoben werden und wie deren Inhalte, wie etwa der Zuckeranteil, gekennzeichnet sind. Dies beeinflusst das Kaufverhalten der Kunden maßgeblich, weiß die Diätologin. Direktvermarktern in der Landwirtschaft empfiehlt sie, bei der Herstellung von Produkten wie Fruchtjoghurts – etwa in Milchbetrieben – auf gut gereifte Früchte zu setzen und den Zuckeranteil bewusst zu gestalten.
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